Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne)
Reuters/Lisi Niesner
Ab Dienstag in Kraft

Regierung verhängt harten Lockdown

Aufgrund explodierender Infektionszahlen verschärft die Regierung die CoV-Maßnahmen drastisch – ab Dienstag 0.00 Uhr gilt ein harter Lockdown. Das hat die Regierungsspitze am Samstag in einer Pressekonferenz bekanntgegeben. Zentral bedeutet das: die Ausgangsbeschränkungen werden rund um die Uhr gelten. Handel und persönliche Dienstleister müssen schließen, so Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) – ausgenommen seien etwa Lebensmittelhandel und Apotheken. Die Schulen werden auf Fernunterricht umgestellt.

Die Verordnung gilt ab Dienstag (in der Nacht von Montag auf Dienstag) bis Sonntag, 6. Dezember, 23.59 Uhr. Weil die Zahlen mit dem bereits seit zwei Wochen geltenden Lockdown light nicht sinken, sondern weiter steigen, mache das eine Verschärfung notwendig, so Kurz. Die Behörden könnten 77 Prozent der Neuansteckungen nicht mehr nachvollziehen, in manchen Bundesländern wie Kärnten, Vorarlberg und Oberösterreich gebe es sogar weiter ein exponentielles Wachstum.

Darum sei der zweite Lockdown „das verlässliche Mittel, dass es funktioniert“, so Kurz. Die sozialen Kontakte werden nun klar geregelt, so Kurz: Abseits der eigenen Haushaltszugehörigen darf man für die Zeit des harten Lockdowns künftig nur noch den Lebenspartner, „einzelne engste“ Angehörige bzw. „einzelne wichtige Bezugspersonen“ treffen.

„Treffen Sie niemanden!“

„Meine eindringliche Bitte für die nächsten Wochen ist: Treffen Sie niemanden! Jeder soziale Kontakt ist einer zu viel“, so Kurz. Er appellierte insbesondere an jene, die alleine leben, sich möglichst nur eine Person auszuwählen, die sie treffen. „Ich weiß, dass diese Maßnahmen extrem einschneidend sind. Wir wollen aber, dass er (der Lockdown, Anm.) wirkt“, sagte der Kanzler. Das Verlassen des privaten Wohnraums ist nur aus triftigen Gründen erlaubt – es sind die bereits bekannten Ausnahmen:

  • Ausübung von beruflichen Zwecken und Ausbildungen
  • Versorgung mit Grundgütern des täglichen Lebens (Einkäufe) und die Inanspruchnahme von Gesundheitsdienstleistungen
  • Betreuung bzw. Hilfeleistung für unterstützungsbedürftige Personen sowie die Ausübung familiärer Rechte und Erfüllung familiärer Pflichten
  • Körperliche und psychische Erholung
  • Unaufschiebbare Behörden- oder Gerichtsgänge
  • Abwendung von unmittelbaren Gefahren für Leib, Leben und Eigentum

Statement von Kanzler Kurz

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), Vizekanzler Werner Kogler (Grüne), Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) und Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) über notwendige Maßnahmen, um die Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern.

Schulen werden auf Fernunterricht umgestellt

Auch Schulen werden bis inklusive 6. Dezember auf Fernunterricht umstellen, und es wird eine Betreuung (und keinen Unterricht) in den Schulen geben. Auch in Kindergärten wird es weiterhin eine Betreuungsmöglichkeit geben, für alle, die eine Betreuung brauchen, sagten Kurz und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) unisono.

„Kindergärten und Schulen bleiben für die, die sie brauchen, offen“, so Kogler. Viele würden das in Anspruch nehmen müssen, das sei auch notwendig für viele, die lebensnotwendige Arbeit verrichten würden.

Kogler sagte, dass aber nicht nur jene, die in systemrelevanten Berufen arbeiten, ihre Kinder zur Betreuung schicken können, sondern auch jene, die im Home Office überfordert sind: „Da kann es in Ausnahmefällen schon auch dazu kommen, dass das auch genutzt werden muss.“ Die Kinder würden jedenfalls „nicht nur weiter gut betreut, sondern auch dort beim Lernen dann unterstützt“.

Statement von Vizekanzler Kogler

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), Vizekanzler Werner Kogler (Grüne), Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) und Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) über notwendige Maßnahmen, um die Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern.

Kurz versicherte, dass Handel und Schulen als Erste wieder öffnen würden. Niemand wolle Schulschließungen, aber nun sei diese Maßnahme schlichtweg notwendig, um die Pandemie einzudämmen. Es stimme nicht, dass die Schulen eine geringe Rolle in der Pandemie spielten.

Handel bekommt 20 bis 60 Prozent Umsatzverlust ersetzt

Schließen müssen alle persönlichen Dienstleister. Das betrifft etwa Friseure, Kosmetikerinnen und Masseure. Überall, wo es möglich ist, soll auf Homeoffice umgestellt werden, sagte Kurz. Weiter offen hat neben dem gesamten Lebensmittelhandel, Post, Trafiken und Apotheken der Agrar- und Tierfutterhandel, Tankstellen, Handyshops, Abfallentsorger, Putzereien und Fahrrad- bzw. Kfz-Werkstätten. Die Öffnungszeiten bleiben auf 6.00 bis 19.00 Uhr limitiert.

