US-Präsident Donald Trump
APA/AFP/Mandel Ngan
Nach Wahlniederlage

Trump rüstet sich für weitere Störfeuer

Vier Tage nach der US-Präsidentschaftswahl ist der Demokrat Joe Biden zum Sieger ausgerufen worden. Bis er vereidigt wird, sind es noch mehr als 70 Tage, in denen Präsident Donald Trump im Amt bleibt und Biden noch einige Hürden in den Weg legen will.

Es gibt in den USA keine Wahlbehörde, die zeitnah ein Endergebnis fürs ganze Land bekanntgibt. Resultate werden nach und nach an Ort und Stelle – also in Wahllokalen, Bezirken und Bundesstaaten – bekanntgegeben. In mehreren Bundesstaaten dauerte die Auszählung der Stimmen auch am Sonntag noch an.

Sie war am Samstagabend aber schon so weit, dass die Medien Biden zum Sieger der Wahl erklären konnten. Die amtlichen Ergebnisse kommen teils erst viel später – auch weil wegen der Coronavirus-Pandemie Millionen Amerikaner per Brief abstimmten. Rechtliche Auseinandersetzungen nach angekündigten Klagen von Trumps Wahlkampfteam gegen die Stimmauszählungen dürften das Endergebnis weiter verzögern.

Trump wiederholt: „Ich habe gewonnen“

Der 74-Jährige will bis vor das oberste Gericht ziehen, den Supreme Court. Seit der Wahlnacht sprach Trump wiederholt von Wahlbetrug, ohne dafür Belege vorzulegen. Er verzichtete auch darauf, den Gewinner anzurufen und seine Niederlage einzugestehen. Stattdessen reagierte Trump zunächst mit einer Stellungnahme: „Die einfache Tatsache ist, dass diese Wahl noch lange nicht vorbei ist“, teilte er am Samstag mit.

So wie in den vergangenen Tagen hält Trump auch nach Bidens Siegesrede weiter an seinen Vorwürfen fest. Man habe in den USA „eine Geschichte von Wahlproblemen“, wie Trump am Sonntag in einem weiteren Twitter-Feuerwerk mitteilte. In den von Twitter teils erneut mit Warnhinweisen versehenen Trump-Posting spricht Trump erneut von Wahlbetrug, einer „gestohlenen Wahl“. „Wo es darauf ankam, stahlen sie, was sie zu stehlen hatten“, schrieb Trump dazu etwa noch.

Der Tonfall des 74-Jährigen geht seit Tagen in dieselbe Stoßrichtung. „Die Beobachter durften nicht in die Zählräume. Ich habe die Wahl gewonnen und 71.000.000 legale Stimmen erhalten. Es passierten schlechte Dinge, die unsere Beobachter nicht sehen durften. Das ist noch nie zuvor passiert. Millionen von Briefwahlzetteln wurden an Leute geschickt, die nie danach gefragt haben!“, schrieb Trump am Vortag durchgehend in Großbuchstaben – einer von Trumps Wegen, Ärger oder Wut zu zeigen. Sein persönlicher Anwalt Rudy Giuliani bekräftigte, dass Trump den Sieg Bidens nicht anerkennen werde – mindestens 600.000 Stimmzettel seien bei dieser Wahl zu beanstanden.

Frist für Rechtsstreitigkeiten

Unterdessen gab Trumps Team eine Klage wegen des Ablaufs der Wahl in Arizona bekannt. Schon davor hatte es in anderen Bundesstaaten wie Michigan, Pennsylvania und Georgia Klagen wegen des Verdachts auf diverse Verstöße eingebracht. Die Erfolgsaussichten der Klagen gelten allerdings als gering. Bidens Vorsprung auf ihn ist so groß, dass ein oder zwei erfolgreiche Klagen wohl nichts mehr an Bidens Sieg ändern dürften – selbst wenn dieser wegen eines Urteils oder einer Neuauszählung wider Erwarten doch noch einen Staat verlieren sollte.

US-Präsident Donald Trump
Reuters/Carlos Barria
Trump weigert sich, seine Niederlage zu akzeptieren, und will vor Gericht ziehen

Die Frist zur Beilegung möglicher Streitigkeiten ist der 8. Dezember. Sobald die Behörden der Bundesstaaten die Stimmen ausgezählt und das Endergebnis bestätigt haben, senden die Gouverneure ein entsprechendes Zertifikat an den nationalen Archivar der Vereinigten Staaten. Diese in einem Bundesgesetz festgehaltene Regel wird als „Safe Harbour“ (sicherer Hafen) bezeichnet. Die Frist war zum Beispiel im Jahr 2000 bei Al Gores Entscheidung, seine Niederlage gegen George W. Bush einzuräumen, mit ausschlaggebend.

