US-Präsident Donald Trump winkt aus einem fahrenden Auto
AP/J. Scott Applewhite
Nach US-Wahl

Trumps Spiel auf Zeit

Der republikanische US-Präsident Donald Trump hat seine Niederlage immer noch nicht eingestanden. Seine Hoffnungen liegen derzeit vor allem auf Klagen gegen Ergebnisse in einzelnen US-Bundesstaaten. Doch Trump ist noch bis zur Angelobung Bidens am 20. Jänner im Amt – und setzt auf ein Spiel auf Zeit und den Rückhalt in seiner Partei.

Über seine Parteikollegen und -kolleginnen soll sich Trump bereits im Privaten bitter beschwert haben, weil es kaum öffentliche Unterstützung aus der Partei für ihn gebe, wie Insider der „Washington Post“ sagten. Kritiker gehen davon aus, dass er die Republikaner in „Geiselhaft“ genommen hat.

So will Trump nun weiter mit Auftritten, ähnlich wie vor der Wahl, durchs Land ziehen, seine Position stärken und Anhänger und Anhängerinnen weiter gegen Biden in Stellung bringen bzw. aufwiegeln. Und einige Trump-Anhänger fühlen sich durch die Auftritte des Präsidenten auch zu Taten aufgerufen, wie ein Beispiel zeigt. So wollten Extremisten schon vor der Wahl die Gouverneurin des Bundesstaates Michigan, Gretchen Whitmer, entführen. Das FBI konnte das allerdings noch rechtzeitig verhindern. Kurz darauf machte Trump erneut in einem Wahlkampfauftritt Stimmung gegen die Gouverneurin.

US-Präsident Donald Trump bei einer seiner letzten Wahlkampfrede in Grand Rapids, Michigan
AP/Carlos Osorio
Auch nach der Niederlage will Trump Liveauftritte – hier ein Bild aus dem Wahlkampf – zur Mobilisierung seiner Anhänger absolvieren

Zudem spricht Trump weiterhin von einem möglichen Sieg in den noch nicht ausgezählten Staaten. „Wisconsin schaut sehr gut aus. Es braucht rechtlich etwas Zeit, wird aber bald passieren“, schrieb Trump am Montagnachmittag (Ortszeit) auf Twitter. „Georgia wird ein großer präsidentieller Sieg sein, so wie schon in der Wahlnacht“, schrieb er in einem weiteren Tweet. Der Verlust der beiden Staaten hat wesentlich zur Niederlage Trumps gegen den Demokraten Joe Biden beigetragen.

Trump bekräftigte in seinen Tweets auch die Betrugsvorwürfe, blieb aber weiterhin konkrete Belege dafür schuldig. So bezeichnete er den Staat Nevada als eine „Kloake von falschen Stimmen“ und kündigte diesbezüglich die Veröffentlichung „absolut schockierender“ Dinge an. Neuerlich beklagte er sich darüber, dass Pennsylvania „uns daran gehindert hat, bei einem großen Teil der Auszählung zuzuschauen. Undenkbar und illegal in diesem Land.“

Schließlich behauptete Trump in äußerst vagen Worten, dass die Schwelle bei der Identifizierung von Stimmzetteln „sogar noch viel größer ist, als man ursprünglich erwartet hat. Eine sehr große Anzahl an Stimmen ist betroffen. Bleiben Sie dran!“ Trump verwendete dabei den Ausdruck „threshold identification“ und sorgte damit für Rätselraten, was dieser bedeute und was er gemeint haben könnte.

Auch neue Gesetze und Erlässe möglich

Trump sammelt auch Geld für seine Klagen bis hin zum Höchstgericht gegen den Sieg Bidens. Allerdings soll im Kleingedruckten dieser finanziellen Unterstützungserklärungen auch stehen, dass das Geld für die Kostendeckung des Wahlkampfs verwendet werden darf.

