Verteidigungsministerin Klaudia Tanner
APA/Herbert Neubauer
Aus für Eurofighter-Verfahren

„Vieles wird im Dunkeln bleiben“

Mit Unverständnis hat Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) auf die Entscheidung des Wiener Oberlandesgerichts (OLG) reagiert, die Eurofighter-Verfahren einzustellen. Tanner schrieb in einer Aussendung, dass sie die Entscheidung des Gerichts nicht nachvollziehen könne: „In einem Rechtsstaat ist dies jedoch zu akzeptieren.“ Klar sei, dass dadurch vieles im Dunkeln bleiben werde und mögliche Straftaten nicht aufgeklärt würden.

Die Ressortchefin beauftragte nun die Finanzprokuratur, „alle etwaigen verbleibenden rechtlichen Mittel“ zu analysieren. Wie es mit der Luftraumüberwachung weitergeht, ist ebenfalls offen. Denn die Saab-105-Trainingsjets werden 2021 ausgemustert. Eine Nachfolge für diese ist bisher nicht vorgesehen, da Tanner auf das Ende des Rechtsstreits mit Airbus warten wollte. Stand jetzt würden ab kommendem Jahr nur noch die 15 Eurofighter für die Luftraumüberwachung per Jet verfügbar sein.

Die Grünen wollen prüfen, ob man die Eurofighter verkaufen kann. Konkret empfiehlt Wehrsprecher David Stögmüller in einer Aussendung zu schauen, ob eine Veräußerung realistisch sei. Es sei wichtig, rasch eine breite Diskussion zu führen, um einen transparenten Prozess über die zukünftige Lauftraumüberwachung zu gewährleisten. Die Einstellung des Verfahrens nannte er unbefriedigend.

Bild zeigt einen Eurofighter des österreichischen Bundesheeres.
ORF.at/Roland Winkler
Ein Eurofighter auf der Landebahn

„Steuerzahler geht leer aus“

Der ehemalige Verteidigungsminister und jetzige burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) zeigte sich am Donnerstag „nicht überrascht“ über die Einstellung. Ebenso wenig überrasche ihn, „dass diese Entscheidung mitten in einer Pandemie, in den Nachwehen eines großen Terroranschlags, gleichsam durch die Hintertür erfolgt“, sagte er auf APA-Anfrage. Der Schritt sei jedenfalls bedauerlich.

Nach der erstinstanzlichen Zurückweisung der Anzeige sei die Einstellung vorherzusehen gewesen. Seine Entscheidung, im Jahr 2017 als Verteidigungsminister auf Grundlage intensiver Recherchen einer unabhängigen Taskforce eine Sachverhaltsdarstellung einzubringen, sei durch die Entwicklungen in den USA und in Deutschland inhaltlich bestätigt worden, so Doskozil. Die deutsche Justiz und Finanz erlegten Airbus in der Causa Eurofighter im Jahr 2019 eine Bußgeldzahlung von fast 100 Millionen Euro auf und verurteilten inzwischen frühere Airbus-Manager wegen Untreue. In den USA habe sich Airbus von einer weiteren Verfolgung freigekauft. „Es ist bedauerlich, dass nun gerade in Österreich der Steuerzahler leer ausgehen muss“, so Doskozil.

Eurofighter-Verfahren eingestellt

Das Oberlandesgericht Wien hat Beschwerden gegen die Einstellung des Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachts des Betrugs bei der Beschaffung der Eurofighter im Jahr 2003 und beim Vergleich im Jahr 2007 durch das Landesgericht für Strafsachen zurückgewiesen.

NEOS nahm derweil die ÖVP in die Pflicht. "Es wird Zeit, dass die Volkspartei endlich ihre politische Verantwortung für den größten österreichischen Korruptionsskandal übernimmt“, so NEOS-Verteidigungssprecher Douglas Hoyos, „schließlich hat sie, gemeinsam mit den Freiheitlichen, den Eurofighter-Kauf eingefädelt und den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern dieses Milliardengrab eingebrockt“, hieß es am Donnerstag weiter in einer Aussendung.

Die FPÖ wiederum forderte eine Entscheidung zu Österreichs Luftraumüberwachung. „Der unverzeihliche Entschluss der ÖVP, die Saab 105 nicht nachzubeschaffen, wird durch diese Entscheidung der österreichischen Justiz erneut infrage gestellt“, meinte FPÖ-Wehrsprecher Reinhard Bösch in einer Aussendung: „Ministerin Tanner muss jetzt erklären, wie sie mit einem Fluggerät einer Firma, zu der es vonseiten der Republik keine ausreichende Gesprächsbasis mehr gibt, die Luftraumüberwachung für Österreich sicherstellen kann.“

Oberlandesgericht wies Beschwerde zurück

Das OLG Wien hatte, wie am Mittwochabend bekanntwurde, Beschwerden gegen die Einstellung des Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachts des Betrugs bei der Beschaffung der Eurofighter im Jahr 2003 und beim Vergleich im Jahr 2007 durch das Landesgericht für Strafsachen zurückgewiesen. Die letzten Beschwerden kamen von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) und der Republik. Damit sind alle strafrechtlichen Ermittlungen wegen des Verdachts des Betrugs im Zusammenhang mit der Beschaffung der Eurofighter in Österreich beendet, das teilte Wolfgang Peschorn, Präsident der Finanzprokuratur, am Mittwochabend mit.

