Der jubelnde demokratische US-Präsidentschaftskandidat Joe Biden
AP/Andrew Harnik
Auszählung läuft

Biden kommt Wahlsieg näher

270 Wahlleute sind für einen Sieg für das US-Präsidentenamt notwendig. Der demokratische Kandidat Joe Biden steht derzeit bei 253 Wahlleuten, der amtierende Präsident Donald Trump bei 213. In entscheidenden Schlüsselstaaten gibt es ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Die Auszählung läuft auf Hochtouren.

Die Republikaner hoffen zwar darauf, dass sich auf den letzten Metern die Stimmen noch zugunsten Trumps drehen – vor allem in Pennsylvania, Georgia und Arizona. Doch große Chancen hat Trump nicht mehr, eine zweite Amtszeit im Weißen Haus anzuhängen. In Georgia konnte Biden zuletzt aufholen, Trump liegt bei einem Auszählungsstand von 96 Prozent aller Stimmen 0,4 Prozent vor Biden. Georgia könnte Trumps nächstes Ziel sein, eine Neuauszählung der Stimmen zu fordern, sollte er den Bundesstaat verlieren.

Arizona ist nach Ansicht von Fox News bereits seit Mittwoch fest in demokratischer Hand. Entsprechend wütend waren auch die republikanischen Reaktionen darauf. Denn noch sind auch hier nicht alle Stimmen ausgezählt. Biden hat einen Vorsprung, dieser reduzierte sich nach den letzten Auszählungen allerdings um rund 10.000 Stimmen.

Wahlhelfer in den USA beim Auszählen der Stimmen
AP/Matt Slocum
Die Auszählung läuft in den meisten offenen Bundesstaaten noch auf Hochtouren

Pennsylvania lässt auf sich warten

In Pennsylvania wird das endgültige Ergebnis überhaupt noch länger auf sich warten lassen. Da es bei der US-Post Verzögerungen gab, sollen in Pennsylvania noch Briefwahlstimmen gezählt werden, die bis Freitagnachmittag ankommen. Trump und die Republikaner ziehen erneut dagegen vor Gericht. Vor der Wahl hatte das oberste Gericht der USA die Regelung zwar zugelassen. Drei Konservative unter den insgesamt neun Richtern zeigten sich aber offen dafür, das Thema nach der Wahl noch einmal aufzugreifen.

Donnerstagfrüh (Ortszeit) zeigte sich der demokratische Senator Bob Casey von Pennsylvania gegenüber CNN überzeugt, dass Biden allein die Stimmen von Philadelphia reichen würden, um in dem Bundesstaat zu siegen. Ein großer Teil der noch offenen Stimmen solle in den nächsten Stunden ausgezählt werden. Sollte Biden Pennsylvania gewinnen, würde ihm das 20 Wahlleute bringen – ausreichend für den Sieg bei der Präsidentschaftswahl.

Wenige Stimmen Unterschied in Nevada

Derzeit werden in den meisten offenen Bundesstaaten vor allem die Briefwahlstimmen ausgezählt, die zu einem großen Teil demokratischen Wählern und Wählerinnen zugerechnet werden. Noch nicht entschieden sind auch Nevada und North Carolina. In Nevada werden die nächsten Ergebnisse erst wieder Donnerstagfrüh (18.00 Uhr MEZ) erwartet. Derzeit führt Biden hier mit 8.000 Stimmen.

Bei den absoluten Stimmen übertraf Biden den bisherigen Höchstwert, den der Demokrat Barack Obama bei der Wahl 2008 aufgestellt hatte. Nach Erhebungen der Nachrichtenagentur AP, der „New York Times“ und weiterer Medien kam Obamas ehemaliger Vizepräsident auf mehr als 70 Millionen Stimmen. Für Obama hatten bei seiner ersten Wahl 2008 rund 69,5 Millionen Amerikaner gestimmt.

