Geschlossener Gastgarten
APA/Barbara Gindl
WIFO-Update

Lockdown drückt BIP stärker als erwartet

Das Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) hat seine Prognosen nach unten revidiert: Der wegen der CoV-Pandemie seit Dienstag geltende zweite Lockdown wird die heimische Wirtschaft heuer und kommendes Jahr stärker in Mitleidenschaft ziehen als bisher angenommen. Den Berechnungen zufolge wird die Wirtschaftsleistung heuer um mehr als sieben Prozent sinken – und die Erholung wird deutlich schwächer sein als erwartet.

Genauer gesagt geht das WIFO von einem BIP-Einbruch von 7,7 Prozent aus. Im Oktober hatten sich die Expertinnen und Experten noch etwas optimistischer gezeigt, als nach dem schweren Konjunktureinbruch im Frühjahr und dem starken Anstieg der Arbeitslosigkeit noch von 6,8 Prozent ausgegangen worden war. Auch für kommendes Jahr wurde die Prognose gesenkt – statt eines Wachstums von 4,4 Prozent wird das Plus nur noch mit 2,8 Prozent erwartet.

Bereits bei der vergangenen Einschätzung wurde aber gewarnt, dass eine neue Verschärfung der CoV-Lage und konkret vor allem ein zweiter Lockdown diesen Optimismus bei den Prognosen dämpfen könnten. 0,6 Prozentpunkte dieses zusätzlichen Einbruchs 2020 seien auf den Bereich Beherbergung und Gastronomie zurückzuführen, der Rest vor allem auf Konsumverzicht in anderen Bereichen, teilte das WIFO in dem Update mit.

Lockdown und Reisewarnungen

Von den 0,6 Prozentpunkten ist den Experten zufolge ein kleinerer Teil auf den Lockdown selbst zurückzuführen, ein größerer Teil sei Reisewarnungen geschuldet, die nach Fertigstellung der WIFO-Herbstprognose in Kraft gesetzt wurden. Die Zahl der Nächtigungen dürfte heuer um 35,5 Prozent sinken, im Oktober hatte das WIFO noch 26,8 Prozent Rückgang angenommen. Der Rest des zusätzlichen BIP-Einbruchs heuer sei vor allem auf Konsumrückgänge in anderen Bereichen zurückzuführen.

Grafik zeigt eine WIFO-Lockdown-Prognose
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: WIFO

Bei der Expansion 2021 dürfte der BIP-Beitrag aus Beherbergung/Gastronomie hingegen um 0,3 Punkte steigen. Für das erste Quartal 2021 nimmt das WIFO an, dass die Maßnahmen gelockert werden bzw. wurden und dass das reale BIP um 1,7 Prozent gegenüber dem vorhergehenden Vierteljahr steigt. Das impliziere, dass 40 Prozent des bevorstehenden Einbruchs wettgemacht werden. Im Vergleich dazu seien im heurigen dritten Quartal 67 Prozent des Einbruchs im ersten Halbjahr 2020 kompensiert worden.

Einbruch soll Mitte 2021 fast wieder kompensiert sein

In dieser Tonart dürfte es weitergehen: Zum zweiten Quartal 2021 wird prognostiziert, dass 90 Prozent des bevorstehenden Einbruchs kompensiert sind und im zweiten Halbjahr die Wirtschaftsleistung bereits wieder höher sein wird als im dritten Quartal 2020, also vor dem Konjunktureinbruch aufgrund des zweiten Lockdowns.

Zu verdanken sei die Überkompensation des bevorstehenden Einbruchs den angekündigten wirtschaftspolitischen Maßnahmen (unter anderem 80 Prozent Umsatzersatz), aber auch der Annahme, dass es nach der erfolgreichen Bekämpfung der zweiten Welle keinen neuen Anstieg an Infektionen gibt. In der Prognose von Oktober war angenommen worden, dass im Herbst die Neuinfektionszahl steigt und dass das die Konjunktur dämpft.

Bis Ende 2021 dürfte sich die heimische Wirtschaft – verglichen mit dem BIP Ende 2019 – nur zu drei Viertel erholt haben, schätzt das WIFO. Die Oktober-Prognose war noch von knapp 90 Prozent Kompensation ausgegangen.

Prognose beruht auf nachhaltig gesunkenen CoV-Zahlen

Der im Vergleich zur letzten Prognose schwächere Aufschwung 2021 ergibt sich laut WIFO durch geringere Einkommenszuwächse (Dämpfung des privaten Konsums), einen Anstieg der Unsicherheit (in Bezug auf Investitionen und Exporte) und eine weitere Beschleunigung von Struktureffekten in der Industrie.

