Demonstranten stehen bei einer Demo gegen die Covid-19-Maßnahmen der Regierung in Berlin Polizisten gegenüber
Reuters/Fabrizio Bensch
CoV-Auflagen

Polizei löst Demo in Berlin auf

In Deutschland sind am Mittwoch neue Coronavirus-Auflagen beschlossen worden. Das sorgte im Vorfeld für Aufregung und Demos von Gegnerinnen und Gegnern der Pandemiemaßnahmen. Tausende versammelten sich in der Hauptstadt Berlin. Wegen zahlreicher Verstöße gegen die Maskenpflicht löste die Polizei die Demo am Brandenburger Tor zu Mittag aber auf.

Die Polizei setzte gegen die Demonstranten nahe dem Reichstagsgebäude dabei auch Wasserwerfer ein. Die Einsatzkräfte begannen mit dem Besprühen der Menschen. Der Entscheidung zur Auflösung war ein Ultimatum der Polizei an den Versammlungsleiter vorausgegangen, die Auflagen für die angemeldete Demonstration umzusetzen.

Mehrere Personen waren zu dem Zeitpunkt bereits wegen des Nichttragens von Masken angezeigt worden. Dutzende Anzeigen seien zunächst erstattet worden, weil Demonstranten keinen Mund-Nasen-Schutz trugen, und wegen des Verdachts auf Attestfälschung, wie die Polizei am Mittwoch via Twitter mitteilte.

Wasserwerfer in Berlin
Reuters/Christian Mang
Mit Wasserwerfern wurden Demonstranten zurückgedrängt

Den Aufforderungen zum Tragen von Mund-Nase-Schutz und zum Abstandhalten waren viele der mehreren tausend Demonstranten zuvor nicht gefolgt. Direkt vor dem Reichstagsgebäude im „befriedeten Bezirk“ hatte das Innenministerium Demonstrationen untersagt. Die Polizei sperrte den Bereich daher weiträumig ab. Dennoch kam es zu Zwischenfällen: „In den Bundestag eingeschleuste Personen haben unter anderem versucht, in Büros einzelner Abgeordneter einzudringen“, twitterte die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Katja Mast. „Ich bin fassungslos. Frei gewählte Abgeordnete an Abstimmungen zu hindern und zu bedrängen ist das Allerletzte. Das Ziel: die Demokratie zersetzen.“

Klare Mehrheit für Infektionsschutzgesetz

Bundestag und Bundesrat beschlossen am Nachmittag die von der CDU/CSU-SPD-Koalition geplanten Änderungen im Infektionsschutzgesetz. Im Bundestag stimmten am Mittwoch 415 Abgeordnete für die Reform, um die Coronavirus-Maßnahmen künftig auf eine genauere rechtliche Grundlage zu stellen. 236 stimmten dagegen, acht enthielten sich bei der namentlichen Abstimmung.

Anschließend gab es in einer Sondersitzung des Bundesrates auch von der Mehrheit der Bundesländer die Zustimmung zum „dritten Bevölkerungsschutzgesetz“. Später unterzeichnete auch Präsident Frank-Walter Steinmeier das Gesetz, somit kann es schon am Donnerstag in Kraft treten.

Kurz nach der Unterfertigung durch Steinmeier versammelten sich – obwohl die Versammlungen bereits weitgehend beendet waren – noch einmal Hunderte Demonstranten. Einige von ihnen wurden weggetragen. Andere riefen in Sprechchören etwa „Wir sind das Volk“.

Spahn wirbt um Vertrauen

Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte in der Debatte die Beschränkungen verteidigt und um weiteres Vertrauen in das Krisenmanagement geworben. Steigende Infektionszahlen führten früher oder später zu steigendem Leid auf den Intensivstationen und zu einem Kontrollverlust, sagte der CDU-Politiker. Auch im Bundesrat warb Spahn für das Gesetz. Die SPD-Gesundheitspolitikerin Bärbel Bas wies im Bundestag Befürchtungen zurück, dass mit der Reform des Infektionsschutzgesetzes Befugnisse für Bundes- und Landesregierungen ausgeweitet würden.

Zum Auftakt der Debatte hatte die AfD zunächst versucht, das Thema wieder von der Tagesordnung zu nehmen, scheiterte damit aber am geschlossenen Widerstand der anderen Fraktionen. Der parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion, Bernd Baumann, sagte: „Die heutige Gesetzesvorlage ist eine Ermächtigung der Regierung, wie es das seit geschichtlichen Zeiten nicht mehr gab.“

Abgeordnete der anderen Fraktionen wiesen die Vorwürfe zurück. Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Carsten Schneider, sagte, die AfD spiele mit dem Vergleich mit dem NS-Ermächtigungsgesetz von 1933. „Sie diskreditieren nicht nur unsere Demokratie, sondern sie machen sie verächtlich“, betonte er.

