Vater macht Kindern Frühstück
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Sonderbetreuungszeit

Anspruch mit Einschränkungen

Sollten Schulen, Kindergärten und Co. coronavirusbedingt teilweise oder vollständig schließen, so dürfen Erziehungsberechtigte Sonderbetreuungszeit in Anspruch nehmen – nun sogar mit Rechtsanspruch auf bis zu vier Wochen, rückwirkend mit 1. November. Das gilt auch für systemrelevante Arbeitskräfte, jedoch hat „ein Arbeitnehmer alles Zumutbare zu unternehmen, damit die vereinbarte Arbeitsleistung zustande kommt“, hieß es am Freitag aus dem Arbeitsministerium, das auf Abänderungsanträge verwies.

Im Initiativantrag ist nichts davon zu lesen, dass für systemrelevante Arbeitskräfte etwas anderes gilt als für alle anderen Beschäftigten. Dem sei auch nicht so, betonte das Arbeitsministerium gegenüber ORF.at. „Der Rechtsanspruch gilt für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gleichermaßen“, sagte ein Sprecher.

Jedoch sagte er: „Gleichzeitig wurde gestern (am Mittwoch, Anm.) per Abänderungsantrag im Sozialausschuss klargestellt, dass der Arbeitnehmer den Arbeitgeber unverzüglich nach Bekanntwerden der Schließung zu verständigen und alles Zumutbare zu unternehmen hat, damit die vereinbarte Arbeitsleistung zustande kommt.“ Daneben werde vonseiten der Bundesregierung „alles Mögliche unternommen, die Kinderbetreuung auch in Zeiten der Pandemie, insbesondere für die kritische Infrastruktur, so weit als möglich sicherzustellen“, so der Sprecher in dem Statement.

„Die meisten Menschen haben Angst um ihre Jobs“

Dabei muss ein Kind nicht krank sein, damit ein Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin zu Hause bleiben darf, ohne auf das Entgelt verzichten zu müssen: Schließt eine Bildungs- bzw. Betreuungseinrichtung und ist es einem bzw. einer Erziehungsberechtigten nicht möglich, eine verantwortungsvolle Betreuungsmöglichkeit zu organisieren, darf er oder sie per Gesetz Sonderbetreuungszeit in Anspruch nehmen – vorausgesetzt, das Kind hat das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet.

Mutter im Home Office mit Kleinkind
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Homeoffice und Kinderbetreuung – für die meisten Eltern in Österreich ein Ding der Unmöglichkeit

Das bedeutet gleichwohl, niemanden zu gefährden – also gerade in Zeiten der Pandemie etwa die Großeltern als Risikogruppe zu schützen und sie nicht als Betreuungsmöglichkeit zu nutzen. Als Beispiele für geeignete Personen nannte das Arbeitsministerium gegenüber ORF.at „bestenfalls Personen, die den Kindern schon vertraut sind, wie Tanten/Onkel der Kinder, andere Verwandte oder auch bereits ältere verlässliche Geschwister“.

Arbeitsrechtler Martin Gruber-Risak von der Universität Wien bezeichnet die Situation dennoch als „Scheinproblem“ und verwies auf die Realität vieler Beschäftigter: „Ich denke nicht, dass viele, die von ihrem Arbeitgeber dringend gebraucht werden, zu Hause bleiben werden, also die Sonderbetreuungszeit in Anspruch nehmen werden. Die meisten Menschen haben Angst um ihre Jobs“, sagte Gruber-Risak gegenüber ORF.at.

Gilt nicht für Ferien

Ein Punkt, der im Text unklar erscheint, ist, ob Eltern auch dann Sonderbetreuungszeit in Anspruch nehmen können, wenn Schulen, Kindergärten und Co. etwa über die Weihnachts- und Semesterferien geschlossen haben – Coronavirus hin oder her. Schließlich sahen sich viele Beschäftigte während der ersten Coronavirus-Welle gezwungen, ihren Urlaub aufzubrauchen, um ihre Kinder betreuen zu können. Das Arbeitsministerium stellte allerdings in einer E-Mail an ORF.at klar, dass es sich hierbei in der Novelle um ein „Redaktionsversehen“ gehandelt habe.

