Amnesty: Viele Tote bei Massaker in Äthiopien

Im Konflikt in der äthiopischen Region Tigray sollen nach Angaben von Amnesty International zahlreiche Zivilisten und Zivilistinnen beim Überfall auf eine Stadt getötet worden sein. Die Menschenrechtsorganisation teilte gestern unter Berufung auf von ihr geprüfte Augenzeugenberichte, Fotos und Videos mit, dass „Dutzende“ und „wahrscheinlich Hunderte“ Menschen in der Stadt Mai-Kadra im Südwesten von Tigray einem „Massaker“ zum Opfer gefallen seien.

Die Leichen trügen klaffende Wunden, die offenbar von scharfen Waffen wie Messern und Macheten stammten, erklärte Amnesty. Wer für den Angriff verantwortlich war, konnte die Organisation nach eigenen Angaben noch nicht herausfinden.

Laut Augenzeugen soll der Überfall von Verbänden verübt worden sein, die mit der Regierungspartei in Tigray, der Volksbefreiungsfront TPLF, verbündet sind. In dem Konflikt um die Region im Norden des Landes bekämpfen einander die TPLF und die Armee der äthiopischen Zentralregierung in Addis Abeba. Die TPLF äußerte sich nicht zu dem Angriff auf Mai-Kadra.

Expertin warnt vor regionaler Ausweitung des Konflikts

Die EU-Kommission warnte vor einer humanitären Katastrophe in Äthiopien. Die Äthiopien-Expertin der Stiftung Wissenschaft und Politik, Annette Weber, sagte, dass das Risiko bestehe, das sich der Konflikt regional ausweite. Das würde zu großen Migrationsschüben auch nach Europa führen.

Die Vereinten Nationen appellierten unterdessen an die Regierung in Addis Abeba, einen „sofortigen und ungehinderten“ Zugang für humanitäre Hilfe in Tigray zu ermöglichen. Nach UNO-Schätzung sind mehr als zwei Millionen Menschen in Tigray auf humanitäre Hilfe angewiesen. Zudem sind bereits mehr als 11.000 Menschen in den benachbarten Sudan geflüchtet, seit der äthiopische Regierungschef Abiy Ahmed am Mittwoch vergangener Woche den Militäreinsatz gegen die TPLF gestartet hatte.

Neuer Regierungschef in Tigray ernannt

Das äthiopische Parlament ernannte heute einen neuen Regierungschef in der abtrünnigen Region Tigray. Die Entscheidung kam einen Tag nachdem das Parlament den bisherigen Präsidenten von Tigray, Debretsion Gebremichael, abgesetzt hatte. Gebremichael war im September gewählt worden und ist Chef der Tigray Volksbefreiungsfront TPLF. Die Zentralregierung in Addis Abeba hatte die Wahl allerdings nicht anerkannt, was nun zu einem militärischen Konflikt geführt hat.