Neben seinen weiteren Mobilisierungsauftritten könnte Trump Biden bis zur Übergabe der Staatsgeschäfte auch mit neuen Gesetzen und Erlässen zusetzen. So halten Politbeobachter und -beobachterinnen zum Beispiel Handelsabkommen mit dem EU-Aussteiger Großbritannien, Truppenabzüge und Begnadigungen etwa in seinem erweiterten Umfeld für möglich.

US-Präsident Donald Trump nebst Gattin Melania
Reuters/Carlos Barria
Das First Couple Donald und Melania Trump ist nur noch bis Ende Jänner im Weißen Haus

Liveauftritte und Twitter-Salven

Politisch wird Trump nicht einfach in der Versenkung verschwinden, sind sich Kommentatoren und Kommentatorinnen in zahlreichen US-Medien einig, hat er doch trotz seiner Niederlage mehr als 70 Millionen Wähler und Wählerinnen auf seiner Seite. Und das will auch politisch weiter ausgespielt werden. „Trump wird sich wahrscheinlich als widerstandsfähiger als erwartet erweisen und mit ziemlicher Sicherheit eine mächtige und störende Kraft im amerikanischen Leben bleiben“, so die „New York Times“.

Neben seinen Auftritten hat Trump dazu noch ein weiteres Mittel – sein Twitter-Account. Dieser, als privat definiert, dürfte ihm weiter mit seinen über 88 Mio. Abonnenten und Abonnentinnen erhalten bleiben. Erwartet wird, dass Trump damit auch seinen Nachfolger Biden unablässig kommentieren und ein regelrechtes Twitter-Störfeuer inszenieren wird.

Keine Exitstrategie für Gestohlene-Wahl-Erzählung

Schwierig ist für Trump das Eingeständnis der Niederlage auch, da er bereits in den Monaten vor der Wahl davon gesprochen hat, dass das Wahlergebnis von den Demokraten wegen der Möglichkeit der Briefwahl gestohlen sei. Offenbar fehlt die Strategie, aus dieser Argumentation wieder herauszukommen. Im privaten Umfeld und von Teilen seines Beratungsteams wird Trump aber offenbar bereits gedrängt, die Niederlage einzugestehen.

Schwieriger Start für neuen US-Präsidenten Biden

Der neu gewählte US-Präsident Joe Biden hat am Montag seinen Expertenrat zur Bekämpfung der Coronavirus-Pandemie präsentiert. Unterdessen weigert sich der amtierende Präsident Donald Trump weiterhin, seine Niederlage einzugestehen. ORF-Korrespondent Tim Cupal berichtet aus Washington.

Aus Selbstschutz, sollen sie argumentiert haben, damit die Marke Trump keinen Schaden nimmt. Damit hat Trump auch seine Partei in „Geiselhaft“, denn parteiintern gibt es derzeit keinen Konkurrenten. Dabei sei es egal, ob Trump das nächste Mal tatsächlich antreten wird oder das nur als Argument und Druckmittel bei den Republikanern verwendet, so die „Washington Post“ weiter. Auch gibt es mittlerweile einige Personen, die Trump ihre Karrieren im US-Kongress, sei es im Repräsentantenhaus oder im Senat, verdanken.

Romney: Trump 900-Pfund-Gorilla in der Partei

Der konservative US-Senator und ausgewiesene Trump-Kritiker Mitt Romney gratulierte Biden hingegen bereits am Samstag zum Sieg – und war damit der erste Parlamentarier aus dem Trump-Lager, der Bidens Wahlsieg anerkannte. Auch er sieht Trumps gewichtige Rolle in der republikanischen Partei, und zwar auch nach der Niederlage. „Er ist ohne Frage die mächtigste Stimme in der Partei. Er wird in Zukunft weiter einen enormen Einfluss auf die Ausrichtung der Partei haben“, so Romney am Sonntag zu dem US-Sender NBC.

