Nerze auf einer Pelztierfarm in Dänemark
Reuters/Jacob Gronholt-Pedersen
Nerze gekeult

Pelzindustrie gerät durch CoV ins Wanken

Die Nachricht von der Tötung von bis zu 17 Millionen Nerzen in Dänemark hat bei Tierschützern ebenso wie bei Nerzfarmern Schockwellen ausgelöst. Die dänische Regierung hält den Schritt wegen der CoV-Übertragung von Tier auf Mensch für nötig. Für die Industrie ist das ein weiterer Schlag, nachdem sich schon viele Modefirmen vom Pelz verabschiedet haben. Die Branche verlagert sich nach Osten.

Die Keulung aller Nerze in Dänemark traf die Pelzfarmer im Land wie ein Blitz. Mehrere Mutationen des Coronavirus waren von Nerzen auf Menschen übergegangen, eine Version des Virus, der Cluster-5-Virustyp, gilt als potenziell gefährlich. Die Regierung ordnete in der Folge die Tötung an, zunächst für alle Nerze im Land. Wegen eines rechtlichen Fehlers durfte aber die Keulung aller Tiere nicht verordnet werden, nur jener in Risikozonen. Doch die Regierung blieb dabei: Die Nerze gelten als Risiko. Die Pelzfarmer wurden nun aufgefordert, mit Blick auf die Volksgesundheit dennoch damit fortzufahren, die Tiere zu töten, auch wenn sie keine Infektion aufweisen. Den Züchtern wurde auch eine Bonuszahlung in Aussicht gestellt, wenn sie ihre Nerze innerhalb weniger Tage keulten.

Die Haltung von Nerzen soll bis Ende 2021 verboten werden. Für Zoos, Zirkusse oder die Privathaltung von maximal fünf Nerzen sollen Ausnahmen gelten. Millionen Tiere wurden bereits getötet, Polizei und Streitkräfte helfen bei Tötung und Entsorgung. Dänemark gilt mit rund 1.000 Farmen als Größe in der Nerzzucht. Die Anordnung ist für den zentralen Handelsverband Kopenhagen Fur ein „Desaster“.

„De facto Liquidierung“

Dänemark ist nicht das erste Land, das im Zuge der Pandemie Massenkeulungen anordnete. In Spanien wurden seit Juli mehr als 90.000 Nerze getötet, weil sich unter den Tieren das Virus ausgebreitet hatte. Auch in den Niederlanden waren Anfang Juli Zehntausende Nerze getötet worden, weil sich Mitarbeiter „sehr wahrscheinlich“ bei den Tieren angesteckt hatten. Die Niederlande kündigten danach auch das vorzeitige Ende der Nerzzucht bis 1. März 2021 an, das regulär für 2024 geplant war. Die Betreiber werden mit insgesamt 180 Millionen Euro entschädigt. CoV-Fälle auf Nerzfarmen wurden auch in Italien, Schweden und den USA entdeckt.

Zwangsgeschlachtete Nerze werden auf einem Militärgelände in Dänemark entsorgt
AP/Ritzau Scanpix/Morten Stricker
Anordnung aus Kopenhagen: Geschlachtete Nerze werden auf einem Militärgelände entsorgt

„Es ist de facto eine dauerhafte Stilllegung und eine Liquidierung der Pelzindustrie“, so Tage Pedersen, der Präsident des weltgrößten Auktionshauses für Pelze, Kopenhagen Fur, zur BBC. Das seit 1930 bestehende Haus wird nun schließen, rund 300 Jobs sind direkt betroffen. Die Schließung soll in den kommenden zwei bis drei Jahren kontrolliert erfolgen.

Derzeit gibt es in Europa noch rund 4.350 Pelzfarmen. Sie verkaufen die Felle nicht nur an die Bekleidungsindustrie, sondern auch an Kosmetikfirmen, etwa für falsche Wimpern. In vielen Ländern ist die Pelzzucht aber längst verboten, in Österreich etwa seit 2005. Andere Staaten vollziehen gerade einen Ausstieg oder planen ihn.

