Rendering des Coronavirus
Reuters/NEXU Science Communication
CoV-Impfstoffstudie

Hersteller versprechen hohe Wirksamkeit

Erstmals gibt es zu einem für Europa maßgeblichen CoV-Impfstoff Zwischenergebnisse aus der für eine Zulassung entscheidenden Studienphase. Das deutsche Unternehmen Biontech und der Pharmakonzern Pfizer teilten am Montag mit, ihr Impfstoff biete einen mehr als 90-prozentigen Schutz vor der Krankheit Covid-19. Schwere Nebenwirkungen seien nicht registriert worden, hieß es.

Laut den Angaben war das Risiko, an Covid-19 zu erkranken, für Studienteilnehmer, die den Impfstoff erhielten, um mehr als 90 Prozent geringer als ohne Impfung. Biontech und Pfizer wollen voraussichtlich ab der kommenden Woche die Zulassung bei der US-Arzneimittelbehörde FDA beantragen. Der Impfstoff BNT162b2 war von Biontech im Projekt „Lightspeed“ seit Mitte Jänner entwickelt worden. Die für eine Zulassung entscheidende Phase-III-Studie begann Ende Juli in verschiedenen Ländern.

Inzwischen haben mehr als 43.500 Personen mindestens eine der beiden Impfungen bekommen, die im Abstand von drei Wochen verabreicht werden. Ein Impfschutz wird nach Angaben der Hersteller eine Woche nach der zweiten Injektion erreicht. Die vorläufige Analyse der Studie von Biontech und Pfizer basiert auf 94 von insgesamt 43.538 Studienteilnehmerinnen und -teilnehmern, die sich infiziert haben. Die Unternehmen schlüsselten nicht genau auf, wie viele der Erkrankten den Impfstoff erhielten.

Studie geht vermutlich noch bis Anfang Dezember

Gemäß der Wirksamkeitsrate müssen aber acht oder weniger der 94 Krankheitsfälle in der Gruppe mit den geimpften Teilnehmern verzeichnet worden sein und der Rest in der Kontrollgruppe, die ein Placebo erhielt. Um die Wirksamkeitsrate zu bestätigen, soll die Studie fortgesetzt werden, bis es insgesamt 164 Covid-19-Fälle unter den Teilnehmern gibt. Angesichts des jüngsten Anstiegs der Infektionsraten in den USA könnte diese Zahl Anfang Dezember erreicht werden, sagte Bill Gruber, einer der führenden Impfstoffforscher von Pfizer.

Beschleunigter Zulassungsprozess

Zudem werde geprüft, in welchem Maß die Impfung nicht nur vor Covid-19 schützt, sondern auch vor schweren Verläufen der Krankheit. Insgesamt sollen sowohl die Schutzwirkung als auch etwaige Nebenwirkungen über einen Zeitraum von zwei Jahren beobachtet werden. Für den CoV-Impfstoff gilt wegen der besonderen Dringlichkeit ein beschleunigter Zulassungsprozess. Bei der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) können Arzneimittelhersteller schon vor dem kompletten Zulassungsantrag einzelne Teile zu Qualität, Unbedenklichkeit und Wirksamkeit eines Präparats einreichen.

Ein solches „Rolling-Review-Verfahren“ hat neben Biontech auch das britisch-schwedische Unternehmen AstraZeneca zusammen mit der Universität Oxford bereits vor einiger Zeit für seinen Impfstoffkandidaten gestartet. AstraZeneca hat bisher keine Phase-III-Daten veröffentlicht. Zum Zeitplan dafür lasse sich noch nichts sagen, teilte eine Sprecherin am Montag mit.

Biontech/Pfizer: Heuer noch 50 Mio. Dosen

Das Biontech-Präparat ist ein RNA-Impfstoff. Es enthält genetische Informationen des Erregers, aus denen der Körper ein Viruseiweiß herstellt – in diesem Fall das Oberflächenprotein, mit dessen Hilfe das Virus in Zellen eindringt. Ziel der Impfung ist es, den Körper zur Bildung von Antikörpern gegen dieses Protein anzuregen, um die Viren abzufangen, bevor sie in die Zellen eindringen und sich vermehren.