Er denke, dass ein Großteil der Menschen, die Trump gewählt haben, sicherstellen wollte, dass dessen Grundsätze und Politik weiter verfolgt werden, so die Einschätzung von Romney. „Er wird auf jeden Fall nicht verschwinden. Er ist der 900-Pfund-Gorilla, wenn es um die republikanische Partei geht“, so Romney über die Dominanz Trumps bei den Republikanern. Als eine Stimme für Trump meldete sich der republikanische Mehrheitsführer im US-Senat, Mitch McConnell: Trump habe „zu hundert Prozent“ Recht auf ein juristisches Vorgehen nach der Wahl.

Besondere Gefahr durch überlappende Krisen

Wie Trump sich in den nächsten Wochen weiter verhält, wird nicht nur für die Marke Trump ausschlaggebend sein, sondern für das ganze krisengebeutelte Land. Denn neben der Coronavirus-Pandemie haben die USA erstmals auch noch einen Präsidenten, der seine Niederlage nicht eingestehen und sich nicht zu einem friedvollen Übergang der Macht verpflichten will. Ein derartiges Zusammentreffen bzw. Überlappen von Krisen könnte laut Barbara Perry, Historikerin mit dem Schwerpunkt US-Präsidentschaft am Miller Center der Universität von Virginia, besonders gefährlich werden.

„Die Pandemie und die daraus resultierende wirtschaftliche Katastrophe sind für Trumps Niederlage verantwortlich und verlangen nun von ihm, die Macht abzugeben, wie es 44 Präsidenten vor ihm auch getan haben“, so Perry. „Doch die antidemokratischen und demagogischen Züge in seiner Politik, die ihm den Weg ins Oval Office geebnet haben, erlauben es ihm nicht, einfach zurückzutreten“, so die Expertin.

In einer Umfrage des „Washington Examiner“ bereits vor der Wahl sprachen sich unter Anhängern seiner Republikaner 38 Prozent dafür aus, dass er im Fall seiner Niederlage später noch einmal als Präsident kandidieren sollte. Rechtlich spräche nichts dagegen, sollte er 2024 wieder antreten wollen.

Angelobung am 20. Jänner

Die US-Wähler können nur indirekt darüber abstimmen, wer der nächste Präsident wird. Ihre Stimme entscheidet über die Zusammensetzung des Wahlkollegiums („Electoral College“), das dann 41 Tage nach der Präsidentschaftswahl abstimmt – heuer ist es der 14. Dezember. Die Wahlleute geben dabei ihre Stimme für den siegreichen Kandidaten in ihrem Bundesstaat ab – in vielen Staaten würde ihnen sonst eine Strafe drohen. Nach Auszählung der Stimmen unterzeichnen die Wahlleute wiederum Zertifikate, die bis 23. Dezember beim US-Kongress eingegangen sein müssen.

Am 3. Jänner wird in Washington der neu gewählte Kongress vereidigt. Bei einer gemeinsamen Sitzung von Repräsentantenhaus und Senat werden dann am 6. Jänner die Stimmen der Wahlleute ausgezählt und bestätigt. Federführend wird dabei noch Vizepräsident Mike Pence sein, der offiziell den Sieger bekanntgibt. Ab diesem Tag sind es noch rund zwei Wochen bis zur Amtseinführung. Am 20. Jänner leistet schließlich der neue Präsident bei einer festlichen Zeremonie vor dem Kapitol in Washington seinen Amtseid ab („Inauguration“).

Team für die Übergangsphase

Damit Biden und seine designierte Vizepräsidentin Kamala Harris weitgehend reibungslos ins Amt starten können, laufen bereits jetzt die Vorbereitungen. Zentral ist dabei ein Team für die Übergangsphase bis zur Amtseinführung („Transition-Team“). Priorität sollen hier zunächst die Ernennung eines Stabschefs oder einer Stabschefin und das Management der Coronavirus-Pandemie haben, berichtete die Nachrichtenagentur AP. Auch die Besetzung von Ministerposten wird durch das „Transition-Team“ vorbereitet.