„Faux Fur“ vorgezogen

Hand in Hand geht – zumindest in Europa – der Imagewechsel, den Pelzprodukte vollzogen haben. Vor wenigen Jahrzehnten als Symbole des Wohlstands gern präsentiert, werden sie heute kaum mehr als solche bewundert. Stars, Role Models und Influencer wie Kim Kardashian gaben breitenwirksam Pelz auf. Queen Elizabeth II. verfügte 2019, sie werde keine neuen Kleidungsstücke mit Echtpelz mehr in Auftrag geben, so der „Guardian“. Sogar Pelzliebhaberin Anna Wintour, Chefin der US-„Vogue“ trug kürzlich „Faux Fur“ und löste damit ein Rauschen im Blätterwald der Modemagazine aus.

In den vergangenen Jahren verabschiedeten sich immer mehr Designer von echtem Fell, darunter die großen Namen der Mode wie Gucci, Chanel und Prada. Der Branchenriese der Luxusgüter, LVMH stellt seinen einzelnen Unternehmen frei, Pelz zu verarbeiten, gab aber als langfristiges Ziel aus, darauf gänzlich zu verzichten, meldete die Wirtschaftsseite Bloomberg.

Dem Trend gehen freilich jahrzehntelange Anstrengungen von Tierschützern voraus. Auch in Dänemark sehen entsprechende Organisationen nun den Zeitpunkt gekommen, den Industriezweig gänzlich stillzulegen. „Es ist höchst inakzeptabel, Tiere so zu behandeln, wie Nerze in dieser Industrie behandelt werden“, so die NGO Animal Protection Denmark zur BBC. Auch auf politischer Ebene wird der Ruf nach einem generellen Verbot lauter.

Der Markt wächst anderswo

Wie viel der Pelzmarkt heute noch wert ist, ist schwer festzustellen. Es gibt Schätzungen der Verbände, aber kaum Studien. Eine Aufstellung der Universität Kopenhagen bezifferte den Wert der weltweiten Gesamtproduktion von Rohfellhaut im Jahr 2015 auf 4,1 Milliarden US-Dollar (ca. 3,5 Mrd. Euro). Der gesamte Markt wurde auf rund 40 Milliarden US-Dollar geschätzt. Im Jahr davor gab es einen Verkaufsboom, seither gingen die Zahlen wieder zurück. Laut der europäischen Dachorganisation Fur Europe wurden 2014 noch rund 87 Millionen Nerze weltweit gezüchtet, inzwischen seien es rund 45 Millionen.

Ein Kunstpelz tragendes Model bei der London Fashion Week im Februar 2020
APA/AFP/Daniel Leal-Olivas
„Faux“ auch auf dem Laufsteg: Viele Designer verwenden inzwischen Imitate

In vielen Teilen der Welt aber wächst der Markt, während er in Europa schrumpft. In Russland, Hongkong und vor allem China ist Echtfell ein begehrtes Gut, die Länder sind der Hoffnungsmarkt für die Industrie. Schon heute bestimmt China bis zu 80 Prozent des gesamten Marktes, auch die Produktion wächst hier stetig. China ist etwa der größte Produzent von Fellprodukten aus Marderhundepelz.

Schätzungen gehen davon aus, dass kommendes Jahr die Pelzindustrie in China mehr als sieben Milliarden Euro umsetzen wird. Der Markt wächst hier auch deshalb, weil er wenig kontrolliert wird und kaum Tierschutzvorgaben gelten. Tierschützer berichten von chinesischen Qualzuchten und Häutung bei lebendigem Leib. Auch Hunde und Katzen werden verwendet.

Strategie der Branche

In Europa versucht die Branche derweil, sich im Luxussegment zu behaupten. Seit Jahren wird Pelz als nachhaltig beworben, als Gegenmodell zur „Fast Fashion“. Ein Fellprodukt werde nicht, im Gegensatz zur schnellen Billigmode, nach einer Saison wieder weggeworfen, so Fur Europe. Felle seien natürlich und Teil einer Kreislaufwirtschaft. Die Nachfrage sei nach wie vor stark. Die Pandemie und das Keulen vieler Tiere habe auch bereits die Preise in die Höhe schnellen lassen.