Der nächste US-Präsident Joe Biden
Reuters/Brian Snyder
Fahrplan nach US-Wahl

Bidens Kampf gegen erzwungene Blockaden

Während US-Präsident Donald Trump seine Wahlniederlage weiterhin nicht eingesteht, verspricht sein Nachfolger Joe Biden, „gleich an die Arbeit zu gehen“ – sein Übergangsteam nimmt Formen an. Trumps Blockadehaltung dürfte den Start aber holprig machen: Bidens Mannschaft ist vorerst von Millionen Dollar und wichtigen Informationen abgeschnitten.

Das Übergangsteam („Transition Team“) von Biden und seiner designierten Vizepräsidentin Kamala Harris gab am Dienstag die Namen von etwa 500 Personen auf ihrer Website bekannt, die mit den verschiedenen Regierungsbehörden – vom Amt für den finanziellen Verbraucherschutz über das Heimatschutzministerium bis hin zum Postdienst – zusammenarbeiten sollen.

Die Personen auf der Liste würden nicht notwendigerweise der neuen Regierung angehören, aber „die Werte und Prioritäten der neuen Regierung widerspiegeln“, hieß es in der Erklärung. Entsprechend breit ist die Palette an Fachleuten – sie reicht von eingefleischten Demokraten, die teils in der Regierung Barack Obama als Beamte dienten, bis hin zu progressiven Aktivisten und Aktivistinnen, die dafür plädieren, dass die US-Regierung mehr für den Abbau der Ungleichheit tun sollte.

„Unsere Nation kämpft mit einer Pandemie, einer Wirtschaftskrise, druckvollen Forderungen nach Rassengerechtigkeit und der existenziellen Bedrohung durch den Klimawandel. Der designierte Präsident Biden und die designierte Vizepräsident Harris wissen, dass wir nicht einfach zu den früheren Zuständen zurückkehren können. Das Team, das gerade zusammengestellt wird, wird sich diesen Herausforderungen vom ersten Tag an stellen und die USA wieder stärker machen“, heißt es auf der Website.

Vizepräsidentin Kamala Harris und der nächste demokratische US-Präsident Joe Biden im August 2020
Reuters/Carlos Barria
Harris und Biden haben bis zur Amtsübernahme keinen Tag zu verlieren – Trumps Team erschwert ihnen diese Aufgabe

Wenig Zeit, große Aufgaben

Für Biden tickt bis zur Angelobung Mitte Jänner die Uhr, um gewappnet für alle Bereiche zu sein: Er wird Oberbefehlshaber der Streitkräfte sein, die Verantwortung für gut 1,3 Millionen Soldaten haben und über die Codes verfügen, um im Notfall den Einsatz von Atomwaffen zu genehmigen. Er und seine Regierung werden für einen Haushalt in Höhe von fast fünf Billionen US-Dollar (4,2 Billionen Euro) verantwortlich sein. Auch die Pandemie und die Wirtschaftskrise werden dem Präsidenten kaum Zeit zur Einarbeitung lassen.

Gar nicht zupass kommt ihm und seinem Team da, dass die Trump-Administration die Unterstützung bei der Übernahme der Amtsgeschäfte verweigert. Die geordnete Übergabe („transition“) nach einer Präsidentschaftswahl ist seit fast 60 Jahren im Gesetz verankert. Damit wollte der Kongress sicherstellen, dass sich Amerikaner immer darauf verlassen können, eine funktionierende Regierung zu haben. „Jegliche durch die Übergabe der Regierungsgeschäfte verursachte Unterbrechung könnte Ergebnisse zur Folge haben, die für die Sicherheit und das Wohlbefinden der Vereinigten Staaten und der Bürger schädlich sind“, hieß es 1963 zur Begründung des Gesetzes.

Behördenleiterin blockiert Übergabe

Das Gesetz zur Übergabe der Amtsgeschäfte räumt der General Services Administration (GSA), die der Regierung als Dienstleisterin in Sachen Immobilien und Ausrüstung dient, eine wichtige Rolle ein. Die von Trump ernannte Leiterin der Behörde, Emily Murphy, muss nach der Wahl die Feststellung treffen, wer die „offensichtlich erfolgreichen Kandidaten“ für das Präsidenten- und das Vizeamt sind. Erst mit ihrem Schreiben, das normalerweise als Formalie angesehen wird, kann die Amtsübergabe formell eingeleitet werden. Murphy weigert sich aber, Biden und Harris als Wahlsieger anzuerkennen.

