Petrischale in einem Labor
Reuters/Murad Sezer
Coronavirus

EU sichert sich vielversprechenden Impfstoff

Die EU hat bei der Bereitstellung von CoV-Impfstoffen eine Hürde genommen. Wie am Dienstag bekanntwurde, schloss die EU-Kommission einen Vertrag mit den Pharmafirmen Biontech und Pfizer. Diese entwickeln einen Impfstoff, der erst am Montag für Zuversicht gesorgt hatte: Laut den Unternehmen biete er 90-prozentigen Schutz vor Covid-19. Der Vertrag soll in den kommenden Tagen unterzeichnet werden.

„Wir haben die Verhandlungen abgeschlossen“, bestätigte EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides am Dienstag entsprechende Medienberichte. Die EU-Kommission verhandelt seit Monaten mit Biontech und Pfizer. Nach Vorgesprächen hatte die Behörde schon im September gesagt, sie wolle bis zu 300 Millionen Impfstoffdosen der Hersteller beziehen. Ein Rahmenvertrag war aber noch nicht zustande gekommen – anders als bei drei anderen Impfstoffherstellern.

In einem Vorvertrag mit den beiden Unternehmen sicherte sich die EU-Kommission 200 Millionen Dosen. Für weitere 100 Millionen gibt es eine Option. Pro Impfung sind zwei Dosen des Impfstoffs nötig. Nach Vertragsabschluss in der EU haben alle 27 Länder gleichzeitig Zugriff auf erste Lieferungen. Sie sollen nach der Bevölkerungsgröße verteilt werden.

Studienergebnisse weckten Hoffnung

Das US-Unternehmen Pfizer und der deutsche Partner Biontech hatten erst am Montag Zwischenergebnisse aus der für eine Zulassung entscheidenden Studienphase geliefert. Diese hatten für Zuversicht und ein Börsenfeuerwerk gesorgt: Den Angaben zufolge war das Risiko einer Covid-19-Erkrankung für Studienteilnehmer mit Impfstoffgabe um 90 Prozent geringer als für jene ohne Impfung. Zudem seien keine schweren Nebenwirkungen registriert worden.

Projekt „Lightspeed“

Biontech und Pfizer wollen voraussichtlich ab der kommenden Woche die Zulassung bei der US-Arzneimittelbehörde FDA beantragen. Der Impfstoff BNT162b2 war von Biontech im Projekt „Lightspeed“ seit Mitte Jänner entwickelt worden. Die für eine Zulassung entscheidende Phase-III-Studie begann Ende Juli in verschiedenen Ländern.

Inzwischen haben mehr als 43.500 Personen mindestens eine der beiden Impfungen bekommen, die im Abstand von drei Wochen verabreicht werden. Ein Impfschutz wird nach Angaben der Hersteller eine Woche nach der zweiten Injektion erreicht. Die vorläufige Analyse der Studie von Biontech und Pfizer basiert auf 94 von insgesamt 43.538 Studienteilnehmerinnen und -teilnehmern, die sich infiziert haben. Die Unternehmen schlüsselten nicht genau auf, wie viele der Erkrankten den Impfstoff erhielten.

Studie geht vermutlich noch bis Anfang Dezember

Gemäß der Wirksamkeitsrate müssen aber acht oder weniger der 94 Krankheitsfälle in der Gruppe mit den geimpften Teilnehmern verzeichnet worden sein und der Rest in der Kontrollgruppe, die ein Placebo erhielt. Um die Wirksamkeitsrate zu bestätigen, soll die Studie fortgesetzt werden, bis es insgesamt 164 Covid-19-Fälle unter den Teilnehmern gibt. Angesichts des jüngsten Anstiegs der Infektionsraten in den USA könnte diese Zahl Anfang Dezember erreicht werden, sagte Bill Gruber, einer der führenden Impfstoffforscher von Pfizer.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula Von Der Leyen
Reuters/Olivier Hoslet
Die EU – hier EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen – verhandelt mit mehreren Produzenten

Beschleunigter Zulassungsprozess

Zudem werde geprüft, in welchem Maß die Impfung nicht nur vor Covid-19 schützt, sondern auch vor schweren Verläufen der Krankheit. Insgesamt sollen sowohl die Schutzwirkung als auch etwaige Nebenwirkungen über einen Zeitraum von zwei Jahren beobachtet werden. Für den CoV-Impfstoff gilt wegen der besonderen Dringlichkeit ein beschleunigter Zulassungsprozess. Bei der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) können Arzneimittelhersteller schon vor dem kompletten Zulassungsantrag einzelne Teile zu Qualität, Unbedenklichkeit und Wirksamkeit eines Präparats einreichen.