Der Tourismus werde 2021 hingegen profitieren: Die Zahl der Nächtigungen soll laut WIFO um 29,2 Prozent steigen, im Oktober ging man noch von lediglich 25,2 Prozent Anstieg aus. „Diese Prognose beruht auf der Annahme, dass der Lockdown die Zahl der Neuinfektionen signifikant und nachhaltig senkt und dass dadurch die Reisewarnungen für Österreich rascher aufgehoben werden können als ohne Lockdown“, betonte das WIFO dazu.

Mehr Arbeitslose, Defizit, Schulden

Die jüngsten Lockdown-Maßnahmen der Regierung führen heuer voraussichtlich zu zwei Prozent Rückgang bei der Beschäftigung unselbstständig aktiv Beschäftigter. 2021 könnte bei einem BIP-Plus von 2,8 Prozent die Zahl um 0,7 Prozent steigen. Für 2020 geht das WIFO nun von 9,9 Prozent Arbeitslosenrate (laut AMS-Kriterien) aus, 2021 soll es einen schwächeren Rückgang geben als zunächst erwartet (auf 9,7 Prozent statt auf 8,8 Prozent).

Auf die öffentlichen Finanzen wirkt sich der zweite Lockdown in mehrfacher Hinsicht negativ aus. In den unmittelbar betroffenen Branchen – vor allem Gastronomie, Tourismus, Kunst- und Kulturbetriebe – würden den Unternehmen während der angeordneten Schließung bis zu 80 Prozent ihres vorjährigen Umsatzes refundiert. Die Budgetbelastung daraus nimmt das WIFO aufgrund historischer Umsatzdaten mit bis zu zwei Mrd. Euro an, wenn keine Gegenrechnung anderer Staatshilfen erfolgt.

Auch der Anstieg bei Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit belastet den Staatshaushalt, ebenso die zu erwartenden Ausfälle bei Mehrwert- und Einkommensteuer sowie Sozialversicherungsbeiträgen. Entsprechend werde auch die Staatsverschuldung weiter zunehmen – auf 85,6 Prozent des BIP heuer und 87,5 Prozent 2021.

CoV-Hilfen dürften weniger Impulse bringen

Die positiven Effekte der Ausschüttung von Steuergeld durch die Regierung dürften indes niedriger ausfallen als in der Kostenschätzung angenommen, berichtete der Budgetdienst des Parlaments in der Beantwortung einer NEOS-Anfrage am Mittwoch. Bei den gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen seien unrealistische Annahmen getroffen worden, bei den Investitionen gebe es viele Mitnahmeeffekte.

Konkret untersuchte der Budgetdienst die vorgezogene Senkung der Einkommensteuer, die Erhöhung der Negativsteuer, die Einmalzahlungen für Familien und Arbeitslose sowie die Investitionsprämie. Außerdem überprüfte er die Verteilung der Effekte auf die einzelnen Einkommensgruppen.

Umsatzeinbußen im Handel

Der Handel in Österreich darf während des zweiten Lockdowns geöffnet bleiben. Händler sprechen dennoch von Umsatzeinbußen von bis zu 50 Prozent. Gründe dafür sind mitunter das Ausbleiben von Touristen und die Trauerstimmung nach dem Terroranschlag.

„Unrealistische Annahmen für Konsumimpuls“

„Die in der WFA (Wirkungsorientierten Folgenabschätzung, Anm.) ausgewiesenen gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen des Konjunkturstärkungsgesetzes 2020 sind deutlich zu hoch, weil unrealistische Annahmen für den Konsumimpuls getroffen wurden“, heißt es in der Stellungnahme.

So würden die Haushalte von 2020 bis 2024 durch die Steuersenkung um 8,3 Milliarden Euro entlastet, die WFA gehe aber von einem Wertschöpfungszuwachs aus, der einem Anstieg des Privatkonsums um elf Milliarden Euro entspreche. Ab 2021 müssten die Österreicherinnen und Österreicher für jeden Euro an Entlastung mehr als einen Euro zusätzlich ausgeben. Das „legt nahe, dass dem BMF bei der Eingabe der Werte in das WFA-IT-Tool ein Fehler unterlaufen sein dürfte“, so der Budgetdienst.

Oberstes Einkommensfünftel profitiert am meisten

Die Entlastung bei der Einkommensteuer belaufe sich heuer auf 1,38 Milliarden Euro, wovon fast die Hälfte (46 Prozent) auf das wohlhabendste Drittel der österreichischen Haushalte entfalle. Etwa die Hälfte des Betrages dürfte in den Konsum fließen. Durch die Einmalzahlungen für Familien dürften die verfügbaren Einkommen heuer um 665 Millionen Euro steigen.

Da hier das ärmste Drittel der Haushalte einen überdurchschnittlich hohen Anteil erhalte, dürften 60 Prozent der Entlastung in den Konsum fließen. Die Einmalzahlungen für Arbeitslose erhöhen heuer die verfügbaren Einkommen um 181 Millionen Euro (bei Verlängerung um 200 Mio. Euro). Zwei Drittel davon dürften in den Privatkonsum fließen, heißt es in der Anfragebeantwortung.