Arbeiter auf einer Baustelle
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Regierung einig

„Frühstarterbonus“ löst Hacklerregelung ab

Die Regierung hat sich geeinigt: Statt der derzeitigen abschlagsfreien Hacklerregelung wird ein „Frühstarterbonus“ im Pensionssystem eingeführt. Damit bekommen Menschen, die zwischen dem 15. und 20. Lebensjahr gearbeitet haben, monatlich 60 Euro zusätzlich. Darauf haben sich ÖVP und Grüne geeinigt, hieß es weiter.

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hatte bereits vor rund drei Wochen eine Abschaffung mit einer einjährigen Übergangsphase angekündigt und das mit der Ungerechtigkeit, dass diese Regelung nur Männern zugutekomme, begründet. Sozialminister Rudolf Anschober (Grüne) hatte gebremst und erklärt, er wolle auf einen Bericht der Alterssicherungskommission warten. SPÖ und FPÖ hatten bereits zuvor die Abschaffung der Hacklerregelung kritisiert. Im Ö1-Morgenjournal am Montag zeigte sich Anschober mit der neuen Regelung zufrieden und betonte den erweiterten Bezieherkreis.

Wie die grüne Klubobfrau Sigrid Maurer der APA erläuterte, soll das neue Modell am Freitag per Initiativantrag im Nationalrat beschlossen werden und am 1. Jänner 2022 in Kraft treten. Die Hacklerregelung, wonach man mit 45 echten Beitragsjahren mit 62 in Frühpension gehen kann, bleibt grundsätzlich bestehen. Allerdings werden die mit Beginn des heurigen Jahres abgeschafften Abschläge in der ursprünglichen Höhe von 4,2 Prozent pro Jahr 2022 wieder eingeführt.

Maurer: Fairer und geschlechtergerechter

Als Ausgleich kommt dann der „Frühstarterbonus“. Menschen, die zwischen dem 15. und 20. Lebensjahr gearbeitet und Beitragsjahre erworben haben, bekommen damit einen monatlichen Fixbetrag von 60 Euro zusätzlich zu ihrer Pension. Voraussetzung sind insgesamt 25 Versicherungsjahre, ansonsten soll der Bonus unabhängig vom Zeitpunkt des möglichen Pensionsantritts ausbezahlt werden.

Die Gesamtkosten dieses neuen Modells werden auf 35 bis 40 Millionen Euro geschätzt. Das entspricht in etwa den geschätzten jährlichen Kosten der abschlagsfreien Hacklerregelung, die zwischen 20 und 50 Mio. Euro liegen sollen. Maurer sagte, dass man damit das Pensionssystem „fairer und geschlechtergerechter“ machen werde: „Der Frühstarterinnenbonus ist eine echte Hacklerregelung, von der jene Menschen profitieren werden, die früh zu arbeiten begonnen haben.“

„Vor allem Frauen profitieren“

Von der neuen Regelung würden niedrige und mittlere Pensionen und vor allem Frauen profitieren. Maurer sagte, dass nun auch Frauen, die praktisch keine Chance haben, auf 45 Versicherungsjahre zu kommen, profitieren würden – „die Hacklerregelung wird damit zur Hacklerinnenregelung“.

Die grüne Klubobfrau erwartet, dass vom „Frühstarterbonus“ viermal so viele Menschen profitieren werden wie von der derzeitigen abschlagsfreien Langzeitversichertenregelung. Im 1. Halbjahr 2020 haben 7.256 Männer und nur eine einzige Frau diese abgschlagsfreie Hacklerregelung in Anspruch genommen. „Es erfolgt also eine Umschichtung und gerechtere Verteilung der Gelder im Pensionssystem von einer kleinen, männlich dominierten Gruppe mit hohen Pensionen hin zu mehr als viermal so vielen Menschen mit kleinen und mittleren Pensionen, wovon vor allem Frauen profitieren“, so Maurer.

Wöginger sieht noch offene Details

ÖVP-Klubobmann August Wöginger sagte am Montag, dass zu dem geplanten „Frühstarterbonus“ noch Details offen sind. Wöginger verwies darauf, dass die Verhandlungen mit den Grünen noch nicht ganz abgeschlossen seien. „Einige Details sind noch zu klären. Wir sind in guten Gesprächen“, so der ÖVP-Klubobmann zur APA. Offen dürfte etwa noch sein, wie viele Beitragsjahre zwischen dem 15. und 20. Lebensjahr Voraussetzung für den Fixbetrag von 60 Euro sein sollen und ob man echte Beitragsjahre vorweisen muss oder auch Versicherungszeiten inklusive Ersatzzeiten reichen.

