Ansicht von Auckland, Neuseeland
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Inseln in der Pandemie

Strategien und ihre Erfolgsbilanzen

Nach fast einem Jahr Pandemie hat sich gezeigt, dass es so etwas wie eine globale Strategie zur Eindämmung des Coronavirus nicht gibt. So unterschiedlich wie die demo- und geografischen Voraussetzungen sind auch die Maßnahmen der einzelnen Staaten. Gerne als Erfolgsbeispiel zitiert werden Australien und Neuseeland, denen man durch ihre Insellage Vorteile zuschreibt. Mit reiner Abschottung ist es aber auch nicht getan, wie die verschiedenen Strategien und ihre Erfolgsbilanzen zeigen.

Als Negativbeispiel bietet sich Großbritannien an: Mit der anfänglichen Idee, auf Herdenimmunität und eine möglichst hohe Durchseuchung zu setzen, hat sich das Land tief in die Pandemie geritten und zählt zu den am schwersten betroffenen in Europa.

Der Schwenk zum ersten Lockdown im März erfolgte wesentlich später als auf dem Festland, Zehntausende Tote (aktuell rund 80 Tote pro 100.000 Einwohnern, in etwa viermal so viele wie in Österreich) waren die Folge. Auch nach der ersten Welle verabsäumte Großbritannien eine mögliche Abschottung und erlaubte früh und ohne verpflichtende PCR-Tests die Aus- und Rückreise etwa für Sommerurlaube.

Neuseeland will eliminieren, nicht nur eindämmen

Ziemlich konträr dazu setzte Neuseeland früh auf eine explizite Eliminierungsstratagie. Das Ziel der Regierung unter Premierministerin Jacinda Ardern ist, das Virus nicht nur einzudämmen, sondern auf der Insel ganz auszurotten. Mit einem sehr früh angesetzten Lockdown vor dem ersten Todesfall – inklusive kompletter Grenzschließung (Ausnahmen nur mit Quarantänepflicht für Staatsbürger und Menschen mit Aufenthaltsberechtigungen) schien dieses Ziel nach siebenwöchigen strengen Maßnahmen erreicht.

Die Neuseeländische Premierministerin Jacinda Ardern
AP/Mark Mitchell
Eliminieren statt eindämmen: Neuseelands Premierministerin Jacinda Ardern

Trotz Rückkehr zur Normalität – Menschenansammlungen sind erlaubt, Mund-Nasen-Schutz wird empfohlen, ist aber nirgends verpflichtend – verzeichnete Neuseeland im Sommer mehr als 100 Tage lang keinen einzigen Fall – wegen eines einzigen Clusters in Auckland wurde die 1,6-Mio.-Einwohner-Stadt in einen Teillockdown geschickt, bis sie im Oktober wieder zehn Tage ohne Neuinfektionen war.

Sehr strenge Maßnahmen in Australien

Von der relativen Freiheit in Neuseeland sind die Menschen in Australien weit entfernt. Jedenfalls ist das Land mit seinen 25 Millionen Einwohnern bisher recht gut durch die Krise gekommen. Schon seit Februar gilt ein generelles Einreiseverbot, Ausnahmegenehmigungen für Menschen ohne Staatsbürgerschaft oder Aufenthaltsgenehmigung werden nur in Sonderfällen erteilt. Doch selbst in diesen, zahlenmäßig streng limitierten Ausnahmen ist eine 14-tägige Quarantäne in einer behördlich vorgegebenen Unterkunft (selbst zu zahlen, ab 1.500 Euro) unumgänglich. Abgesehen davon sind die Maßnahmen in Australien regional extrem unterschiedlich.

Luftaufnahme von Sydney, Australien
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In Sydney setzt man auf engmaschiges Contact-Tracing

Im bevölkerungsreichsten Bundesstaat New South Wales mit der Stadt Sydney wurde das Virus hingegen durch viele Tests und Kontaktnachverfolgungen unter Kontrolle gebracht. Unter Auflagen sind dort auch wieder Veranstaltungen erlaubt. Im Bundesstaat Victoria mit der Großstadt Melbourne war erst Ende Oktober nach einer zweiten Welle ein monatelanger harter Lockdown beendet worden. Dort wurden seit 17 Tagen keine neuen Fälle mehr bestätigt. Noch immer gilt dort aber eine strenge Maskenpflicht in vielen Bereichen, eine örtliche Bewegungsbeschränkung auf 25 Kilometer und die Empfehlung, von zu Hause aus zu arbeiten. Menschenansammlungen sind nach wie vor beschränkt.

