Pressekonferenz der Bundesregierung zum Anti-Terror-Paket nach dem Anschlag in Wien
ORF
Nach Anschlag

Regierung plant Anti-Terror-Paket

Nach dem islamistisch motivierten Terroranschlag in Wien hat die Bundesregierung am Mittwoch ein neues Anti-Terror-Paket geschnürt und nach dem Ministerrat präsentiert. Geplant sind umfassende Maßnahmen: unter anderem eine elektronische Überwachung von Gefährdern via Fußfessel, die Unterbringung terroristischer Straftäter im Maßnahmenvollzug („Präventivhaft“) und die Schaffung einer Anti-Terror-Staatsanwaltschaft.

Weitere Punkte umfassen die Möglichkeit zur Aberkennung der österreichischen Staatsbürgerschaft nach einer Terrorverurteilung, Führerscheinentzug und strengere Waffengesetze (z. B. lebenslanges Waffenbesitzverbot bei Terrorverurteilung). Geplant ist auch eine „Ergänzung der Straftatbestände zur effektiven Bekämpfung des religiös motivierten politischen Extremismus (politischer Islam)“.

Extremistische Vereine und Kultusstätten will man bei Terrorismuspropaganda leichter schließen können, es soll dafür ein Imameverzeichnis geben. Staatliche und finanzielle Leistungen sollen nach einer Verurteilung wegen eines Terrordelikts – soweit es geht – entzogen werden. Die Verbreitung von extremistischem Gedankengut will die Bundesregierung durch eine Erweiterung des Symbolgesetzes verhindern.

Mehr Informationsaustausch

Auch ein systematischer Daten- und Informationsaustausch zwischen Sicherheitsbehörde, Vereinsbehörde und Kultusamt ist geplant. Dazu kommt eine eigene Meldestelle für gewaltverherrlichende dschihadistische Onlineinhalte. Weiters kommen sollen Verbesserungen im Deradikalisierungsprozess sowie Maßnahmen gegen Radikalisierung in Haft.

Geplant sind auch Fallkonferenzen vor einer bedingten Entlassung von Terrorstraftätern. Gerichte werden verpflichtet, vor einer möglichen bedingten Entlassung die zuständige Verbindungsstelle um eine Gefährdungseinschätzung zu ersuchen. Die Probezeit soll verlängert werden, auch Reisebeschränkungen sind angedacht.

Auch die schon länger in Planung befindliche Reform des BVT nennt die Regierung in ihrer Punktation. Dessen Neuaufstellung solle zur „Wiederherstellung des Vertrauens seitens der Bevölkerung und von Partnerdiensten“ führen, heißt es. Die Zuständigkeit von Staatsanwaltschaften und Gerichten für Terrorismusstrafsachen werden gebündelt, angedacht is quasi die Schaffung einer Anti-Terror-Staatsanwaltschaft.

Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP), Vizekanzler Werner Kogler (Grüne), Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) und Justizministerin Alma Zadic (Grüne)
APA/Herbert Neubauer
Die geplanten Maßnahmen wurden nach dem Ministerrat verkündet

Maßnahmenvollzug und Fußfessel

Ein zentraler Punkt soll die erweiterte gerichtliche Aufsicht verurteilter Täter sein. Laut Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) sind in Österreich derzeit rund 300 „Foreign Terrorist Fighters“ bekannt, die in Gebieten wie Syrien und dem Irak aufseiten von terroristischen Gruppen gekämpft haben,oder sich diesen erfolglos anschließen wollten. Rund die Hälfte davon sei tot oder noch in den Gebieten, die andere Hälfte befinde sich wieder in Österreich – teils in Haft, teils auf freiem Fuß.

Regierung plant Anti-Terror-Paket

Nach dem islamistisch motivierten Terroranschlag in Wien hat die Bundesregierung am Mittwoch ein neues Anti-Terror-Paket vorgelegt. Geplant sind die vorbeugende elektronische Überwachung entlassener Gefährder und die Unterbringung terroristischer Straftäter im Maßnahmenvollzug, von der ÖVP als „Präventivhaft“ bezeichnet.

