Polizist an einem der Tatorte des Anschlags
AP/Ronald Zak
Kommission zu Anschlag

Vier Wochen Zeit für erstes Ergebnis

Am Donnerstag hat die Regierung formal per Umlaufbeschluss die Untersuchungskommission zum Terroranschlag in Wien eingesetzt. An der Spitze des fünfköpfigen Gremiums steht die Strafrechtsprofessorin Ingeborg Zerbes. Binnen vier Wochen soll die Kommission einen ersten Bericht zu möglichen Fehlern im Vorfeld des Anschlags vorlegen.

Neben Zerbes gehören der Kommission der frühere Generalprokurator Werner Pleischl und der ehemalige Generaldirektor für die Öffentliche Sicherheit, Herbert Anderl, an. Mit an Bord ist außerdem Franz Merli, der wie Zerbes am Wiener Juridicum lehrt – allerdings am Institut für Staats- und Verwaltungsrecht. Auch ein internationaler Experte soll helfen, die Vorgänge und mögliche Versäumnisse vor dem Anschlag zu beleuchten. Es handelt sich dabei um den ehemaligen Münchener Polizeipräsidenten Hubertus Andrä.

Das Gremium soll nun untersuchen, wie Sicherheitsbehörden, Justiz und Nachrichtendienste im Vorfeld des Anschlags handelten – sowohl im In- als auch im Ausland. Auch das Wirken der Bewährungshilfe sowie des zur Deradikalisierung des späteren Attentäters beauftragten Vereins soll erörtert werden. Vier Wochen ab Aufnahme ihrer Tätigkeit soll die fünfköpfige Kommission einen ersten Bericht samt einer chronologischen Darstellung der Ereignisse Justiz- und Innenminister vorlegen.

Der spätere Täter hatte versucht, in der Slowakei Munition zu kaufen, was Wien auch von den Behörden des Nachbarlands mitgeteilt worden war. Auch hatte er Kontakt zu Personen, die im Auftrag des deutschen Verfassungsschutzes vom Wiener Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung überwacht wurden. In beiden Fällen wurden keine Konsequenzen gezogen, auch die Justiz blieb uninformiert.

Vorschusslorbeeren aus Regierung

In einer Aussendung hieß es von Innenminister Karl Nehammer (ÖVP), dass die Kommission alle Vorgänge in Bezug auf das Attentat genauestens prüfen und transparent aufklären werde. Es sei keine politische, sondern eine rein fachliche Kommission mit renommierten Experten. Justizministerin Alma Zadic (Grüne) ergänzte, die Terrortat von Wien werde jetzt detailliert untersucht und aufgearbeitet: „Nur so können wir die richtigen Schlussfolgerungen ziehen.“ Die Mitglieder der Kommission nannte sie exzellent.

Strafrechtsprofessorin Ingeborg Zerbes
APA/Privat
Zerbes ist stellvertretende Leiterin des Instituts für Strafrecht am Wiener Juridicum.

Zerbes selbst betonte, dass es in der Kommission allein „um eine vorbehaltlose, von politischen Einstellungen unabhängige und möglichst genaue Aufklärung“ gehe. Die Gruppe sei so zusammengesetzt, dass jedes einzelne Mitglied diese Unabhängigkeit garantieren könne. Die Kommissionsvorsitzende ist nach längerer Tätigkeit im Ausland, zuletzt an der Uni Bremen, erst im Vorjahr ans Wiener Juridicum zurückgekehrt, wo sie seither eine Professorenstelle am Institut für Strafrecht einnimmt. In Wien hat sie sich auch habilitiert.

Opposition sieht fehlende Unabhängigkeit

Kritik an der Kommission kam umgehend von der Opposition. Die SPÖ stört, dass die Kommission allein von der Regierung eingesetzt worden war. „Das Parlament ist wie befürchtet nicht einmal ansatzweise eingebunden: Kein einziger Experte, keine einzige Expertin konnte von der Opposition nominiert werden", so SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried in einer Aussendung. Er störte sich auch daran, dass die Kommission bereits in vier Wochen erste Ergebnisse vorlegen solle. „Der Persilschein für Minister Nehammer soll – geht es nach der Regierung – offenbar im Eilverfahren ausgestellt werden“, so der stellvertretende Klubchef.

Auch NEOS sprach dem Gremium die Fähigkeit zur unabhängigen Aufklärung ab. Eine „Kommission, die von der Regierung eingesetzt wird, als Mitglieder zum Teil ehemalige höchstrangige Beamte mit klarer Parteizugehörigkeit hat und nur den zu untersuchenden Ministerien Bericht erstatten soll, kann nicht unabhängig sein“, äußerte sich NEOS-Verteidigungssprecher Douglas Hoyos per Aussendung. Seine Parteikollegin Stefanie Krisper forderte, dass die Kommission ihre Berichte direkt dem Parlament vorlege. "Außerdem erwarten wir uns regelmäßige Zwischenberichte im sogenannten Geheimdienstausschusses“, so Krisper.

FPÖ-Sicherheitssprecher Hannes Amesbauer übte Kritik an der personellen Zusammensetzung. Insbesondere die Bestellung Anderls sei ein deutliches Zeichen dafür, dass Nehammer weiter auf Vertuschung setze. „Anderl ist ein Mann des später wegen Korruption verurteilten Ex-Innenministers (Ernst, Anm.) Strasser und war tief in dessen schwarzes Umfärbenetzwerk verstrickt. Nehammer macht den Bock zum Gärtner“, kritisierte Amesbauer.

Schlagabtausch zwischen ÖVP und FPÖ

Bereits in den Tagen zuvor war die Opposition mit der Regierung und vor allem Innenminister Nehammer hart ins Gericht gegangen. In den vergangenen Tagen hatten sowohl die SPÖ als auch die FPÖ den Rücktritt Nehammers gefordert. Vor allem zwischen ÖVP und FPÖ hatte sich ein geharnischter Schlagabtausch entwickelt.

Die Kanzlerpartei warf dem ehemaligen Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) vor, in seiner Amstzeit das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) schwer beschädigt zu haben, und unterstellte Kickl damit zumindest ein Mitschuld an möglichen Ermittlungs- und Kommunikationsfehlern im Vorfeld des Anschlags. Die FPÖ und namentlich Kickl warfen wiederum Nehammer eine „Vertuschungskampagne“ vor. Noch am Donnerstag nahm Kickl auf Facebook Bundespräsident Alexander Van der Bellen in die Pflicht, Nehammer zum Rücktritt aufzufordern.