GSA-Chefin Emily Murphy
AP/Bill Clark
GSA-Chefin Emily Murphy weigert sich, Biden als Wahlsieger anzuerkennen

Murphy folgt Trumps Argumentation, dass die Wahl angesichts von Betrugsvorwürfen und laufenden Klagen noch nicht final entschieden sei. Damit könnte sie Biden und Harris theoretisch noch wochenlang hinhalten. Beglaubigte Endergebnisse der Wahl aus allen Bundesstaaten soll es erst zum 8. Dezember geben, knapp eine Woche bevor die Wahlleute ihre Stimmen für den nächsten Präsidenten abgeben. Das Ergebnis der Abstimmung wird erst am 6. Jänner im Kongress bekanntgegeben – erst dann herrscht absolute Rechtssicherheit.

Zugang zu Essenziellem gesperrt

Mit dem GSA-Schreiben bekäme Biden Millionen Dollar für Gehälter und andere Ausgaben sowie Büroräume und E-Mail-Adressen der Regierung zur Verfügung gestellt. Noch viel wichtiger dürfte aber sein, dass seine Teams damit ganz offiziell Zugang zu allen Regierungsstellen bekämen. Hunderte von Bidens Mitarbeitern sollen in die Ministerien und Behörden entsandt werden, um dort die Übergabe einzuleiten. Alle Behörden haben dem Gesetz folgend bereits Dokumente für die Übergabe vorbereitet, die teils Hunderte Seiten lang sind. Ohne das GSA-Schreiben kann Bidens Team aber kaum wissen, welche Regierungsstelle gerade was macht.

Zur Übergabe gehören normalerweise auch zahlreiche Gespräche auf höchster Ebene sowie das Besprechen wichtiger geheimer Informationen. Zudem bekommt der gewählte Präsident für gewöhnlich bereits das tägliche Briefing des Geheimdienstes, das auch der Amtsinhaber bekommt. Frühere Präsidenten hätten das „im Interesse der nationalen Sicherheit“ veranlasst, erklärt das überparteiliche Zentrum für die Amtsübergabe des Präsidenten.

Biden versucht, Ruhe zu bewahren

Demokraten und auch einzelne Republikaner haben Murphys Haltung scharf kritisiert, Biden selbst hält sich vorerst bedeckt und betont, er werde den Präsidenten in jedem Fall am 20. Jänner ablösen. „Ehrlich gesagt, wir sehen nichts, was uns dabei ausbremst“, sagte er am Dienstag. Er sehe trotz der Weigerung Murphys keinen Bedarf für rechtliche Schritte. Sein Anwaltsteam erklärte, Trump versuche, etwas „Unvermeidliches“ hinauszuzögern.

Indessen wird bereits wild über die Frage spekuliert, wen der Demokrat auf wichtige Ministerposten setzen könnte. Viele potenzielle Kandidaten kennt Biden aus seiner Zeit als Stellvertreter von Präsident Obama (2009–2017) – und in vielen Fällen handelt es sich um Frauen. Als Favoritin im Außenministerium gilt etwa Obamas frühere Nationale Sicherheitsberaterin und einstige UNO-Botschafterin Susan Rice. Biden hatte im Präsidentschaftsrennen zwischenzeitlich erwogen, die 55-jährige Afroamerikanerin zu seiner Vizekandidatin zu machen.

Die ehemalige Sicherheitsberaterin von US-Präsident Barack Obama, Susan Rice
AP/Mark Humphrey
Rice steht vor einem Comeback auf Washingtons Politbühne

Frauen für Ministerien favorisiert

Auch für die Leitung des Verteidigungsministeriums gilt mit der früheren Staatssekretärin Michele Flournoy eine Frau als Favoritin. Die Gründerin der Denkfabrik CNAS war in Obamas erster Amtszeit im Pentagon für den Entwurf verteidigungs- und sicherheitspolitischer Konzepte zuständig. Das Finanzministerium wiederum könnte die derzeit im Führungsgremium der US-Notenbank sitzende Lael Brainard übernehmen. Brainard war unter Obama bereits Staatssekretärin im Finanzministerium und vertrat die USA bei G-7- und G-20-Treffen, ist international also gut vernetzt. Der progressive Demokraten-Flügel könnte aber auf eine weiter links stehende Ministerin pochen. Genannt wird unter anderen die Senatorin und frühere Präsidentschaftskandidatin Elisabeth Warren.

Dem Gesundheitsministerium kommt in der Coronavirus-Pandemie und angesichts von Bidens Wahlversprechen, die Gesundheitsreform „Obamacare“ auszubauen, eine besondere Bedeutung zu. Als potenzielle Kandidaten gelten die demokratische Gouverneurin des Bundesstaates New Mexico, Michelle Lujan Grisham, die Abgeordnete Karen Bass, die Gesundheitsministerin des Bundesstaates North Carolina, Mandy Cohen, und der frühere US-Gesundheitsbehördenleiter Vivek Murthy.