Dass diese nach der Haft eine „massive Gefahr“ sein können, habe der Anschlag gezeigt. Deswegen plane man eine Unterbringung von wegen Terrorismus verurteilter Straftäter im Maßnahmenvollzug auch bei verbüßter Haftstrafe, bis eine Deradikalisierung eingetreten sei – ähnlich wie bei geistig abnormen Rechtsbrechern: „Wenn ein geistig abnormer Rechtsbrecher lebenslang weggesperrt werden kann, wenn er eine Gefahr darstellt, kann auch ein Terrorist lebenslang weggesperrt werden.“

Genannt wird diese Maßnahme „Präventivhaft“. Auf diesem Wege könne das Bedrohungsrisiko minimiert und die Deradikalisierung besser überwacht werden. Für Verurteilte auf freiem Fuß sei eine elektronische Fußfessel oder ein Armband angedacht. Das sei „ein starker Eingriff, aber ein notwendiger Schritt, um das Bedrohungsrisiko zu minimieren“, so Kurz.

Kerzen und Kränze am Ort des Anschlags in der Wiener Innenstadt
ORF.at/Christian Öser
Das Paket wurde eine Woche nach dem Anschlag in Wien präsentiert

Mit der Schaffung eines Straftatbestandes bezüglich „politischen Islams“ werde laut Kurz zudem eine Möglichkeit geschaffen, gegen den „Nährboden“ für Terrorismus vorzugehen. Kultus- und Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) sagte, dass es in diesem Bereich nicht legitim sei, sich auf das Grundrecht der freien Religionsausübung „herauszureden“, da es sich um einen Missbrauch desselbigen handle. Wie das Gesetz konkret grundrechtskonform ausgestaltet wird, blieb offen. Auf jeden Fall werde sich die kürzlich geschaffene Dokumentationsstelle Politischer Islam beteiligen.

Kogler: Paket auch gegen Neonazis

Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) betonte, das Paket beziehe sich auf „alle Arten von Terror“ – auch durch Neonazis. Weiters kam Kogler auf die notwendige Reform des BVT „an Haupt und Gliedern“ zu sprechen. Ein Neustart mit reformierten Strukturen und gutem Personal sei „notwendig“, es gehe dabei auch um „Entpolitisierung“. Kogler kündigte zudem für Donnerstag die Präsentation einer Untersuchungskommission an, die Behörden- und Ermittlungsfehler vor dem Terroranschlag in Wien untersuchen soll.

In Zukunft brauche es wesentlich bessere Informationsflüsse, denn: „Die schärfsten Gesetze gehen ins Leere, wenn es nicht gleichzeitig eine konsequente Umsetzung gibt“, so der Vizekanzler. Wichtig sei auch, Umgehungskonstrukte bei Terrorfinanzierung zu verhindern. Um der Radikalisierung in Haftanstalten entgegenzutreten, kündigte Kogler zudem die Einrichtung und Reformierung von Sicherheitsanstalten in Gefängnissen an. Kogler sagte, er hoffe darauf, dass das Paket von einer möglichst breiten politischen Mehrheit getragen werde.

Pochen auf „handlungsfähigen Verfassungsschutz“

Auch Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) ging auf die Problematik des BVT ein. Eine Reform werde in Zukunft sicherstellen, dass der staatspolizeiliche Teil vom nachrichtendienstlichen Teil getrennt werde. In der neuen Organisationsstruktur brauche es weiters mehr Ressourcen und Personal, die Weichen dafür seien gestellt.

Ein „rasch handlungsfähiger Verfassungsschutz“ sei „dringend notwendig“. Nehammer verwies zudem auf die gute Kooperation bei der Schaffung des Pakets und betonte: Der Kampf gegen Terrorismus kenne „keine Farbe, keine Seite, keine Religion“. Abseits der Pressekonferenz bestätigte Nehammer auch einen Bericht der „Kronen Zeitung“, dass seine Familie nach Drohungen unter Polizeischutz steht.

Zadic: Nur informierte Gerichte können handeln

Aus der Quarantäne zugeschaltet lieferte Justizministerin Alma Zadic (Grüne) Details zu Maßnahmen in der Justiz. „Wir werden eine Verbindungsstelle für eine reibungslose Kommunikation schaffen“, so Zadic. Die Gerichte könnten nämlich nur handeln, wenn sie auch informiert seien. Der Verfassungsschutz werde künftig über strafrechtlich relevante Prozesse informieren müssen, zudem sollen Fallkonferenzen und Clearingstellen für einen besseren Informationsfluss sorgen.

