Gesundheitsminister Rudolf Anschober
ORF
Gesundheit versus Grundrechte

Anschober verteidigt harten Lockdown

Am späten Samstagabend hat Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) den zweiten harten Lockdown verteidigt. Dieser sei zwar ein enormer Eingriff ins Grundrecht der Bevölkerung, doch „wir wissen, dass es in vielen Spitälern schon sehr knapp ist und wir uns keine Zeitverzögerung mehr leisten können“, so der Gesundheitsminister in der ZIB2. Präzisiert wurde am Sonntag, dass mit mehreren Bezugspersonen Kontakt möglich ist.

Die Verordnung tritt mit Dienstag, 0.00 Uhr in Kraft und gilt bis Sonntag, 6. Dezember, 23.59 Uhr. Zu den Vorwürfen der Opposition sagte er, dass „sehr intensiv an der Vorbereitung gearbeitet worden“ sei – „von Gesundheitsbehörden bis zu Spitalsverantwortlichen“. Die „Extremzuwächse“ seien reduziert worden, aber das sei noch zu wenig, so Anschober weiter.

Die Situation in den Intensivstationen wird laut dem Gesundheitsminister auch mit ausschlaggebend für die Beendigung des Lockdowns sein. „Der Zulauf zu den Intensivstationen muss geringer sein als der Abgang.“ Außerdem müsse der Reproduktionsfaktor sinken – von aktuell 1,2 auf deutlich unter eins. Das würde bedeuten, dass jeder Infizierte durchschnittlich nur noch weniger als eine weitere Person ansteckt.

Kurz: „Treffen Sie niemanden“

Ein halbwegs reguläres Weihnachten sei möglich, wenn der Lockdown in den nächsten Wochen greife und die Zahlen wieder zurückgingen. Anschober sagte, er spüre wieder Anzeichen eines Gemeinschaftsgefühls und die Stimmung einer Solidarität wie im Frühling. „Wir alle entscheiden“, wie es mit der Pandemie in Österreich weitergeht, so der Gesundheitsminister.

Anschober: „Wir können uns keine Verzögerung mehr leisten“

Die befürchtete zweite Welle im Herbst sei eskaliert, so Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne). „Die zweite Welle ist gewaltiger und dynamischer als die erste Welle im Frühling.“ Die Lage im Land sei dramatisch. Anschober erklärt die Notwendigkeiten der Maßnahmen.

In der Pressekonferenz zuvor appellierte Bundeskanzler Sebastian Kurz an die Bevölkerung: „Meine eindringliche Bitte für die nächsten Wochen ist: Treffen Sie niemanden! Jeder soziale Kontakt ist einer zu viel.“ Er sprach insbesondere jene an, die alleine leben, sich möglichst nur eine Person auszuwählen, die sie treffen. „Ich weiß, dass diese Maßnahmen extrem einschneidend sind. Wir wollen aber, dass er (der Lockdown, Anm.) wirkt“, sagte der Kanzler.

Präzisierung zu Treffen mit mehreren Bezugspersonen

Diese Empfehlung ist nicht explizit in der Verordnung festgeschrieben. Präzisiert hat das Gesundheitsministerium diese Aussage des Kanzlers am Sonntag. Mit engen Familienangehörigen oder wichtigen Bezugspersonen könnten Treffen stattfinden – und zwar auch mit mehreren (aber wenigen) dieser Personen gleichzeitig, wie das Gesundheitsministerium am Sonntag versuchte klarzustellen.

In der Verordnung des Gesundheitsministers werden die zulässigen Privattreffen als Kontakt mit „einzelnen engsten Angehörigen“ bzw. mit „einzelnen wichtigen Bezugspersonen, mit denen in der Regel mehrmals wöchentlich Kontakt gepflegt wird“, definiert. Mit der Beschränkung auf „einzelne“ werde klargestellt, dass damit nur Treffen mit „einigen wenigen“ Personen zulässig sind, hieß es aus dem Ministerium. Erlaubt ist jedenfalls auch der Kontakt mit dem nicht im gemeinsamen Haushalt lebenden Lebenspartner.

Zu den engsten Angehörigen zählen laut Gesundheitsministerium die Eltern, (volljährige) Kinder und Geschwister. Die Frage, wer zu den „wichtigen Bezugspersonen“ gehört, hänge von einer Einzelfallbeurteilung ab, hieß es aus dem Ressort. Die Durchführung von Familienfeiern oder vergleichbaren gesellschaftlichen Zusammenkünften stelle jedoch jedenfalls kein „Grundbedürfnis des täglichen Lebens“ dar, diese sind daher keinesfalls erlaubt.

