Polizist vor einem Vereingebäude der Muslimbruderschaft in Graz.
APA/Erwin Scheriau
Verdacht der Terrorfinanzierung

Großrazzia gegen Muslimbruderschaft

In vier Bundesländern hat es Montagfrüh eine Großrazzia gegen die Muslimbruderschaft und die Hamas gegeben. Laut Staatsanwaltschaft Graz wird gegen 70 Personen ermittelt, es geht unter anderem um den Verdacht der Terrorfinanzierung und Geldwäsche. Ein Zusammenhang mit dem Terroranschlag von Wien besteht laut Ermittlungsbehörden nicht.

60 Wohnungen, Häuser, Geschäfts- und Vereinsräumlichkeiten seien durchsucht worden, teilte die Staatsanwaltschaft Graz mit. Die Razzien fanden in größeren Städten in Niederösterreich, der Steiermark und Kärnten sowie in Wien statt und wurden von Polizei und Verfassungsschutz durchgeführt. 30 Personen wurden laut Staatsanwaltschaft festgesetzt, sie werden den Behörden zur „sofortigen Vernehmung“ vorgeführt.

Ermittelt wird insgesamt gegen 70 Beschuldigte. Es besteht der Verdacht der terroristischen Vereinigung, der Terrorismusfinanzierung, der staatsfeindlichen Verbindungen, der kriminellen Organisation und der Geldwäsche. Bei den Hausdurchsuchungen wurden „höhere Summen Bargeld“ sichergestellt, sagte der Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, Franz Ruf, Montagvormittag bei einer Pressekonferenz mit Innenminister Karl Nehammer (ÖVP). Es handle sich um „Millionenbeträge“, so Ruf. Eine genaue Zahl nannte er nicht.

Großangelegte Razzien bei Muslimbruderschaft

Montagfrüh haben Polizisten und Verfassungsschützer Razzien in vier Bundesländern gegen Personen und Vereine durchgeführt, die die Muslimbruderschaft und die Hamas unterstützen sollen. Ein Jahr dauerten die Ermittlungen an.

Am Nachmittag hieß es auf Nachfrage von der Staatsanwaltschaft Graz, dass mehrere Konten der betroffenen Vereine und verdächtigen Personen eingefroren worden seien. „Beträchtliche Geldbeträge“ seien sichergestellt worden – ebenso wie Liegenschaftsvermögen. Waffen oder Sprengstoff seien nicht gefunden worden. Festnahmen wurden auch nach den Vernehmungen nicht ausgesprochen.

„Kein Zusammenhang“ mit Anschlag in Wien

Seitens der Staatsanwaltschaft Graz wurde betont, dass die Razzien „in keinem Zusammenhang mit dem Terroranschlag in Wien vom 2. November stehen“. Der Aktion seien „umfangreiche und intensive, über ein Jahr dauernde Ermittlungen“ des führend zuständigen Landesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT) Steiermark zusammen mit dem LVT Wien vorangegangen. Eingebunden waren auch das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) und die LVTs Kärnten und Niederösterreich.

Laut Ruf waren in den vier Bundesländern 930 Beamte von Verfassungsschutz und verschiedenen Polizeieinheiten im Einsatz. Die Ermittlungen seien seit Mitte 2019 geführt worden. Allein die bei der Observation von Verdächtigen gemachten Aufnahmen belaufen sich laut Ruf auf 21.000 Stunden. Hinzu kämen umfangreiche Finanzermittlungen.

Nehammer: Muslimbruderschaft „zutiefst gefährlich“

Nehammer sprach von einem „entscheidenden Schlag“ gegen die Muslimbruderschaft und die Hamas in Österreich. Die Muslimbruderschaft sei „zutiefst gefährlich“. Sie versuche, die Demokratie auszuhebeln, „die Scharia einzuführen, die Grund- und Freiheitsrechte, die uns lieb und teuer geworden sind, zu bekämpfen“.

Auch Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) sagte in Aussendung, mit „diesem Schlag gegen die Muslimbruderschaft machen wir Ernst im Kampf gegen radikale, extremistische Ideologien. Wir lassen nicht zu, dass extremistisches Gedankengut in Österreich verbreitet wird, und werden auch weiterhin konsequent dagegen vorgehen“.

„Presse“: Kickl brachte Operation in Gefahr

Die „Presse“ hatte Montagfrüh berichtet, dass die großangelegte Razzia in letzter Minute zu scheitern drohte. Der ehemalige Innenminister und nunmehrige FPÖ-Klubchef Herbert Kickl habe die Operation „Ramses“ vergangene Woche an die Öffentlichkeit „geleakt“ und sie in Verbindung mit dem Terroranschlag in der Wiener City gestellt. Die Hausdurchsuchungen hätten sich aber nicht gegen Anhänger der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) gerichtet.

Analyse von Andreas Mayer-Bohusch (ORF)

ZIB-Innenpolitikredakteur Andreas Mayer-Bohusch analysiert den Stand der Ermittlungen gegen Muslimbruderschaft und Hamas.

„Kickls Halbwissen hatte die Operation, V-Männer und verdeckte Ermittler in große Gefahr gebracht und die Szene wachgerüttelt“, schrieb die „Presse“. Woher Kickl diese Informationen hatte, sei Gegenstand von Ermittlungen, was von Ruf in der Pressekonferenz bestätigt wurde. Er habe bereits am Samstag eine Sachverhaltsdarstellung bei der Staatsanwaltschaft eingebracht, so Ruf.

Nehammer nannte die Großrazzia in der Pressekonferenz „Operation Luxor“. „Kennzeichen einer Geheimoperation“ sei, dass sie besonders effizient sei, wenn sie geheim bleibe, so Nehammer. Wegen der „Umstände der letzten Tage“ hätten die Ermittler „rasch und flexibel“ umdenken müssen, sagte der Innenminister, ohne Kickl direkt zu nennen. Seitens der Staatsanwaltschaft Graz hieß es gegenüber dem „Standard“, Kickls Aussagen hätten die Aktion nicht gefährdet. Bis vergangene Woche sei die Aktion allerdings tatsächlich unter dem Namen „Ramses“ gelaufen. Später habe sie einen anderen Namen erhalten – „Luxor“. Ursprünglich hätte die Großrazzia am Dienstag stattfinden sollen, wurde wegen des Terroranschlags in Wien aber verschoben.

IGGÖ verweist auf fehlende Infos

Die Islamische Glaubensgemeinschaft (IGGÖ) erklärte am Montagabend, nicht zu wissen, ob Einrichtungen der IGGÖ Ziel der Untersuchungen sind. „Wir kennen lediglich die Medienberichte und können zu laufenden Ermittlungen und Einvernahmen erst dann etwas sagen, wenn uns die Behörden Evidenz geliefert haben“, so Präsident Ümit Vural in einer Aussendung. Es wird auf Berichte verwiesen, wonach auch Moscheegemeinden der Glaubensgemeinschaft Ziel gewesen sein. Eine Bestätigung seitens der zuständigen Stellen sei aber ausstehend, ebenso wie mögliche Vorwürfe.