Justizministerin Alma Zadic (Grüne)
APA/Herbert Neubauer
Justizministerin Zadic präsentierte die Justizmaßnahmen aus der Quarantäne

Die Gerichte und Staatsanwaltschaften sollen ebenfalls besser für den Kampf gegen Terrorismus vorbereitet werden. Auch nach der Haft soll es in Zukunft weitgehende Maßnahmen geben, denn „Verurteilte dürfen nicht vom Radar verschwinden“. Die gerichtliche Kontrolle nach Haftentlassung müsse engmaschiger sein, dazu werde man neue Auflagen schaffen. Es brauche auch Möglichkeiten, wo Gefährder während der Deradikalisierung untergebracht werden können, eine Möglichkeit fehle derzeit. Zadic kündigte zudem die Schaffung eines Opferfonds an.

Hasspredigten „einfach abdrehen“

Raab kündigte an, dass man mit dem neuen Straftatbestand gegen politischen Islam stärker gegen den „Nährboden“ für Terror vorgehen werde. Zudem werde man künftig verstärkt bei radikalen Vereinen ansetzen. Namen wollte Raab auf Rückfrage nicht nennen. Sie räumte ein, dass man sich bei der Schließung von Moscheen wie bereits erfolgt auf „grundrechtssensiblem“ Boden befinde. Allerdings könne es nicht im Sinne des Erfinders sein, dass sich radikalislamische Vereine auf den Schutz der österreichischen Grundrechte berufen.

Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP)
APA/Herbert Neubauer
Integrationsministerin Raab will Maßnahmen gegen „hasserfüllte Ideologie“

Verstärkt vorgehen will Raab auch gegen Hasspredigten ausländischer Imame, hierbei helfen soll ein Imameverzeichnis. Die Predigten müsse man im Vorfeld „einfach abdrehen“. Grundsätzlich müsse auch die Auslandsfinanzierung noch strikter kontrolliert werden. Weiters kündigte Raab an, dass man auch im Bildungswesen ansetzen wolle. Geben soll es in Zukunft beispielsweise neue, niederschwellige Beratungsangebote für die Angehörigen von potenziell Radikalisierten.

Erstes Gesetzespaket bis Dezember

Ein erstes Gesetzespaket soll bis Anfang Dezember von den zuständigen Ressorts ausgearbeitet und einem Begutachtungsverfahren unterzogen werden. Auch die Ergebnisse der nach dem Terroranschlag in Wien bzw. den Ermittlungspannen im Vorfeld angekündigten Untersuchungskommission sollen in die Umsetzung dieses Maßnahmenpaketes einbezogen werden. Die Maßnahmen sollen so gestaltet werden, dass sie mit der europäischen Menschenrechtskonvention vereinbar sind.

Opposition zurückhaltend

Die Opposition reagierte auf die Pläne gemischt. Die bestehende Rechtslage hätte gereicht, um den Anschlag von Wien zu verhindern, sagte etwa SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried in einer Pressekonferenz. Er will sich die Vorschläge der Regierung nun ansehen und dann darüber diskutieren.

„Einige Punkte des Pakets der Regierung sind durchaus diskussionswürdig, manches ist allerdings nicht zu Ende gedacht“, so FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl. Er sprach sich für ein Verbotsgesetz gegen politischen Islam inklusive eines Verbots verschiedener Vereine aus. Zudem forderte er einen generellen Entzug der Staatsbürgerschaft. Kritik übte er an der Fußfessel, mit einer solchen könne trotzdem geschossen werden. FPÖ-Chef Norbert Hofer forderte indes die Aussetzung des Schengen-Modells.

NEOS ortete „Überschriftenpolitik“ und forderte eine lückenlose Aufklärung des Anschlages. Eine solche hatte bereits vor der Pressekonferenz die SPÖ angemahnt. Konkret wird die SPÖ nächste Woche im Nationalrat eine Dringliche Anfrage an Nehammer stellen. Außerdem hat die SPÖ bereits eine weitere Sitzung des Nationalen Sicherheitsrates einberufen. Unabhängigkeit brauche es auch in der geplanten Untersuchungskommission. Die SPÖ ortete Ablenkungsmanöver und betonte bezüglich der Versäumnisse im BVT, dass die ÖVP dort lange dominant gewesen sei.