Besuche sind unter den genannten Voraussetzungen ebenfalls möglich, geht aus den FAQ des Sozialministeriums hervor. „Der Besuch von einzelnen engsten Angehörigen bzw. einzelnen wichtigen Bezugspersonen, mit denen in der Regel mehrmals wöchentlich Kontakt gepflegt wird, zählt zur Ausnahme ‚Deckung der notwendigen Grundbedürfnisse des täglichen Lebens‘ und ist daher erlaubt“, heißt es dort wörtlich. Gleichzeitig wird zur Zurückhaltung aufgerufen: „Der Kontakt zu anderen Personen sollte soweit wie möglich eingeschränkt werden.“

Zweite Welle „gewaltiger und dynamischer“

Die befürchtete zweite Welle im Herbst sei eskaliert, sagte Anschober zuvor bei der Pressekonferenz am Samstagnachmittag. „Die zweite Welle ist gewaltiger und dynamischer als die erste Welle im Frühling.“ Die Lage im Land sei dramatisch, die Zahl der Neuinfektionen steige seit circa 23. Oktober „fast explosionsartig“. Darum müsse man nun die Notbremse ziehen. „Wenn wir jetzt nicht handeln, werde es zu Situationen der Triage in den Spitälern kommen“, so Anschober.

Verlassen des Wohnraums nur aus triftigen Gründen

Das Verlassen des privaten Wohnraums ist also ab Dienstag nur aus triftigen Gründen erlaubt – es sind die bereits bekannten Ausnahmen:

  • Berufliche Zwecke und Ausbildung
  • Versorgung mit Grundgütern des täglichen Lebens (Einkäufe) und die Inanspruchnahme von Gesundheitsdienstleistungen
  • Betreuung bzw. Hilfeleistung für unterstützungsbedürftige Personen sowie die Ausübung familiärer Rechte und Erfüllung familiärer Pflichten
  • Körperliche und psychische Erholung
  • Unaufschiebbare Behörden- oder Gerichtsgänge
  • Abwendung von unmittelbaren Gefahren für Leib, Leben und Eigentum

Statement von Kanzler Kurz

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), Vizekanzler Werner Kogler (Grüne), Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) und Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) über notwendige Maßnahmen, um die Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern.

Fernunterricht in Schulen

Schulen werden bis inklusive 6. Dezember auf Fernunterricht umstellen, und es wird eine Betreuung (und keinen Unterricht) in den Schulen geben. Auch in Kindergärten wird es weiterhin eine Betreuungsmöglichkeit geben, für alle, die eine Betreuung brauchen. An den Sonderschulen wird es auch in den kommenden drei Wochen Präsenzunterricht geben.

Handel und Dienstleister müssen schließen

Schließen müssen auch eine Vielzahl an Geschäften und persönlichen Dienstleistern. Das betrifft etwa Friseure, Kosmetikerinnen und Masseure. Überall, wo es möglich ist, soll auf Homeoffice umgestellt werden, sagte Kurz.

Weiter offen haben neben dem gesamten Lebensmittelhandel, Post, Trafiken und Apotheken auch der Agrar- und Tierfutterhandel, Tankstellen, Handyshops, Abfallentsorger, Putzereien und Fahrrad- bzw. Kfz-Werkstätten. Die Öffnungszeiten bleiben auf 6.00 bis 19.00 Uhr limitiert. Jene Geschäfte, die schließen müssen, sollen einen Teil des Umsatzverlusts durch den Lockdown ersetzt bekommen.

Ordinationen bleiben offen, Gottesdienste ausgesetzt

Die Ordinationen bleiben uneingeschränkt geöffnet. Das betonte die Ärztekammer und wies zugleich auf die „unbedingte“ Notwendigkeit von Terminvereinbarungen hin. Begleitpersonen sollten nur nach Rücksprache in die Ordination mitkommen. Ein gut organisiertes Terminmanagement – auch auf elektronischem Weg – garantiere, dass sich möglichst wenige Patientinnen und Patienten gleichzeitig in den Warteräumen der Ordinationen befänden – mehr dazu in wien.ORF.at.

Die katholische Kirche setzt während des neuen Lockdowns die öffentlichen Gottesdienste befristet aus. Das kündigte der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Salzburgs Erzbischof Franz Lackner, an. Die näheren Details sollen nach Gesprächen mit den anderen Kirchen und Religionsgesellschaften festgelegt werden, die am Montag stattfinden sollen – mehr dazu in religion.ORF.at.

Der Hauptausschuss des Nationalrats wird am Sonntag um 18.00 Uhr zusammentreten, um den neuen Lockdown abzusegnen. Es reichen dafür die Stimmen der Regierungsfraktionen ÖVP und Grüne. Die Ausgangsregeln und die Bestimmungen für den Veranstaltungsbereich müssen im Hauptausschuss nach zehn Tagen wieder bestätigt werden, daher sollen sie vorerst nur bis 26. November gelten.