Pressekonfernz von Innenminister Karl Nehammer (ÖVP), Vizekanzler Werner Kogler (Grüne), Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne)
APA/Herbert Neubauer
Die Regierungsspitze aus ÖVP und Grünen bei der Pressekonferenz

Jene Geschäfte, die schließen müssen, werden einen Teil des Umsatzverlusts durch den Lockdown ersetzt bekommen, so Kogler. Allerdings werden nicht so viele Ausfälle wie in der Gastronomie kompensiert, wo man zuletzt 80 Prozent festgelegt hatte. Im Handel werden es je nach Branche zwischen 20 und 60 Prozent sein.

Anschober: Zweite Welle „gewaltiger und dynamischer“

Die befürchtete zweite Welle im Herbst sei eskaliert, so Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne). „Die zweite Welle ist gewaltiger und dynamischer als die erste Welle im Frühling.“ Die Lage im Land sei dramatisch, die Zahl der Neuinfektionen steige seit zirka 23. Oktober „fast explosionsartig“. Darum müsse man nun die Notbremse ziehen. „Wenn wir jetzt nicht handeln, werde es zu Situationen der Triage in den Spitälern kommen“, so Anschober.

Statement von Gesundheitsminister Anschober

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), Vizekanzler Werner Kogler (Grüne), Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) und Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) über notwendige Maßnahmen, um die Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern.

Ein halbwegs reguläres Weihnachten sei möglich, wenn der Lockdown in den nächsten Wochen greife und die Zahlen wieder zurückgehen. Anschober sagte, er spüre wieder Anzeichen eines Gemeinschaftsgefühls und die Stimmung einer Solidarität wie im Frühling. „Wir alle entscheiden“, wie es mit der Pandemie in Österreich weitergeht, so der Gesundheitsminister.

Nehammer: „Es zipft jeden an“

Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) dankte den Polizistinnen und Polizisten dafür, die Verordnungen durchzusetzen und Kontrollen durchzuführen. Auch jetzt seien sie wieder im Einsatz, um eine Senkung der Infektionszahlen herbeizuführen. Es brauche wieder den gemeinsamen Schulterschluss von März und April. Es gehe darum, weniger Kontakte zu haben. Eines sei klar, „es zipft jeden an“, zugleich sei es aber nötig. Es gelte darum, gemeinsam in die Normalität zurückzufinden.

Statement von Innenminister Nehammer

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), Vizekanzler Werner Kogler (Grüne), Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) und Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) über notwendige Maßnahmen, um die Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern.

Nicht überall werde die Polizei bis ins kleinste Detail kontrollieren können, sagte Kurz. „Daher mein Appell, je stärker wir zusammenhalten, desto kürzer wird der Lockdown anhalten.“ Es sei aber nicht vorauszusehen, wie viele Menschen mitmachen. Andere Länder mussten monatelang in einem Lockdown verharren, weil die Menschen undiszipliniert waren. Daher der Appell von Kurz: „Machen Sie mit!“ Je weiter die Zahlen fallen, desto leichter werde es fallen, wieder Öffnungsschritte zu setzen.

Kogler: Sind uns bewusst, „dass das eine Zumutung ist“

Verständnis für Ärger und Unmut in der Bevölkerung zeigte auch Kogler: „Unser Leben wird für die kommenden zweieinhalb Wochen zum zweiten Mal im Jahr wieder drastisch eingeschränkt.“ Der Bundesregierung sei bewusst, „dass das eine Zumutung ist“. Aber es gehe um das Leben der Nachbarin, des Onkels, der Oma „und vielleicht um Ihr eigenes Leben“. „Bleiben Sie bitte so gut es geht zu Hause. Bis auf die Ausnahmegründe, gerade was Bewegung betrifft“, so der Sportminister.

Die Enge eines Lockdowns könne auch zu Überforderung und Spannung innerhalb von Familien führen, so Kogler. Er appellierte, Angebote zu nutzen, um Konflikte zu verhindern. Dennoch sei das Einhalten der Maßnahmen wichtig: „Bleiben Sie bitte so gut es geht zu Hause, reduzieren Sie Ihre physischen Kontakte.“ Für die nächsten zwei bis drei Wochen solle auf Treffen verzichtet werden, so Kogler.

Ordinationen uneingeschränkt geöffnet

Die Ordinationen bleiben uneingeschränkt geöffnet. Das betonte die Ärztekammer und wies zugleich auf die „unbedingte“ Notwendigkeit von Terminvereinbarungen hin. Begleitpersonen sollten nur nach Rücksprache in die Ordination mitkommen. Ein gut organisiertes Terminmanagement – auch auf elektronischem Weg – garantiere, dass sich möglichst wenige Patientinnen und Patienten gleichzeitig in den Warteräumen der Ordinationen befänden – mehr dazu in wien.ORF.at.

Kirche zieht beim Lockdown mit

Die katholische Kirche setzt während des neuen Lockdowns die öffentlichen Gottesdienste befristet aus. Das kündigte der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Salzburgs Erzbischof Franz Lackner, an. Die näheren Details sollen nach Gesprächen mit den anderen Kirchen und Religionsgesellschaften festgelegt werden, die am Montag stattfinden sollen – mehr dazu in religion.ORF.at.

Hauptausschuss muss neuen Lockdown noch absegnen

Der Hauptausschuss des Nationalrats wird am Sonntag um 18.00 Uhr zusammentreten, um den neuen Lockdown abzusegnen. Es reichen dafür die Stimmen der Regierungsfraktionen ÖVP und Grüne. Die Ausgangsregeln und die Bestimmungen für den Veranstaltungsbereich müssen im Hauptausschuss nach zehn Tagen wieder bestätigt werden, daher sollen sie vorerst nur bis 26. November gelten.