Coronavirus-Massentest
Reuters/Radovan Stoklasa
Coronavirus

Wie die Massentests funktionieren könnten

Im Schnelltesten möglichst großer Bevölkerungsteile sieht die Regierung die Chance auf einen nach dem neuerlichen Lockdown möglichst normalen Ablauf der Weihnachtszeit. Die Details zu den Massentests sind noch offen. Die Strategie könnte unter bestimmten Voraussetzungen bei der Eindämmung der Pandemie helfen – eine Erfolgsgarantie gibt es aber nicht, sagte der Gesundheitsökonom Thomas Czypionka gegenüber ORF.at.

Als Vorbild für die Massentests dient der Regierung die Slowakei. Dort wurden 5,5 Mio. Menschen im Alter von zehn bis 65 Jahren aufgerufen, CoV-Antigen-Tests durchführen zu lassen. 50.000 davon erhielten ein positives Ergebnis und mussten in Selbstisolation. Ganz freiwillig war die Teilnahme nicht: Wer kein negatives Testergebnis vorweisen konnte, war von Ausgangsbeschränkungen betroffen und durfte nicht in die Arbeit gehen.

Anders als in der Slowakei betonten sowohl Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) als auch Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne), dass solche Massentests in Österreich nur auf freiwilliger Basis durchgeführt werden sollen. Wie genau sie vonstatten gehen sollen, will die Regierung bis Ende der Woche festlegen. Unterstützung bei der Durchführung gibt es vom Bundesheer, wo bereits mit den Planungen begonnen wurde.

„Keine Einmalaktion“

Der Erfolg von Massentests hängt von vielen Faktoren ab. Da wäre einmal die Frequenz der Testungen. „Das Ganze kann keine Einmalaktion sein“, sondern sollte immer wieder wiederholt werden, schrieb der Gesundheitsökonom Thomas Czypionka vom Institut für Höhere Studien (IHS) auf Twitter.

CoV-Massentests in Planung

Am Dienstag tritt in Österreich der zweite Lockdown in Kraft, der bis 6. Dezember gilt. Für die Zeit danach plant die Regierung CoV-Massentests.

Die Gründe dafür erläuterte Czypionka auf Nachfrage von ORF.at. Antigen-Tests lieferten auch viele falsch negative Ergebnisse. In diesem Fall sind die Betroffenen infiziert, der Test zeigt das aber noch nicht an. Bei mehrmaligem Testen fiele ein Infektionsgeschehen in einem Haushalt daher eher auf. Hinzu kommt laut Czypionka eine „diagnostische Lücke“, da sich eine Infektion erst nach ein paar Tagen nachweisen ließe. Diese Menschen würde man bei einer einmaligen Testaktion übersehen.

Versuchsballon mit kleiner Gruppe

Anders als in der Slowakei müsste hierzulande laut Verfassungsrechtlern erst eine geeignete Rechtgrundlage für verpflichtende Screenings großer Bevölkerungsteile geschaffen werden. Das will die Regierung offenbar mit dem Verweis auf die Freiwilligkeit der Maßnahmen umschiffen.

Auch logistisch und die Kommunikation betreffend kommen einige Herausforderungen auf Regierung und Behörden zu. „Mit so einer Aktion besteht wenig Erfahrung, und sie muss klug in der Kommunikation begleitet werden“, sagte Czypionka. „Dementsprechend empfiehlt sich ein Prätest mit einer kleineren Gruppe, um daraus für eine breitere Testung Schlüsse ziehen zu können – sowohl was die Logistik als auch was die Kommunikation betrifft.“

Theoretisch sollte die gesamte Bevölkerung erfasst werden, sagte der Gesundheitsökonom. Ausnahmen könnte es für Personen- und Berufsgruppen geben, die bereits regelmäßig mittels PCR getestet werden. Wie oft die Massentests wiederholt werden sollten, hänge von der Zielsetzung ab, sagte Czypionka: „Mit der Methode und entsprechend enger Frequenz und Breite kann man das Virus weitgehend eliminieren. Allerdings sind wir anders als Neuseeland oder Australien keine Insel.“

Günstige Testmethode, teure Logistik

Kanzler Kurz hatte eine erste Massentestung kurz vor Ende des Lockdowns am 8. Dezember in Aussicht gestellt. Die dafür notwendigen Antigen-Schnelltests ließen sich in ausreichender Stückzahl auf dem Weltmarkt beschaffen, so Czypionka, „vor allem, wenn man zu den Ersten gehört und ein kleines Land ist“. Aufpassen müsse man, wie gut die angekauften Tests in der Praxis funktionieren. „Wenn Sensitivität oder Spezifität zu schlecht sind, wird die Aktion vielleicht zu wenig bringen.“ Einfacher durchzuführen wäre ein Antigen-Gurgeltest. Ein solcher sei derzeit in Vorbereitung, sagte Czypionka, ihn „in die Breite zu bringen“ dürfte sich aber zeitlich nicht ausgehen.

Coronavirus-Massentest
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In der Slowakei wurden 5,5 Mio. Menschen getestet – auch die österreichische Regierung will auf großflächiges Testen setzen

Die Antigen-Tests sind relativ günstig. Wie viel die Massentests letztlich kosten werden, hänge letztlich vom finanziellen Aufwand für die Logistik ab, so Czypionka. Ob sich die Aktion rechnet, lässt sich nicht vorhersagen: „Man muss sich anschauen, wie viele Wochen Lockdown wir für dieselbe Senkung der Infektionszahlen gebraucht hätten. Das lässt sich wohl erst nachträglich analysieren.“

Englische Vorbilder

Eine Möglichkeit besteht laut Czypionka darin, die Antigen-Tests per Post an die Haushalte zu schicken, gewissermaßen als Selbsttest. Das wäre rechtlich einfacher, würde weniger Gesundheitspersonal binden, die Logistik wäre günstiger und würde Ansteckungen beim Anstellen vor den Testzentren verhindern. Die Absicherung der Ergebnisse könnte mittels PCR oder eines zweiten Schnelltests erfolgen, der einen anderen Antikörper verwendet. „Mit der Kombination zweier Tests, die leicht unterschiedlich sind, wird die Spezifität erhöht, wenn sie gleichsam hintereinandergeschaltet werden.“

Auf jeden Fall müsste man laut Czypionka eine umfassende Kommunikationsstrategie entwickeln. „Es muss vermittelt werden, wie der Test abläuft bzw. selbst zu machen ist. Da gibt es bereits Vorbilder, weil man das in England bereits regional begrenzt gemacht hat.“

Zusätzlich müsse man die Menschen ermutigen, daran teilzunehmen – „letztlich steht sowohl die Bildung der Kinder, Arbeitsplätze und auch das Weihnachtsfest auf dem Spiel. Man kann sicher das Verständnis für die Wichtigkeit vermitteln, wenn man die richtigen Kanäle mit den richtigen Botschaften bespielt, und dadurch eine hohe Teilnahme erreichen“, so Czypionka.

Keine Erfolgsgarantie

Auch bei bester Vorbereitung und Kommunikation gibt es allerdings keine Erfolgsgarantie für Massentests. „Es werden von Wissenschaftlern Überlegungen angestellt, breite Erfahrung gibt es aber nicht“, so Czypionka. „Daher muss man auch damit rechnen, dass nach einem Prätest, der nicht erfolgreich ist, das Ganze wieder abgeblasen wird.“