Biontech und Pfizer: Heuer noch 50 Mio. Dosen

Das Biontech-Präparat ist ein RNA-Impfstoff. Es enthält genetische Informationen des Erregers, aus denen der Körper ein Viruseiweiß herstellt – in diesem Fall das Oberflächenprotein, mit dessen Hilfe das Virus in Zellen eindringt. Ziel der Impfung ist es, den Körper zur Bildung von Antikörpern gegen dieses Protein anzuregen, um die Viren abzufangen, bevor sie in die Zellen eindringen und sich vermehren.

Virologe Florian Krammer zum Impfstoff

Der österreichische Virologe Florian Krammer berichtete vom Mount Sinai Hospital in New York, dass der nun offenbar kurz vor der Zulassung stehende Impfstoff der langersehnte Durchbruch in der Coronavirus-Krise sein könnte.

Biontech und Pfizer rechnen damit, noch in diesem Jahr weltweit bis zu 50 Millionen Impfstoffdosen bereitstellen zu können, im kommenden Jahr kalkulieren sie mit bis zu 1,3 Milliarden Dosen. Der deutsche Gesundheitsminister Jens Spahn sagte, die Impfstoffzulassung werde zunächst nur in den USA gelten, er rechnete aber nicht mit langen Differenzen hinsichtlich Zulassungen in Europa.

In einem Gespräch mit der „Financial Times“ sagte Biontech-Strategiechef Ryan Richardson, dass das Unternehmen den Impfstoff angesichts der Situation unter den üblichen Marktpreisen verkaufen werde. Der Preis werde dennoch die finanziellen Risiken widerspiegeln, die seine privaten Investoren eingegangen seien. In den Ländern werde es voraussichtlich verschiedene Preise geben, ergänzte Richardson, ohne weitere Details zu nennen.

Anschober zuversichtlich, MedUni-Forscherin abwartend

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hatte sich am Montag in einer ersten Reaktion optimistisch geäußert. Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) verwies auf „strenge Sicherheitsüberprüfungen bei den Zulassungsverfahren“, die entscheidend seien. Er zeigte sich zuversichtlich, dass „wir tatsächlich eine gute Chance haben, dass im ersten Quartal 2021 die ersten Lieferungen von Impfdosen nach Österreich gelangen“. Am Dienstag sagte Anschober, man peile in Österreich eine Durchimpfungsrate von 50 Prozent an.

EU sichert sich Coronavirus-Impfstoff

Europaweite Hoffnung gibt es, seit bekanntwurde, dass das deutsche Unternehmen Biontech und der US-Pharmariese Pfizer einen Coronavirus-Impfstoff entwickelt haben sollen, der einen 90-prozentigen Schutz vor dem Coronavirus bieten soll. Die EU will sich daher Impfdosen sichern.

Abwartend äußerte sich Heidemarie Holzmann von der Medizinischen Universität Wien: Es handle sich um einen „interessanten Ansatz“ und „vielversprechenden Trend“, man warte aber noch auf detaillierte Daten. Die bis dato vorhandenen Informationen beruhen lediglich auf einer Presseaussendung der beiden Unternehmen. Die Möglichkeiten, am selben Tag belastbare Aussagen dazu zu treffen, seien daher eingeschränkt, sagte die Wissenschaftlerin vom Zentrum für Virologie der MedUni. Wichtig sei, dass der Einsatz des Wirkstoffkandidaten, der als einer der aussichtsreichsten für eine Zulassung durch die Gesundheitsbehörden in den USA und Europa gilt, minutiös nachbeobachtet werde, so Holzmann.

Drosten optimistisch

Optimistisch zeigte sich der deutsche Virologe Christian Drosten. Man sehe in der Zwischenbilanz im Moment einen beeindruckenden Schutz gegen die Infektion, so der Charite-Wissenschaftler in der heute veröffentlichten Folge des „Coronavirus-Update“ bei NDR-Info über den Impfstoff. „Wenn jetzt die Studie weiterläuft, kann sich diese Zahl natürlich auch korrigieren, auch durchaus nach unten korrigieren. Damit muss man rechnen“, sagte Drosten. Aber prinzipiell habe der Impfstoff eine wirklich gute Schutzwirkung.

Bei dieser Art von Impfstoffen, einer neuen Technik, habe man gar nicht gewusst, was man erwarten kann. „Das ist schon jetzt sehr ermutigend“, sagte Drosten. Der Virologe betonte aber auch, dass noch nicht mehr bekannt sei als eine Presseerklärung – auf wissenschaftlicher Ebene sei man auf weitere Veröffentlichungen gespannt.