Biden nach US-Wahl voran

Am zweiten Tagen nach der Präsidentschaftswahl in den USA gibt es noch immer kein Endergebnis. Aber Joe Biden liegt vorne.@@@@

„Heute hat die Trump-Regierung offiziell das Pariser Klimaabkommen verlassen. Und in genau 77 Tagen wird eine Biden-Regierung ihm wieder beitreten“, schrieb Biden am Mittwochabend (Ortszeit) auf Twitter mit Blick auf den 20. Jänner, an dem der künftige US-Präsident sein Amt antritt.

Militär rechnet mit Biden-Sieg

Biden betonte, dass er den Sieg noch nicht offiziell für sich reklamieren wolle. Doch wenn die Auszählung beendet sei, „glauben wir, dass wir die Gewinner sein werden“. Er sagte, dass Amerika die tiefe Spaltung überwinden müsse. „Um Fortschritte zu machen, müssen wir aufhören, unsere Gegner wie Feinde zu behandeln“, sagte Biden: „Wir sind keine Feinde.“

Vorbote für einen möglichen Wahlsieg Bidens könnte indes eine Maßnahme der US-Luftstreitkräfte und der US-Luftsicherheitsbehörde (FAA) sein. Sie haben eine temporäre Flugverbotszone über Bidens Heimatstadt Wilmington im Bundesstaat Delaware eingerichtet. Laut Elizabeth Neumann, einer ehemaligen hochrangigen Beamtin im US-Heimatschutzministerium, folgen sie damit dem Protokoll zum Schutz des gewählten Präsidenten – was darauf hindeutet, dass Militär und FAA mit einem Sieg Bidens rechnen.

US-Präsident Donald Trump und sein Vize Mike Pence
Reuters/Carlos Barria
Für Trump wird es eng, die Präsidentschaftswahl noch zu gewinnen

Trump schimpft über Stimmauszählung

Trump gab seit seinem Auftritt in der Wahlnacht, als er angekündigt hatte, den Supreme Court einzuschalten, keine öffentliche Stellungnahme mehr ab. In mehreren Tweets schimpfte er aber über die Stimmauszählung. Sein am Dienstagabend noch bestehender Vorsprung sei in einem Bundesstaat nach dem anderen „auf magische Weise verschwunden“, schrieb er etwa. Im umkämpften Bundesstaat Pennsylvania werde „hart daran gearbeitet“, schnell eine halbe Million Stimmen „verschwinden zu lassen“, schrieb er an anderer Stelle. Twitter versah mehrere Nachrichten mit Warnhinweisen wegen „möglicherweise irreführender“ Aussagen.

Trump hatte schon im Wahlkampf Stimmung gegen die Briefwahl gemacht und Zweifel an der Rechtmäßigkeit geschürt – obwohl die Abstimmung per Post eine etablierte Form der Stimmabgabe ist. Er warnte ohne Beleg vor Fälschungen. Hinweise auf nennenswerten Wahlbetrug gab es nicht. In Georgia zog Trump am Mittwoch vor Gericht, weil laut einem seiner Beobachter unrechtmäßig 53 zu spät per Post eingetroffene Stimmzettel berücksichtigt worden seien.

OSZE kritisiert Betrugsvorwürfe

Die Wahlbeobachtermission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) kritisierte die von Trump erhobenen Wahlbetrugsvorwürfe scharf. „Grundlose Anschuldigungen systematischer Defizite, insbesondere durch den amtierenden Präsidenten“, schadeten dem „Vertrauen der Öffentlichkeit in die demokratischen Institutionen“, erklärte die Beobachtermission in Washington. Viele sähen durch solche Äußerungen „das Potenzial für politisch motivierte Gewalt nach der Wahl“ erhöht.

In Bundesstaaten wie Oregon und Arizona gab es bereits Proteste von Trump-Gegnern und -Anhängern. In New York wurden 58 Personen in Zusammenhang mit Demonstrationen verhaftet. Trotz der aufgeheizten Stimmung erwartet der Vizepräsident der Republicans Overseas in Europa, Roger Johnson, „eine friedliche Übergabe der Macht“. Er sei weiterhin ein Optimist, dass Trump die Wahl gewinne. Was die Partei abseits von juridischen Schritten plane, wollte Johnson nicht sagen: Die Organisation von Demonstrationen durch Trump-Anhänger sei möglich, gewalttätige Ausschreitungen schloss er aus.