Biontech und Pfizer rechnen damit, noch in diesem Jahr weltweit bis zu 50 Millionen Impfstoffdosen bereitstellen zu können, im kommenden Jahr kalkulieren sie mit bis zu 1,3 Milliarden Dosen. Der deutsche Gesundheitsminister Jens Spahn sagte, die Impfstoffzulassung werde zunächst nur in den USA gelten, er rechnete aber nicht mit langen Differenzen hinsichtlich Zulassungen in Europa.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) äußerte sich in einer ersten Reaktion optimistisch. Bei einer Auslieferung bis März kommenden Jahres an jene, die für das Virus am meisten anfällig seien, könnte der Verlauf der Pandemie eine fundamental andere Richtung einschlagen, sagte der WHO-Spitzenvertreter Bruce Aylward am Montag.

Anschober: „Strenge Prüfungen entscheidend“

Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) wies in einer Aussendung darauf hin, dass auf EU-Ebene mit bereits drei Produzenten Vertragsabschlüsse erreicht worden seien und die Wahrscheinlichkeit für einen Abschluss mit Biontech und Pfizer „sehr groß“ sei. Nun seien „strenge Sicherheitsüberprüfungen bei den Zulassungsverfahren entscheidend“, so Anschober. Es zeigte sich zuversichtlich, dass „wir tatsächlich eine gute Chance haben, dass im ersten Quartal 2021 die ersten Lieferungen von Impfdosen nach Österreich gelangen“.

Meduni-Wien-Forscherin Holzmann abwartend

Abwartend äußerte sich Heidemarie Holzmann von der Medizinischen Universität Wien: Es handle sich um einen „interessanten Ansatz“ und „vielversprechenden Trend“, man warte aber noch auf detaillierte Daten.

Die bis dato vorhandenen Informationen beruhen lediglich auf einer Presseaussendung der beiden Unternehmen. Die Möglichkeiten, am heutigen Tag belastbare Aussagen dazu zu treffen, seien daher eingeschränkt, sagte die Wissenschaftlerin vom Zentrum für Virologie der Meduni. Wichtig sei, dass der Einsatz des Wirkstoffkandidaten, der als einer der aussichtsreichsten für eine Zulassung durch die Gesundheitsbehörden in den USA und Europa gilt, minutiös nachbeobachtet werde, betonte Holzmann.

EU hält an bisherigem Zeitplan fest

Unterdessen hält die EU auch nach der Erklärung von Biontech und Pfizer an ihrem bisherigen Zeitplan für die Zulassung fest. „Was den Zeitplan für Impfungen betrifft, so wäre zum jetzigen Zeitpunkt jede Vorhersage riskant“, hieß es am Montag aus EU-Kreisen. Die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) müsse noch weitere Tests durchführen, eine Zulassung in Europa sei daher frühestens „Anfang kommenden Jahres“ realistisch.

Die EU-Kommission hat mit einer Reihe von Unternehmen, die an einem CoV-Impfstoff forschen, Abkommen zur Lieferung künftiger Mittel abgeschlossen. Im Fall von Biontech und Pfizer hat Brüssel zunächst 200 Millionen Dosen reserviert und hält eine Option für weitere 100 Millionen Impfstoffeinheiten.

Zwar haben schon Länder wie Russland, China und kürzlich Bahrain Impfstoffe mit Einschränkungen freigegeben und impfen damit bereits Teile der Bevölkerung. Aber wie gut diese Impfungen tatsächlich schützen und welche Nebenwirkungen sie haben können, ist weitgehend offen.

Euphorie an den Börsen

Die Aussicht auf einen Erfolg bei der Suche nach einem Coronavirus-Impfstoff gab auch den Börsen Europas am Montag signifikanten Auftrieb: Der deutsche DAX eroberte erstmals wieder seit Mitte Oktober die 13.000-Punkte-Marke und legte (auch beflügelt von Joe Bidens Wahlsieg) um fast fünf Prozent zu.

Der Euro-Zone-Leitindex EuroStoxx 50 folgte dem DAX um 6,4 Prozent steil nach oben, in Paris gewann der Cac 40 sogar 7,6 Prozent. Der Londoner FTSE 100 bracht es immerhin auf ein Plus von 4,7 Prozent. In den USA hievte ein Kurssprung um fast vier Prozent den Leitindex Dow Jones Industrial auf Rekordhöhen. Auch der österreichische Leitindex ATX ging mit einem Kurszuwachs von 7,6 Prozent aus dem Handel.