Coronavirus-Teststäbchen
Reuters/Leonhard Foeger
Zu Lockdown-Ende

Kurz kündigt Massentests an

Vor dem Start des harten Lockdowns am Dienstag hat Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) Maßnahmen für die Zeit danach angekündigt. So wolle man „zur Zeit der Öffnung“ die Bevölkerung durchtesten – Vorbild für diese geplanten Massentestungen sei die Slowakei, sagte Kurz am Sonntag in der ORF-„Pressestunde“. Dort habe man auf diese Weise viele asymptomatisch Infizierte entdecken und isolieren können.

Man wolle das „Instrument der Massentests auch vor Weihnachten noch einmal nutzen“, so Kurz. Die entsprechenden Schritte für den logistischen Ablauf würden zusammen mit den Bundesländern und dem Bundesheer vorbereitet. Gegen Ende der Woche wolle die Regierung die Bevölkerung zu diesen geplanten Massentestungen informieren. Zielgruppe seien zuerst unter anderen Lehrerinnen und Lehrer, so Kurz. Schulen sollen ja ab 7. Dezember wieder in den Regelbetrieb übergehen, auch der Handel soll aufsperren.

In welcher Art und Weise genau, werde „sehr stark vom Infektionsgeschehen abhängen“. Hausaufgaben gab Kurz jedenfalls den Bundesländern mit: „Das Contact-Tracing in den Bundesländern muss besser werden“, forderte der Kanzler. Im Moment könne man ihnen zwar bei den hohen Infektionszahlen „keinen Vorwurf machen“, aber die Länder „haben die Verantwortung, sich perfekt aufzustellen“ für die Zeit ab 7. Dezember, betonte Kurz.

Kurz zu Massentests

Keine konkrete Zahl für Öffnungsschritte genannt

Die Frage nach dem „Ziel“ der Maßnahmen (bezogen auf Neuinfektionen) sei schwer zu beantworten, so Kurz – auf eine konkrete Zahl für Öffnungsschritte wollte er sich nicht einlassen. Beim ersten Lockdown sei man „auf 50 Neuinfektionen runtergekommen“. „Eine 7-Tage-Inzidenz von 50 wäre ein perfekter Wert“, so Kurz. Ob man das im Winter schaffen könne, wisse er aber nicht – derzeit liegt Österreich bei über 500. Es gehe darum, eine Situation zu schaffen, wo die Lage unter Kontrolle ist. Laut ZIB2 war das Gesundheitsministerium von der Entscheidung zu Massentests „überrascht“, man wolle zunächst darüber beraten.

Umstellung auf Distance-Learning verteidigt

Die Maßnahmen für die Schulen (die Umstellung auf Distance-Learning) verteidigte Kurz. Dass sich Schüler nicht infizieren, sei falsch. Man habe in Österreich „Tausende“ Kinder und Jugendliche, die infiziert seien. Konfrontiert mit jener Studie an Volksschulen, Mittelschulen und AHS-Unterstufen, wonach nur 40 von etwa 10.000 Teilnehmern positiv getestet wurden, sagte Kurz, man müsse hochrechnen, dann komme man auf „Tausende“. Schulen hätten „einen wesentlichen Beitrag am Infektionsgeschehen“.

Kurz zu den Regeln für die Schulen

Wer keine Möglichkeit habe, seine Kinder zu Hause zu betreuen, „dem stehen die Schulen selbstverständlich offen“. Das hat auch zur Folge, dass der neue Rechtsanspruch auf Sonderbetreuungszeit für Eltern aufgrund des Lockdowns nicht gilt. Der Rechtsanspruch sei für den Fall konzipiert, dass ganze Schulen wegen CoV-Fällen bei Lehrern oder Kindern geschlossen werden müssten, sagte Kurz.

Gefragt nach einer generellen Erhöhung des Arbeitslosengeldes bekräftigte Kurz, das sei „nicht das Ziel“. Er verwies auf die Einmalzahlungen und außerdem Umschulungsmaßnahmen, schließlich sei es das Ziel, Arbeitslose wieder in Beschäftigung zu bringen.