Die Einstellung erfolgte mit der Begründung, dass von den österreichischen Anklagebehörden im bisherigen dreieinhalbjährigen Ermittlungsverfahren der begründete Verdacht des Betrugs an der Republik Österreich nicht durch ausreichende eigene Ermittlungsergebnisse so weit dargestellt werden konnte, dass eine Fortsetzung der strafbehördlichen Ermittlungen gerechtfertigt wäre.

Peschorn: Tatsachen, die zu akzeptieren sind

Der Präsident der Finanzprokuratur, der das Verfahren für die Republik geleitet hat, zeigte für die Einstellung der Ermittlungen kein Verständnis. Diese lasse sich „nicht mit den Entscheidungen der deutschen und US-amerikanischen Strafbehörden und dem Bericht des Verfahrensrichters im 2019 beendeten Eurofighter-Untersuchungsausschuss in Einklang bringen“. Aber „Gerichtsentscheidungen schaffen Tatsachen, die zu akzeptieren sind“, so Peschorn.

Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) am 26. Oktober 2020 bei der Angelobung der Rekruten im Rahmen des Nationalfeiertags in Wien
APA/Helmut Fohringer
Verteidigungsministerin Tanner wollte die Eurofighter schnell loswerden

Er habe Tanner über die Entscheidung des Oberlandesgerichtes Wien unterrichtet. Die Finanzprokuratur wurde von der Ministerin beauftragt, gemeinsam mit den Experten des Ressorts die Konsequenzen, die sich aus der Entscheidung des Oberlandesgerichtes Wien ergeben, umfassend zu analysieren. Allerdings lösten sich die Hoffnungen von Tanner und der Regierung, die Eurofighter auf juristischem Weg loszuwerden, endgültig in Luft auf.

Anfang des Jahres hatte sich Tanner noch überzeugt von einem juristischen Sieg gezeigt und getönt, dass Airbus sie „noch kennenlernen“ werde. Anlass für Tanners Drohung waren die Vorgänge in den USA, wo Airbus gegenüber den Behörden unlauteres Verhalten bei der Eurofighter-Anschaffung in Österreich gestanden hatte.

Lange Vorgeschichte

Noch im September hatte Peschorn die Hoffnung auf Entschädigung oder gar Rückabwicklung des Eurofighter-Kaufvertrags nicht aufgegeben. Doch die Entscheidung des Oberlandesgerichts fiel erstens früher als gedacht – Peschorn rechnete mit Mitte 2021 – und zweitens anders als gehofft. Die Vorgeschichte der Beschwerden begann im April 2020. Das Straflandesgericht Wien hatte eine Einstellung des Verfahrens zur von Doskozil im Jahr 2017 eingebrachten Betrugsanzeige gegen Airbus verfügt.

Innenminister Wolfgang Peschorn
APA/Helmut Fohringer
Peschorn leitete als Anwalt der Republik das Verfahren

Mit der Anzeige Doskozils wurde der Vorwurf erhoben, dass die Republik Österreich im Jahr 2003 beim Kauf der Jets und im Jahr 2007 bei Abschluss des Vergleichs in betrügerischer Absicht getäuscht und geschädigt worden war. Die Republik Österreich schloss sich dem Strafverfahren als Privatbeteiligte an und verlangte zumindest in Höhe von 183,4 Mio. Euro Schadenersatz. Grundlage für die Sachverhaltsdarstellung waren Ermittlungen der Ende 2012 eingerichteten „Task Force Eurofighter“ im Verteidigungsministerium.

2007 verkündete der damalige Verteidigungsminister Norbert Darabos (SPÖ) einen Vergleich mit Eurofighter. Damit wurde die Zahl der Flugzeuge von 18 auf 15 reduziert, allerdings auch die Ausstattung abgespeckt (ältere Tranche 1). Darabos sprach von Einsparungen in der Höhe von 370 Mio. Euro, der Rechnungshof bestätigte später nur 267 Mio. Euro. Für dieses Vorgehen wurde der SPÖ-Politiker kritisiert. Es folgten Ermittlungen der WKStA, die im Juni 2020 eingestellt wurden.