Wegen des erneuten Lockdowns wurden die Preisträger des Österreichischen Buchpreises am Montag per Aussendung bekanntgegeben.

In diesem Sinne äußerte sich am Montag auch die Jury, bestehend aus Sebastian Fasthuber (Journalist, „Falter“), Nicole Henneberg (Literaturkritikerin, u. a. „Frankfurter Allgemeine Zeitung“), Klaus Seufer-Wasserthal (Buchhändler, Rupertus Buchhandlung) und Ulrike Tanzer (Literaturwissenschaftlerin, Universität Innsbruck): „Wir sind davon überzeugt: Lesen hilft, gerade auch in schwierigen Zeiten. Lesen geht immer, sogar von 20.00 Uhr bis 6.00 Uhr.“
Bayer lässt „Gewissheit des Alltags ins Bodenlose kippen“
Am Ende entschied sich die Jury „mit großer Einigkeit“ unter den 117 Einreichungen mit Bayers Erzählband und Fischers Debütroman für „zwei überragende Texte“. Bayers „Geschichten mit Marianne“ handelt in 20 miteinander verbundenen Storys von der Freundin des Ich-Erzählers, einer reichen und gefährlichen Femme fatale.
Stets stachelt sie ihn an, neue „Erfahrungen“ zu machen und „Abenteuer“ zu erleben, woraufhin die alltäglichsten Situationen komplett aus dem Ruder laufen und mitunter in Horrorszenarien umschlagen. Grenzüberschreitung lautet das gemeinsame Thema aller Storys, egal ob ein Perchtenlauf eskaliert oder Marianne spontan testet, „wie belastbar“ ihr Partner bei SM-Spielen ist.
Für die Jury ist Bayers Buch ein „brillantes, facettenreiches Nachdenken über unsere Zeit“, wie es in ihrer Begründung heißt. „Jede Geschichte setzt neu an und lässt eine Gewissheit des Alltags ins Bodenlose kippen, und sei es der Gang in den Keller. Der Erzähler irrt durch den schlammigen Untergrund einer Riesenstadt, tastet sich im Dunklen durch ein ominöses Schloss oder beobachtet mit Marianne ein Massaker vom Wohnzimmer aus, nachdem er ihr beim Abwaschen geholfen hat. Die literarische Moderne wird in diesen Geschichten aufgerufen und souverän in unterschiedlichen Genres eingesetzt – von der Horrorgeschichte bis zur Fantasy-Szenerie.“
Studiogast: Xaver Bayer im „kulturMontag“-Interview
Xaver Mayer hat die Jurorinnen und Juroren mit „Geschichten mit Marianne“ überzeugt. Im „kulturMontag“-Interview spricht er über Literatur in Zeiten der Krise.
Fischers „Forelle“: „Sprachliche Höhenflüge“

Der jährlich vergebene Debütpreis geht 2020 an den oberösterreichischen Autor Leander Fischer. Er wurde 1992 geboren und lebt nach Studien in Wien, Berlin und Hildesheim aktuell in Hannover. 2019 gewann er mit seinem Text "Nymphenverzeichnis Muster Nummer eins Goldkopf“ den Deutschlandfunk-Preis beim Ingeborg-Bachmann-Preis. Dieser Text bildet nun den Anfang seines 780-Seiten starken Debütromans „Die Forelle“, der von den beiden Gmundener Fliegenfischern Ernstl und Siegi handelt. Mit dem Roman überzeugte Fischer zuerst die Jury der ORF-Bestenliste, wo er im Oktober auf Anhieb den ersten Platz belegte, und jetzt die Jury des Österreichischen Buchpreises.
Fischer könne sich „über mehrere Seiten in kleinste Details des Fliegenfischens versenken und gleichzeitig zu sprachlichen Höhenflügen ansetzen“, so die Jury. „Die Forelle“ sei „das genaue Gegenteil der einfachen, schmucklosen Prosa, die heute in der erzählenden Literatur vorherrscht“, heißt es in der Jury-Begründung zum Debütpreis, die aber auch literaturgeschichtliche Kontinuitäten bei Fischer ausmacht.
Der Roman stehe auch in der Tradition des Österreichischen Antiheimatromans, so die Jury weiter: "‚Die Forelle‘ lässt sich auch als Antiheimatroman lesen, mit dem Waldsterben oder wild fechtenden Reserveburschenschaftern und dementsprechendem Bierdunst als thematischem Hintergrundrauschen. Diese österreichischen Kontinuitäten holen Fischers Prosa für kurze Zeit zurück auf den Boden der Tatsachen. Bis sie von neuem abhebt.“

Preise für die Nominierten der Shortlist
Neben den 20.000 Euro Preisgeld für Bayer, gibt es für die vier anderen Nominierten der Shortlist jeweils 2.500 Euro. Für den Hauptpreis befanden sich Helena Adlers „Die Infantin trägt den Scheitel links“ (Jung und Jung), Monika Helfers „Die Bagage“ (Carl Hanser), Karin Peschkas „Putzt euch, tanzt, lacht“ (Otto Müller Verlag) und Cornelia Travniceks „Feenstaub“ (Picus) auf der Shortlist für den Hauptpreis.
Auch die beiden anderen Nominierten für den Debütpreis – Gunther Neumanns „Über allem und nichts“ (Residenz) und Mercedes Spannagels „Das Palais muss brennen“ (Kiepenheuer & Witsch) – erhalten je 2.500 Euro.
Verkündung per Aussendung
Im fünften Jahr der Vergabe des Preises wird wegen des erneuten Lockdowns mit einer Tradition gebrochen. Anstatt wie üblich bei einem abendlichen Festakt, wurden die Gewinner des Österreichischen Buchpreises per Aussendung bekanntgegeben.
Den Stiftern des Preises, dem Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport, dem Hauptverband des Österreichischen Buchhandels und der Arbeiterkammer (AK) Wien, war es „trotz der herausfordernden Situation ein Anliegen, diese Würdigung für österreichische Schriftstellerinnen und Schriftsteller auch in diesem Jahr durchzuführen“.
Mayer bleibt optimistisch und gratuliert
Die Staatssekretärin für Kunst und Kultur, Andrea Mayer (Grüne), sagte: „2020 ist für viele im Bereich Kunst und Kultur ein schwieriges Jahr.“ Dennoch bleibe sie „optimistisch“. Der Österreichische Buchpreis beweise „einmal mehr, dass die österreichische Literatur zu Recht im deutschsprachigen Raum hochgeschätzt und gerne gelesen wird“. Sie gratulierte den Preisträgern herzlich.
Benedikt Föger, Präsident des Hauptverbandes des Österreichischen Buchhandels erinnerte daran, dass es „gerade in Zeiten wie diesen“ wichtig sei, „der neuen österreichischen Literatur und ihren Autorinnen und Autoren Sichtbarkeit zu verleihen und der Vielfalt und Reichhaltigkeit ihres Werkes Anerkennung zu zollen. Im fünften Jahr seiner Verleihung trägt der Österreichische Buchpreis mehr denn je zu diesem Anliegen bei.“
AK-Präsidentin Renate Anderl gratulierte besonders Fischer zum Debütpreis, welchen die AK stiftet: "Schriftstellerinnen und Schriftsteller mit ihren literarischen Debüts zu fördern, ist uns ein wichtiges Anliegen. Wir wollen angehenden Künstlerinnen und Künstlern die Tür öffnen und sie in ihrer weiteren Entwicklung ermutigen.“