Der Bundesstaat South Australia hingegen wurde Anfang der Woche nach dem Auftreten des ersten Clusters nach sieben Monaten gerade erst in einen strikten einwöchigen Lockdown geschickt. Grund für das harte Vorgehen war aber nicht die (extrem niedrige) Zahl der Fälle – vielmehr befürchtete man, das Contact-Tracing nicht mehr im Griff zu haben. Ein erkrankter Mann habe zu seiner Ansteckung in einem Restaurant angegeben, sich nur schnell eine Pizza geholt zu haben, in Wahrheit habe er dort jedoch stundenlang neben einem erkrankten Kollegen gearbeitet – mehr dazu in „Pizza-Lüge“ löste harten Lockdown aus.

Island: Frühe Reaktion, viele Tests

Island, wo Ende Februar, Anfang März die Pandemie mit einigen Reiserückkehrenden aus Italien und Ischgl eingeschleppt wurde, konnte die erste Welle mit einer sehr frühen und schnellen Reaktion in Schach halten. Schon Ende Jänner setzte das Gesundheitsministerium Präventionsmaßnahmen und begann unter anderem mit Gesundheitskontrollen auf dem Flughafen, die Lager wurden mit Medikamenten und Schutzausrüstung gefüllt.

Trotz geringer Fallzahlen setzte Island auf strenge Maßnahmen – etwa geschlossene Schulen und ein Veranstaltungsverbot. Während der ganzen Pandemie blieben die Grenzen jedoch offen. Auch aktuell, mitten in der zweiten Welle, dürfen Reisende aus EU- und Schengen-Ländern einreisen – sie müssen sich nur zu zwei PCR-Tests und einer verpflichtenden Quarantäne von fünf bis sechs Tagen verpflichten, ohne Test steht einem nur die 14-tägige Quarantäne frei. Die doppelte Teststrategie erwies sich als erfolgreich: 20 Prozent der mitgebrachten Infektionen wurden beim ersten Test noch nicht erkannt.

Aktive Kommunikation

Diese und andere Informationen stellt das isländische Gesundheitsministerium in elf Sprachen stets aktuell auf einer eigenen Coronavirus-Homepage zur Verfügung. In Sachen Kommunikation sind die Behörden Islands allerdings auch privilegiert – die Hochrisikogruppen des 360.000-Einwohner-Landes werden von einem eigenen CoV-Dienst proaktiv kontaktiert, um womögliche Erkrankungen frühzeitig festzustellen.

Stadtansicht von Reykjavik, der Hauptstadt von Island
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Island lässt einreisen, setzt aber auf die doppelte Testung und Quarantäne

Gleichzeitig setzte Island auf ein großangelegtes Testprogramm. Die normalerweise auf die Forschung zu seltenen Gendefekten spezialisierte isländische Firma deCODE Genetics sorgte dabei in Kooperation mit den Behörden nicht nur für ein extrem hohes Testvolumen und ein recht gutes Bild der symptomlosen Dunkelziffern an Infizierten, sondern lieferte dazu gleich auch noch Genomanalysen, mit der die Ansteckungsketten nachverfolgt werden konnten.

Kleinere Inseln nicht nur im Vorteil

Vor allem kleinere Inseln haben es zwar wesentlich leichter, sich abzuschotten oder wie Island großflächig zu testen und nachzuverfolgen, oft aber ein anderes Problem: Das Gesundheitssystem ist noch weniger auf eine Pandemie ausgelegt als auf dem Festland – und ansteckende Patienten lassen sich nur mit wesentlich höherem Aufwand transportieren.

Der Strand von Sainte Anne Beach in Martinique in der Karibik
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Inselstrände sind heuer vielerorts den Einheimischen vorbehalten

Aus diesem Grund schottete etwa auch Griechenland schon früh alle Inseln ab. Und trotz einschneidender Folgen für die Tourismusbranche isolierten sich deshalb auch viele pazifische Inselstaaten zumindest in der ersten Welle. Die vorsichtige Öffnung und vor allem mit dem Wiederhochfahren des Tourismus wurden aus Samoa, Vanuatu, den Salomonen und den Marshallinseln erste Fälle gemeldet. Die abgelegenen Inselstaaten und Territorien Kiribati, Mikronesien, Nauru, Palau, Tonga und Tuvalu gelten dagegen immer noch als virenfrei.