Bevölkerung vor ein paar Wochen „noch nicht bereit“

Generell sei es nicht einfach, einen harten Lockdown zu verhängen, „doch die Pandemie lässt uns keine andere Wahl“, so Kurz. Auf die Frage, ob die Maßnahmen zu spät kämen, sagte der Kanzler, dass er als Bundeskanzler nicht alleine entscheiden könne. Er sei immer für frühes Handeln gewesen, doch bei den Gesprächen habe es nicht die Bereitschaft gegeben. Auch die Bevölkerung sei vor ein paar Wochen noch nicht so weit gewesen „mitzumachen“, so Kurz.

„Natürlich“ sei es so, dass die Politik Maßnahmen setzen müssen, so Kurz auf die entsprechende Nachfrage. Man hätte nach dem Lockdown im Frühjahr auch gar nicht mehr aufsperren können – doch gehe es ja immer um eine Abwägung. Jetzt stehe man vor harten zwei Wochen, doch „ich glaube, dass der Lockdown jetzt wirken wird“ und „wir Weihnachten retten können“, so Kurz. Wir wollen mit dem harten Schritt schnell runterkommen.

„Müdigkeit vollkommen klar“

Dass nach acht, neun Monaten in Sachen Coronavirus eine „Müdigkeit“ in der Bevölkerung da sei, sei „vollkommen klar“, so Kurz. Diese „Müdigkeit“ sei kein österreichisches Phänomen, diese gebe es in allen anderen Ländern auch. „Wenn alle mitmachen, können wir die Ansteckungen nach unten drücken“. Andere Länder könnten wohl in „Semi-Lockdowns oder Teil-Lockdowns hängen bleiben“, das wolle man nicht.

Versäumnisse in der Vergangenheit sieht Kurz nicht: Von der zweiten Welle sei man nicht überrascht worden, sagte er auf eine entsprechende Frage. Der „relativ normale Sommer“ sei „kein Fehler“ gewesen – „Gott sei Dank“ habe man zu dieser Zeit keine Einschnitte gehabt, auch wegen des Tourismus. Der Dauerlockdown hätte sowohl „sozial und wirtschaftlich einen Riesenschaden angerichtet“. Gewisse Entwicklungen beim Virus seien auch einfach nicht prognostizierbar.

Massentests in der Slovakei
APA/AFP/Vladimir Simicek
Als Vorbild für die Massentests gilt die Slowakei

„Wir sind nicht die Asiaten in Europa“

In allen Ländern habe man dieselben Probleme. „Wir sind nicht die Asiaten in Europa“, man habe nicht dieselbe Erfahrung von Kindheit an, was das Maskentragen betreffe. „Das ist ein Kulturbruch“, so Kurz. Dass viele nach wie vor noch nicht von der Gefahr des Virus überzeugt seien, sei „eine Herausforderung“. Viele seien asymptomatisch, es sei die Gefahr, dass diese andere anstecken. „Jeder Kontakt ist einer zu viel“, wiederholte Kurz seine Aussage vom Vortag.

Massentests nach Lockdown geplant

Gemäß dem Modell der Slowakei möchte auch Österreich nach dem harten Lockdown auf Massentests setzen. Dort habe man auf diese Weise viele asymptomatisch Infizierte entdecken und isolieren können. Die Ansteckungen in der Slowakei gehen zurück, was jedoch neben den Tests noch andere Gründe haben kann. Kritiker bemängeln den riesigen Aufwand, den das Durchtesten der Bevölkerung mit sich bringt.

„Die Impfung wird der Gamechanger sein“, gab sich Kurz einmal mehr optimistisch, er sei froh über die Fortschritte der Forschung. Das Gesundheitsministerium bereite eine Impfstrategie vor, wobei zunächst das Gesundheitspersonal und vulnerable Gruppen geimpft werden sollten. Er gehe davon aus, dass im ersten Quartal 2021 schrittweise mit Impfungen begonnen werden kann.

Hacker will Logistikpläne für Massentests

Wiens Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) sprach sich in einer ersten Reaktion prinzipiell für Massentests aus. Es brauche aber eine ausgeklügelte Logistik. Die Regierung müsse ihre Pläne rasch auf den Tisch legen, so Hacker – mehr dazu in wien.ORF.at.