Das Ergebnis hing damals im bevölkerungsreichen Bundesstaat Florida. Der Rechtsstreit um das Ergebnis und Neuauszählungen zog sich einen Monat hin, bis vor das oberste Gericht. Danach räumte Gore seine Niederlage ein. Der Republikaner Bush gewann mit 537 Stimmen Vorsprung, sicherte sich die Stimmen der Wahlleute Floridas und wurde US-Präsident.

Angelobung am 20. Jänner

Die US-Wähler können nur indirekt darüber abstimmen, wer der nächste Präsident wird. Ihre Stimme entscheidet über die Zusammensetzung des Wahlkollegium („Electoral College“), das dann 41 Tage nach der Präsidentschaftswahl abstimmt – heuer ist es der 14. Dezember. Die Wahlleute geben dabei ihre Stimme für den siegreichen Kandidaten in ihrem Bundesstaat ab – in vielen Staaten würde ihnen sonst eine Strafe drohen. Nach Auszählung der Stimmen unterzeichnen die Wahlleute wiederum Zertifikate, die bis 23. Dezember beim US-Kongress eingegangen sein müssen.

Am 3. Jänner wird in Washington der neu gewählte Kongress vereidigt. Bei einer gemeinsamen Sitzung von Repräsentantenhaus und Senat werden dann am 6. Jänner die Stimmen der Wahlleute ausgezählt und bestätigt. Federführend wird dabei noch Vizepräsident Mike Pence sein, der offiziell den Sieger bekanntgibt. Ab diesem Tag sind es noch rund zwei Wochen bis zur Amtseinführung. Am 20. Jänner leistet schließlich der neue Präsident bei einer festlichen Zeremonie vor dem Kapitol in Washington seinen Amtseid ab („Inauguration“).

Expertinnen und Beobachter rechnen nun mit möglichen abrupten Schritten Trumps, der noch bis zum Antritt Bidens die Geschäfte führt. Möglich wären Handelsentscheidungen, Truppenabzüge bis hin zu Begnadigungen.

Team für die Übergangsphase

Damit Biden und seine designierte Vizepräsidentin Kamala Harris weitgehend reibungslos ins Amt starten können, laufen bereits jetzt die Vorbereitungen. Zentral ist dabei ein Team für die Übergangsphase bis zur Amtseinführung („Transition Team“). Priorität sollen dabei zunächst die Ernennung eines Stabschefs oder einer Stabschefin und das Management der Coronavirus-Pandemie haben, berichtete die Nachrichtenagentur AP. Auch die Besetzung von Ministerposten wird durch das „Transition Team“ vorbereitet.

Trump-Comeback in vier Jahren?

Beobachter gehen davon, dass Trump auch nach seiner Abwahl nicht die politische Bühne verlässt. Sein früherer Berater Bryan Lanza sagte laut „Independent“ gegenüber der BBC, dass Trump sich in einer „guten Lage“ befinde, um in vier Jahren erneut anzutreten. „Jeder dachte, das würde eine eindeutige Wahl werden“, sagte Lanza. „Es war von einem zweistelligen Vorsprung die Rede, von einem Erdrutsch im Electoral College. Aber davon sind wir weit entfernt.“ Wenn er den Präsidenten beraten würde, würder er ihm raten, bei der nächsten Wahl erneut anzutreten.

Analyse und Ausblick auf 2024

Andreas Mitschitz, aus der ZIB-Auslandsredaktion, analysiert das Wahlergebnis und gibt einen kurzen Ausblick auf das Wahljahr 2024.

Auch Trumps ehemaliger Chefstratege Steve Bannon sagte laut „Independent“, selbst wenn Trump die Wahl zur zweiten Amtszeit verliert, werde die Welt nicht „das Ende Donald Trumps“ sehen. Trumps ehemaliger Stabschef Mick Mulvaney ist sich sogar recht sicher, dass Trump auch 2024 für die Republikaner bei der US-Wahl antreten wird. „Die Leute fangen an zu realisieren: Moment, wenn Donald Trump verliert, ist er dann immer noch der Typ? Absolut. Ich erwarte absolut, dass der Präsident in der Politik involviert bleibt, und würde ihn absolut auf eine Shortlist von Leuten packen, die wahrscheinlich 2024 kandidieren“, sagte Mulvaney in einem Video des Nachrichtenportals „The Recount“.

Trump-Anhänger in Wisconsin
Reuters/Bing Guan
Trump-Fans auf den Straßen in Wisconsins

Jim Acosta, CNN-Chefkorrespondent aus dem Weißen Haus, teilte via Twitter mit, dass er von entsprechenden Überlegungen im Weißen Haus gehört habe. „Trump und seine Mitarbeiter hatten Diskussionen über ein Comeback im Jahr 2024, falls er die Wiederwahl an Biden verlieren sollte, sagt mir ein Berater. Kein Wort, ob er es tun würde. Aber das Thema ist aufgetaucht, wurde mir gesagt.“ Trump wäre bei einem Comeback in vier Jahren 78 Jahre alt, Biden 81.