Russische Militärfahrzeuge am Weg zu einem Flughafen
AP/Russian Defense Ministry Press Service
Bergkarabach

Russische Truppen sollen Waffenruhe sichern

Im Konflikt um die Südkaukasus-Region Bergkarabach haben sich die Staatschefs von Armenien und Aserbaidschan unter Vermittlung des russischen Präsidenten Wladimir Putin auf eine Waffenruhe verständigt. Russische Friedenstruppen sollen nun die Waffenruhe sichern. Die Vereinbarung sieht die Entsendung von 1.960 russischen Friedenssoldaten und territoriale Zugeständnisse vor.

Die ersten vier Flugzeuge vom Typ Iljuschin Il-76 seien in der Nacht auf Dienstag mit Soldaten und gepanzerten Fahrzeugen in die Krisenregion geflogen, teilte das russische Verteidigungsministerium in Moskau der Agentur Interfax zufolge mit. Als offizieller Beginn der Mission sei 7.00 Uhr Ortszeit (4.00 Uhr MEZ) vereinbart worden. Aserbaidschans Präsident Ilham Aliyev kündigte an, auch türkische Truppen sollten die Einhaltung der Vereinbarung überwachen. Laut russischen Angaben werden keine türkischen Soldaten zum Einsatz kommen.

In der trilateralen Vereinbarung zwischen Armenien, Aserbaidschan und Russland zur Beendigung der Kampfhandlungen seien keine türkischen Soldaten vorgesehen, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Dienstag der Agentur Interfax zufolge. Er wies damit eine Erklärung Aliyevs zurück. „Die Anwesenheit türkischer Soldaten in Karabach wurde nicht vereinbart“, stellte Peskow klar. Diskutiert worden sei lediglich die Einrichtung eines Zentrums zum Monitoring der Waffenruhe auf aserbaidschanischem Gebiet. Aber das seien separate Verhandlungen, sagte Peskow.

Russische Soldaten betreten ein Transportflugzeug
AP/Russian Defense Ministry Press Service
Russische Soldaten steigen in ein Flugzeug ein

Proteste in Armenien

„Das ist ein Sieg der Völker beider Länder – von Aserbaidschan und Armenien, weil der Krieg gestoppt wurde“, sagte Peskow zu der in der Nacht auf Dienstag getroffenen Vereinbarung. Russlands Soldaten seien der Garant dafür, dass der Krieg ende. Die Kräfte würden auch den Austausch von Gefangenen und Toten sicherstellen. Mit Blick auf die schweren Proteste in Armenien gegen das Abkommen sagte Peskow, er hoffe, dass die Menschen dort die Vorteile eines Endes des Blutvergießens verstünden. Das Dokument garantiere den Menschen auch eine sichere Rückkehr in ihre Wohnorte.

Nach russischen Angaben waren Frankreich und die USA nicht beteiligt an den Verhandlungen über eine Lösung des Konflikts. Beide Länder sind mit Russland Kovorsitzende in der Minsker Gruppe der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), die zuständig ist für die Bergkarabach-Verhandlungen.

Karte zeigt Bergkarabach
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA

Armenischer Präsident wurde überrascht

Vor allem in Armenien hatte die Nachricht vom Ende der Kämpfe heftige Proteste ausgelöst. In der Hauptstadt Eriwan kam es in der Nacht zu Ausschreitungen. Demonstranten besetzten den Regierungssitz und das Parlament. Mehrere hundert Menschen hielten sich vor dem Regierungssitz auf. Sie beschimpften den armenischen Regierungschef Nikol Paschinjan als Verräter. Paschinjan schrieb auf Facebook, er halte sich weiter in Armenien auf und erfülle seine Aufgaben als Ministerpräsident „weiterhin voll und ganz“.

Waffenruhe in Bergkarabach

Nach wochenlangen heftigen Kämpfen um die Region Bergkarabach haben sich Aserbaidschan und Armenien auf eine Waffenruhe geeinigt. Russische Truppen werden stationiert.

In der Früh erlangte die armenische Polizei wieder die Kontrolle über den Regierungssitz und das Parlament. Polizisten sicherten den Regierungssitz ab, wie ein Reporter der Nachrichtenagentur AFP berichtete. Polizisten schnitten eine zum Parlament führende Straße vom Verkehr ab, anschließend wurde das Gebäude geräumt. Eine Gruppe von rund 20 Demonstranten wurde davon abgehalten, eine Straßenblockade zu errichten.

Ausschreitungen in Armenien

Als Folge der Vereinbarung über eine Waffenruhe in Bergkarabach ist es in Armenien zu Ausschreitungen gekommen.

In der Krisenregion selbst blieb es am Dienstag ruhig. Weder das armenische Verteidigungsministerium noch jenes Aserbaidschans meldeten Gefechte um die bergige Region. Noch kurz zuvor hatte der armenische Regierungschef gesagt, die Kämpfe seien auch nach der Vereinbarung einer Waffenruhe nicht vollständig zu einem Ende gekommen. Der armenische Präsident Armen Sarkissjan hatte sich überhaupt überrascht gezeigt. „Ich bin von der Presse darüber informiert worden“, sagte er. Aus den Medien habe er auch über die Bedingungen für ein Ende des Krieges erfahren. Am Vortag hatten die Behörden von Bergkarabach den Verlust der strategisch wichtigen Stadt Schuschi eingeräumt. Zudem war ein russischer Militärhubschrauber von Aserbaidschan abgeschossen worden.

Menschen in Aserbaidschan jubeln auf den Straßen
AP/Aydin Mammedov
Menschen in Aserbeidschan jubeln über die Waffenruhe

Jahrzehntealter Konflikt

Die Türkei begrüßte die Vereinbarung zwischen Armenien und Aserbaidschan. Außenminister Mevlüt Cavusoglu schrieb am Dienstag auf Twitter, der Verbündete Aserbaidschan habe einen wichtigen Sieg auf dem Feld und am Verhandlungstisch erzielt. „Ich gratuliere von Herzen zu diesem freudigen Erfolg.“ Man werde den aserbaidschanischen „Geschwistern“ weiter zur Seite stehen.

Die Gefechte um Bergkarabach dauerten bereits seit Ende September an. Der Konflikt selbst ist schon jahrzehntealt. Aserbaidschan verlor in einem Krieg nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion vor rund 30 Jahren die Kontrolle über das Gebiet mit etwa 145.000 Bewohnern, überwiegend Armenier. Seit 1994 galt eine brüchige Waffenruhe. Aserbaidschan beruft sich in dem neuen Krieg auf das Völkerrecht und sucht immer wieder die Unterstützung seines „Bruderstaates“ Türkei. Armenien wiederum setzt auf Russland als Schutzmacht.