„Dass die Sonderbetreuungszeit auch für Ferien gelten soll, ist nicht Teil der Vereinbarung zwischen den Sozialpartnern. Dabei handelt es sich um ein Redaktionsversehen, das per Abänderungsantrag im Sozialausschuss gestern (am Mittwoch, Anm.) korrigiert wurde.“ Vielmehr dürfe die Sonderbetreuungszeit nur für jene Fälle gelten, in denen die Schule ganz oder teilweise geschlossen werde – ausgenommen planmäßige Ferien. Das Arbeitsministerium bestätigte außerdem, dass es keine Grundlage gebe, wonach ein Arbeitgeber fordern dürfe, erst Resturlaub und Überstunden abzubauen, bevor Sonderbetreuungszeit in Anspruch genommen werden darf.

Im Ausschuss mit breiter Mehrheit beschlossen

Der Sozialausschuss des Nationalrats billigte diese Woche mit breiter Mehrheit eine entsprechende Novelle zum Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz. Sie war gemeinsam von ÖVP, SPÖ und Grünen vorgeschlagen worden. Auch zur Betreuung von in Quarantäne befindlichen Kindern wird im Bedarfsfall ein Fernbleiben von der Arbeit bei voller Lohnfortzahlung möglich sein. Die Betriebe erhalten im Gegenzug die gesamten – und nicht nur wie derzeit die Hälfte der – Lohnkosten ersetzt. Darum kann der Arbeitgeber bei der Buchhaltungsagentur des Bundes ansuchen. Gelten soll die neue Regelung laut Gesetzentwurf bis zum Ende des Schuljahrs 2020/21.

Gegen die Novelle stimmte lediglich NEOS. Laut der Partei wurde mit dem Entwurf der Boden für Schulschließungen aufbereitet. Zudem verwies sie auf drohende Probleme für Unternehmen. Sowohl Sozialminister Rudolf Anschober (Grüne) als auch Arbeitsministerin Christine Aschbacher (ÖVP) stellten einen Zusammenhang zwischen der Novelle und geplanten Schulschließungen allerdings vehement in Abrede. Es brauche schon in der jetzigen Konstellation Sicherheit für die Eltern, so Aschbacher. Jedoch wurde im Laufe des Freitags klar, dass die Regierung am Samstag weitere Verschärfungen präsentieren wird. Im Raum steht unter anderem die Ausweitung des Fernunterrichts auf alle Schülerinnen und Schüler.

Beschlossen hat der Sozialausschuss darüber hinaus am Mittwoch die Verlängerung von Coronavirus-Sonderregeln für in Altersteilzeit befindliche Personen und für Selbstständige, die ihre Erwerbsarbeit eingestellt haben. Was die von der Regierung in Aussicht gestellte zweite Einmalzahlung für Arbeitslose betrifft, sind die gesetzlichen Grundlagen noch ausständig – laut Aschbacher ist man gerade dabei, Details zu klären.

Derzeit keine längeren Kündigungsfristen für Arbeiter

Die bereits 2017 mit längeren Übergangsfristen beschlossene Angleichung der Kündigungsfristen für Arbeiterinnen und Arbeiter an jene der Angestellten wird hingegen um ein halbes Jahr auf 1. Juli 2021 verschoben. Auch das ist Teil der Novelle. Kritik dazu kam von unterschiedlichen Seiten. Als „Wermutstropfen“ sah das etwa FPÖ-Abgeordnete Dagmar Belakowitsch. „Das tut ein bisschen weh“, so die FPÖ-Abgeordnete.

Aber auch Arbeitsrechtler Gruber-Risak kritisierte das als „schlechten Deal“. „Für die Arbeiter tut mir das schon ziemlich weh“, so der Jurist. Die ÖVP habe eine Angleichung der Kündigungsfrist auf sechs Wochen für Arbeiterinnen und Arbeiter nie gewollt, das sei jetzt eine willkommene Gelegenheit für ein Verschieben gewesen. Er führte weiter aus: „Dass in Hinblick auf die Covid-19-Krise Arbeiter, zum Beispiel am Bau, weiterhin zum Ende der Arbeitswoche gekündigt werden können, zeigt, dass die ÖVP ihre Ziele für die Arbeitgeber nie aus den Augen verliert“, meinte Gruber-Risak. „Wenn das im Gesetzespaket so drinsteht, muss es wohl ein Deal sein.“ Dabei kämen die Arbeitgeber so oder so nicht zu kurz, da den Unternehmen ja nun die vollen Lohnkosten ersetzt würden – und nicht nur die Hälfte.