Polizei löst Demo in Berlin auf

In Deutschland wurden am Mittwoch neue Coronavirus-Auflagen besclossen, die für Aufregung und Demos von Gegnerinnen und Gegnern der Pandemiemaßnahmen sorgten. Tausende versammelten sich in der Hauptstadt Berlin. Wegen zahlreicher Verstöße gegen die Maskenpflicht löste die Polizei die Demo am Brandenburger Tor zu Mittag auf.

Bedenken der Opposition

Redner von FDP, Grünen und Linkspartei kritisierten die Reform des Infektionsschutzgesetzes dennoch. Die geplanten Neuregelungen gäben den Regierungen keine Leitplanken vor, sondern stellten ihnen „einen Freifahrtschein“ aus, sagte FDP-Fraktionschef Christian Lindner.

Es sei eine demokratische Grundsatzfrage, dass niemals Regierungen über solche massiven Eingriffe in Grund- und Freiheitsrechte entscheiden dürften, sagte der parlamentarische Geschäftsführer der Linken, Jan Korte.

Konkrete Auflistung erlaubter Maßnahmen

Ziel des Gesetzes ist es unter anderem, bisher per Verordnung erlassene Coronavirus-Maßnahmen gesetzlich zu untermauern und konkret festzuschreiben. Im Infektionsschutzgesetz war bisher nur allgemein von „notwendigen Schutzmaßnahmen“ die Rede, die die „zuständige Behörde“ treffen kann.

Proteste gegen die Covid-19-Maßnahmen der Regierung in Berlin
AP/Michael Sohn
Tausende hatten sich vor dem Brandenburger Tor versammelt – viele ohne vorgeschriebene Maske

Mit der Gesetzesnovelle wird ein neuer Paragraf eingefügt, der die möglichen Schutzmaßnahmen von Landesregierungen und Behörden konkret auflistet, etwa Abstandsgebote, Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen und Beschränkungen im Kultur- und Freizeitbereich – im wesentlichen Maßnahmen, die bereits beim Lockdown im Frühjahr ergriffen wurden und teilweise auch jetzt beim Teil-Lockdown im November gelten.

Klarer Grenzwert

Festgeschrieben werden im Gesetz auch zwei 7-Tage-Inzidenz-Werte, 35 und 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner innerhalb einer Woche, ab denen jeweils unterschiedlich scharfe Schutzmaßnahmen getroffen werden sollen. Vorgeschrieben wird zudem, dass Rechtsverordnungen mit CoV-Schutzmaßnahmen zeitlich auf vier Wochen befristet werden. Verlängerungen sind aber möglich. Außerdem müssen die Verordnungen mit einer allgemeinen Begründung versehen werden.

Proteste gegen die Covid-19-Maßnahmen der Regierung in Berlin
Reuters/Christian Mang
Bei den Protesten kam es zu hitzigen Wortwechseln

Neue Regeln bei Verdienstausfall

Das Gesetz sieht daneben auch neue Regeln bei Verdienstausfällen vor. So sollen Entschädigungsansprüche für Eltern bis März 2021 verlängert und erweitert werden, die wegen Kinderbetreuung nicht arbeiten können. Wer eine „vermeidbare Reise“ in ausländische Risikogebiete macht, soll dagegen für eine nach der Rückkehr nötige Quarantäne keine Entschädigung für Verdienstausfall bekommen.

Der Bund soll zudem regeln können, dass auch Nichtversicherte Anspruch auf Schutzimpfungen und Tests haben. Krankenhäuser, die Operationen aussetzen, sollen einen finanziellen Ausgleich bekommen.

Das Infektionsschutzgesetz war im Zuge der Coronavirus-Pandemie schon mehrfach reformiert worden. Gleich zu Beginn im Frühjahr wurde eingeführt, dass der Bundestag eine epidemische Lage von nationaler Tragweite feststellen kann. Der Bundestag tat das damals umgehend und gab damit dem Gesundheitsministerium Sonderbefugnisse, um Rechtsverordnungen zu erlassen, ohne dass der Bundesrat zustimmen muss. Normalerweise ist bei Verordnungen der Regierung ein Ja der Länderkammer notwendig.