SPÖ will Hacklerregelung ohne Abschläge retten

Die SPÖ will mit einem Dringlichen Antrag am Dienstag im Nationalrat die abschlagsfreie Hacklerregelung retten, um weitere Berufsgruppen erweitern und auch jene Jahrgänge einbeziehen, die derzeit nicht erfasst sind. Vizeklubchef Jörg Leichtfried zeigte sich in einer Pressekonferenz über die am Montag bekanntgewordenen Abschaffungspläne von ÖVP und Grünen entsetzt. Man wolle den Menschen still und heimlich die Pension wegnehmen, kritisierte er. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) müsse dem Parlament dazu Rede und Antwort stehen.

Gerade in der aktuellen CoV-Krise mit bald 500.000 Arbeitslosen falle der türkis-grünen Regierung nichts Besseres ein, als jenen das Geld zu kürzen, die 45 Jahre lang eingezahlt hätten. Der Kanzler habe „die Rechnung ohne die SPÖ gemacht“. Den „Frühstarterbonus“ wollte Leichtfried nicht weiter beurteilen, handle es sich doch um einen Schnell- bzw. Hüftschuss. Viel mehr als Propaganda sei das nicht.

FPÖ und NEOS gegen „Frühstarterbonus“

FPÖ-Obmann Norbert Hofer kann der künftigen Regelung nichts abgewinnen. Hofer kritisierte in einer Aussendung, dass der „Frühstarterbonus“ „völlig unausgegoren“ und im Vergleich zur Hacklerregelung „kaum wirksam“ sei. Deshalb befürchte er, dass die Altersarmut weiter steigen werde. Der FPÖ-Obmann kann auch keine frauenpolitische Maßnahmen darin erkennen, wie die Grünen meinen. Für Hofer handelt es sich um einen „Schnellschuss“, „nur damit die Grünen einen augenscheinlichen Verhandlungserfolg gegen die Anti-Hacklerregelung-Partei ÖVP vorweisen können“.

NEOS lehnte den „Frühstarterbonus“ ebenso ab wie die derzeitige abschlagsfreie Hacklerregelung. „Das Pensionssystem wird nicht enkelfitter und gerechter, wenn man eine schlechte Regelung durch eine andere schlechte Regelung ersetzt“, sagte Sozialsprecher Gerald Loacker am Montag in einer Aussendung. Die neue Regelung könnte sogar teurer ausfallen als die derzeitige und 2050 bereits rund 1,8 Milliarden Euro jährlich kosten, so Loacker. Zahlen müssten das vor allem die Jungen, die von der aktuellen Krise ohnehin schon am schwersten getroffen seien. Auch das Argument, dass Frauen besonders davon profitieren würden, ließ der NEOS-Sozialsprecher nicht gelten, weil das Geschlechterverhältnis beim „Frühstarterbonus“ 50:50 sei.

Gewerkschaft sieht „Pensionsraub“

Für den Vorsitzenden der Produktionsgewerkschaft Pro-Ge, Rainer Wimmer, ist die Abschaffung der abschlagsfreien Hacklerregelung und die Schaffung eines „Frühstarterbonus“ ein „Pensionsraub“. Die Abschläge der Hacklerregelung hätten die Betroffenen im Schnitt rund 300 Euro gekostet, um die die Pension jetzt höher sei. „Pensionen werden also um 300 Euro gekürzt, 60 Euro werden wieder refundiert“, so Wimmer.

„Darüber hinaus auch noch die Frechheit zu besitzen, das als sozialpolitischen Meilenstein zu verkaufen, macht nur noch fassungslos. Die Grünen haben sich endgültig von der Sozialpolitik verabschiedet“, so Wimmer weiter. Er verwies darauf, dass in einigen Jahren auch Frauen von der Hacklerregelung profitieren würden, da das Frauenpensionsalter angehoben wird.

Die Junge Industrie begrüßte hingegen zwar die Abschaffung der abschlagsfreien Hacklerregelung. Nach Ansicht des Bundesvorsitzenden Matthias Unger hätte sie aber ersatzlos gestrichen werden sollen, weil der „Frühstarterbonus“ wieder neue Kosten verursache.