Einkaufswagen im Supermarkt
ORF.at/Zita Klimek
Handel im Lockdown

Sortiment und Relevanz werfen Fragen auf

Der Lockdown ist zurück und mit ihm eine Debatte aus dem Frühjahr: Sind Supermärkte dazu verpflichtet, für diese Zeit ihr Angebot einzuschränken und nur das „typische Warensortiment“ anzubieten? Rechtlich ist das umstritten und könnte noch für lange Verfahren sorgen. Auch andere Bestimmungen, wer derzeit offen halten kann und wer nicht, scheinen fragwürdig.

Die Covid-19-Notmaßnahmenverordnung verpflichtet Supermarktketten dazu, ihr Sortiment während des Lockdowns zurückzufahren, in der rechtlichen Begründung dazu heißt es: „So dürfen etwa in Mischbetrieben, die unter die Z 2 (Lebensmittelhandel) fallen, nur Waren im Sinne des Abs. 4 (d. h. etwa zum Erwerb von Lebensmitteln, Sanitärartikeln, Tierfutter) angeboten werden, nicht aber Spielzeug, Blumen oder Elektrogeräte.“

Wenn sich ein Betrieb nicht an die Auflagen hält, sind Geldstrafen von bis zu 3.600 Euro vorgesehen. Dass auch tatsächlich kontrolliert werden wird, hat das Gesundheitsministerium bereits im Vorfeld angekündigt. Die Vorgabe wird rechtlich so begründet: „Dadurch soll eine unsachliche Privilegierung der vom Betretungsverbot ausgenommenen Mischbetriebe gegenüber den vom Betretungsverbot erfassten Betriebsstätten vermieden werden.“

Blumengeschäft
APA/Helmut Fohringer
Gartenbaubetriebe sind vom Lockdown nicht betroffen, Floristen sehr wohl

Spar: „Völlig andere Situation als im Frühjahr“

Auf Spar, Hofer und Lidl Österreich könnten damit saftige Strafen zukommen, wehren sich die Händler – anders als der REWE-Konzern (Billa, Merkur, Penny und ADEG) – doch entschieden dagegen, ihr Sortiment zu beschneiden. „Die Situation ist eine völlig andere im Vergleich zum ersten Lockdown im Frühjahr“, sagte Spar-Sprecherin Nicole Berkmann am Dienstag im Ö1-Mittagsjournal.

Dieses Mal würden Händler mit Betretungsverbot bis zu 60 Prozent Umsatzentschädigung erhalten, „und bei uns wäre es so, wenn man unsere Sortimente beschränken würde, dass wir keine Entschädigung erhalten“. Das wäre verfassungswidrig. „Gesetz- und verfassungswidrig“ sei schon die Beschränkung per se, sagte Berkmann – mehr dazu in oesterreich.ORF.at.

Verfassungsjuristen uneins

Der Einschätzung von Spar, dass der Verordnungsgeber mit der Regelung auch wettbewerbsrechtlich eingreifen und damit viele Fragen aufwerfen würde, räumte auch Verfassungsjurist Bernd-Christian Funk auf Anfrage von ORF.at Gewicht ein. Zudem stelle sich die Frage, was genau mit „typischem“ Sortiment gemeint sei. Hier eine „definitive Klärung“ vorzunehmen, sei schwierig und könnte sich ziehen, so Funk.

Anders sieht das der frühere Dekan der juridischen Fakultät der Universität Wien, Heinz Mayer. Die Bestimmungen, was unter das freigegebene Sortiment fällt, sind für ihn ausreichend dargelegt, sagte er gegenüber ORF.at. Die Chance, dass Spar und Co. mit ihrer Haltung durchkommen, hält er für sehr unwahrscheinlich.

Handel: Streit ums Sortiment

Der Lockdown ist zurück und mit ihm eine Debatte aus dem Frühjahr: Sind Supermärkte dazu verpflichtet, für diese Zeit ihr Angebot einzuschränken und nur das „typische Warensortiment“ anzubieten? Rechtlich ist das umstritten und könnte noch für lange Verfahren sorgen. Auch andere Bestimmungen, wer derzeit offen halten kann und wer nicht, scheinen fragwürdig.

Wirtschaftsministerin appelliert an Fairness

Wirtschaftsanwalt Georg Krakow vertrat gegenüber Ö1 die Ansicht, dass in dieser Frage die gesamte Notmaßnahmenverordnung zusammenfassend zu lesen sei. Schließlich dürfe man das Haus ja nur zur Deckung von dringenden Grundbedürfnissen verlassen. Krakow: „Ein dringendes Grundbedürfnis ist das Essen, ein dringendes Grundbedürfnis ist in der Regel nicht ein Elektrogerät. Das spricht dafür, dass auch Lebensmittelhändler zum Beispiel Elektrogeräte nicht verkaufen dürfen.“ Er glaubt aber, dass die Frage wohl vor den Verwaltungsgerichten und gegebenenfalls vor dem Verfassungsgerichtshof landen werde.

Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) richtete sich am Dienstag an die Fairness der Supermarktketten, diese mögen ihr Sortiment während des Lockdowns einschränken. Kunden und Kundinnen würden sich merken, „wie sich Unternehmen jetzt verhalten“, sagte sie. Bei vielen Produkten könne man mit der Beschaffung durchaus warten und diese in drei Wochen kaufen, sagte Schramböck.

SPÖ-Wirtschaftssprecher Christoph Matznetter lancierte einen „Appell an Spar, Hofer und Co. Die Bundesregierung macht einen Fehler nach dem anderen, auch die verordnete Sortimentsbeschränkung ist rechtlich gesehen ein solcher Fehler. Ich bitte Sie jedoch, dies nicht auszunutzen und trotzdem auf den Verkauf von Non-Food-Artikeln zu verzichten. (…) Vom Zusperren des Handels zu profitieren mag vielleicht kurzfristig gewinnbringend sein, wird sich jedoch gesamtwirtschaftlich negativ auswirken“, so Matznetter.

Waffengeschäfte und Reisebüros bleiben offen

Die Diskussionen dürften jedenfalls noch lange nicht aus sein, für Munition ist weiter gesorgt: Am Dienstag wurde publik, dass Waffengeschäfte weiterhin offen halten dürfen. Die Wirtschaftskammer (WKÖ) bestätigte entsprechende Presseberichte. Begründet wird das mit der Jagd als Berufsausübung und dem Verkauf von Sicherheits- und Notfallprodukten. Die WKÖ hat eine Aufstellung verfasst, wer trotz Lockdowns öffnen kann und wer nicht. Dabei formuliert die WKÖ vorsichtig: Die Kriterienliste „unterstützt bei der Einschätzung, welche betrieblichen Tätigkeiten erlaubt sind und welche nicht“. Die elfseitige Aufstellung ist online abrufbar.

Für Verblüffung, respektive Unmut, sorgte auch der Umstand, dass Reisebüros während des Lockdowns nicht behördlich geschlossen werden. In einem offenen Brief an die Regierung zeigten sich Interessenvertreter „fassungslos, entsetzt und mehr als verzweifelt! (…) Die Reisebranche ist ohne jeden Zweifel der Hauptbetroffene der Auswirkungen der Pandemie und gerade dieser Zweig benötigt dringendst die finanzielle Unterstützung mit dem Umsatzersatz. Faktisch werden die Reiseunternehmen wieder ausgenommen davon, da es scheinbar keine behördliche Schließung gibt.“