Polens Premierminister Mateusz Morawiecki und Ungarns Premierminister Prime Minister Viktor Orban
Reuters/Francois Lenoir
Veto eingelegt

Polen und Ungarn blockieren EU-Finanzpaket

Polen und Ungarn haben ihre Drohungen wahr gemacht und ein Veto gegen die EU-Finanzplanung bis 2027 und das damit zusammenhängende CoV-Hilfspaket eingelegt. Die beiden Staaten wehren sich dagegen, dass die Auszahlung von EU-Mitteln künftig an die Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien geknüpft werden soll.

Die amtierende deutsche EU-Ratspräsidentschaft teilte am Montag mit, die EU-Botschafter beider Länder hätten einen Beschluss blockiert. Für die Verabschiedung der Finanzplanung ist ein einstimmiges Votum der 27 EU-Staaten erforderlich. Beschlossen wurde hingegen der Rechtsstaatlichkeitsmechanismus, hierfür braucht es nur eine qualifizierte Mehrheit. Nun zeichnet sich eine Verzögerung ab.

Betroffen von dem Veto ist neben den geplanten Coronavirus-Wiederaufbauhilfen im Umfang von bis zu 750 Milliarden Euro auch der langfristige EU-Haushalt. Er umfasst für die nächsten sieben Jahre Mittel in der Höhe von knapp 1,1 Billionen Euro und finanziert zum Beispiel Zuschüsse für die Landwirtschaft und Forschungsprogramme.

Nothaushalt droht

Die Blockade ist der nächste Rückschlag für die EU. Nach Angaben von Diplomaten werden nun die deutsche Kanzlerin Angela Merkel, EU-Ratspräsident Charles Michel und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen über das weitere Vorgehen beraten müssen. Der Streit wird dann vermutlich zum Thema einer für Donnerstag geplanten Videokonferenz der Staats- und Regierungschefs. Bei ihr sollte es eigentlich vor allem um eine bessere Zusammenarbeit in der Pandemie gehen.

Kann das Finanzpaket nicht auf den Weg gebracht werden, wird der EU ab dem kommenden Jahr nur noch ein Nothaushalt zur Verfügung stehen. Zudem könnten die Coronavirus-Hilfen nicht fließen, die Länder wie Italien und Spanien vor einem wirtschaftlichen Absturz bewahren sollen.

Die Auszahlung der ersten Mittel sollte eigentlich im Laufe des zweiten Quartals 2021 möglich gemacht werden. Dafür ist neben den am Montag blockierten Beschlüssen aber auch noch ein aufwendiger Ratifizierungsprozess notwendig. Nach Angaben aus der EU-Kommission müssen dazu in fast allen EU-Ländern auch die nationalen Parlamente mit dem Thema befasst werden.

Bindung an Rechtsstaatlichkeit

Das von Ungarn und Polen kritisierte Verfahren zum Schutz der Rechtsstaatlichkeit sieht vor, künftig bei bestimmten Verstößen gegen Grundwerte der EU die Kürzung von EU-Mitteln zu ermöglichen. Das Instrument soll zwar nur dann zum Einsatz kommen können, wenn ein Missbrauch von EU-Mitteln droht. Das könnte aber schon der Fall sein, wenn eine mangelnde Unabhängigkeit von Gerichten begründete Bedenken weckt, dass Entscheidungen über die Verteilung von EU-Mitteln nicht mehr unabhängig kontrolliert werden können.

Vor allem den Regierungen in Ungarn und Polen wurde zuletzt immer wieder vorgeworfen, ihren Einfluss auf die Justiz auszubauen. Zudem gibt es in beiden Ländern Kritik am Umgang mit der Justiz, den Medien und teils auch der Wissenschaft. Ungarn hatte schon im Vorfeld des Botschaftertreffens sein Veto angekündigt. Auch Polens Justizminister Zbigniew Ziobro sagte, Europa sei in einer wichtigen Phase, und Polen könne mit dem Veto zeigen, dass es seine Souveränität nicht einschränken lassen wolle.

EU-Haushaltskommissar fordert rasche Einigung

EU-Haushaltskommissar Johannes Hahn forderte in einer ersten Reaktion eine rasche Einigung ein. Die Staaten müssten Verantwortung übernehmen und das Paket finalisieren. Es gehe „nicht um Ideologien, sondern um Hilfe für die Bevölkerung in der schlimmsten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg“, so Hahn auf Twitter.

Auch Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) forderte die Einhaltung rechtsstaatlicher Grundsätze in Europa. „Da sollten wir sehr klar bleiben. Jetzt wird Steuergeld in einem noch nie da gewesenen Ausmaß in Anspruch genommen, da sollten wir genau hinschauen, dass unsere Werte eingehalten werden“, sagte Kurz am Montag in einem virtuellen Auftritt beim Wirtschaftstag des Wirtschaftsrates der CDU.

Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) betonte, dass er von Ungarn und Polen eine Aufgabe des Vetos erwartet: „Auch Österreich war nicht in allen Punkten zufrieden, aber wir zeigen uns solidarisch“, sagte Blümel in der ZIB2. Er appelliere an alle EU-Partner, dem Kompromiss zuzustimmen. Wegen Einzelproblemen solle nicht das ganze Paket aufgehalten werden.

Parlamentarier mit heftiger Kritik

Empört zeigten sich auch Österreichs EU-Abgeordnete: Das Veto sei „unverantwortlich“ und die Rechtsstaatlichkeit „nicht verhandelbar“, so ÖVP-Delegationsleiterin Angela Winzig. Ihr SPÖ-Pendant Andreas Schieder hatte bereits zuvor gesagt, die Staaten würden die Zukunft von Millionen Bürgerinnen und Bürgern gefährden. Die EU sei „nicht der Bankomat, um autoritäre Machtfantasien zu finanzieren“, sagte auch Schieder.

„Die EU darf sich von Ungarn und Polen nicht in Geiselhaft nehmen lassen“, forderte NEOS-Abgeordnete Claudia Gamon. Das Veto sei eine beispiellose Verantwortungslosigkeit. Die Grünen-Delegationsleiterin Monika Vana hatte sich bereits im Vorfeld empört gezeigt: „Ungarns Ministerpräsident, Anm.) Viktor Orban setzt sich mit seinem angekündigten Veto über die Entscheidungswege in der EU hinweg.“ Den Ratsbeschluss habe Orban im Juli mitgetragen.

Tusk fordert Ausschluss aus EVP

Scharfe Kritik kam auch vom Chef der Europäischen Volkspartei (EVP), Donald Tusk. Er forderte den Ausschluss von Orbans FIDESZ-Partei aus der EVP-Fraktion im EU-Parlament. Er erwarte von allen EVP-Parteien eine klare Position zum Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit, begründete Tusk. Der Ex-EU-Ratspräsident und frühere polnische Ministerpräsident reagierte damit auf das ungarische Veto gegen den künftigen EU-Haushalt. „Gegner unserer Grundwerte sollten von niemandem mehr geschützt werden“, erklärte Tusk.

Die EVP streitet bereits seit Langem über einen Ausschluss der FIDESZ. Bereits im April hatten 13 von 82 Parteien gefordert, sie auszuschließen. Damals wurde die Forderung vor allem von der deutschen CDU-CSU-Gruppe blockiert. Allerdings ist die Mitgliedschaft der Orban-Partei in der EVP bereits seit März 2019 ausgesetzt.