US-Präsident Donald Trump
AP/Evan Vucci
Nach langer Blockade

Trump leitet Prozess zu Amtsübergabe ein

Der Amtsübergabeprozess nach der US-Präsidentschaftswahl am 3. November kann beginnen. Nach wochenlanger Blockade zeigte sich der abgewählte Präsident Donald Trump am Montag (Ortszeit) – auch via Twitter – doch bereit, den Übergabeprozess zuzulassen. Die General Services Administration (GSA) erteilte dem designierten Präsidenten Joe Biden und seinem Team bereits die nötige Erlaubnis auf Zutritt zu Regierungsinfrastruktur. Zuvor war Bidens Wahlsieg in Michigan bestätigt worden.

Trump weigert sich aber nach wie vor, seine Niederlage einzuräumen, und behauptet, dass ihm der Sieg durch Wahlbetrug gestohlen worden sei. Er kündigte in seiner Twitter-Botschaft am Montag an, dass er weiterkämpfen werde, und gab sich abermals siegessicher. Aber er wies die Behörden an, mit Biden zu kooperieren. Die Leiterin der zuständigen US-Bundesverwaltungsbehörde GSA, Emily Murphy, solle „tun, was getan werden muss“, um das Übergangsteam des Demokraten zu unterstützen, twitterte Trump.

Der 78-jährige Biden – der am 20. Jänner als neuer Präsident der USA vereidigt werden soll – bekam von der GSA den ihm bisher verwehrten Zugang zu Regierungsinfrastruktur für die Vorbereitung seiner Amtsübernahme. Nach der offiziellen Bestätigung des Wahlausgangs in Michigan hatte die Behörde Biden als wahrscheinlichen Wahlsieger eingestuft und damit grünes Licht für die Kooperation der Trump-Regierung mit dem Team des Demokraten gegeben.

Bidens Übergangsteam: „Notwendiger Schritt“

Am Montag war das Wahlergebnis in Michigan, einem weiteren wichtigen Bundesstaat, amtlich bestätigt worden. Danach hatte GSA-Chefin Murphy Biden ein – vom Nachrichtensender CNN veröffentlichtes – Schreiben übermittelt. Damit bekommt Bidens Übergangsteam unter anderem Zugriff auf 6,3 Millionen Dollar, die für die nahtlose Übergabe der Amtsgeschäfte vorgesehen sind. Zugleich dürfen seine Mitarbeiter nun offiziell mit Regierungsbeamten kommunizieren – was ihnen bisher verwehrt war.

„Die heute getroffene Entscheidung ist ein notwendiger Schritt, um mit der Bewältigung der Herausforderungen, denen unser Land gegenübersteht, zu beginnen“, hieß es in einer Mitteilung von Bidens Übergangsteam. Man werde mit aktuellen Regierungsbeamten über die Coronavirus-Krise und die nationale Sicherheit sprechen – und die Treffen in den kommenden Tagen auch dafür nutzen, ein „umfassendes Verständnis der Bemühungen der Trump-Regierung zu erlangen, die Regierungsbehörden auszuhöhlen“.

Trump im Fokus der Justiz

Nach dem Ende seiner Amtszeit kommen auf Trump ungemütliche Zeiten zu. Dem Privatmann Trump, der dann keinen Schutz mehr als US-Präsident genießt, droht juridisches Ungemach. Trumps Amtszeit war von Beginn mit zivilrechtlichen Klagen und strafrechtlichen Ermittlungen in seinem innersten Kreis beschäftigt. Nach dem Ende der Präsidentschaft könnte nun erneut Trump selbst im Fokus von Ermittlern, Anklägern und Anwälten stehen – mit teils schweren Anschuldigungen.

Auch vor seiner Politkarriere waren Klagen und Prozesse für Trump als Immobilienentwickler, Football-Team-Eigentümer, Casinobetreiber und Reality-TV-Präsentator alte Bekannte. Des Öfteren wurden die juristischen „Unannehmlichkeiten“ von Trumps Anwälten ohne Aufsehen mit Vergleichen und Geldzahlungen ohne Schuldeingeständnisse geregelt. Dass das Trump auch als Ex-Präsident gelingt, stellt eine große Herausforderung für sein Anwaltsteam dar, ist doch Trump die Aufmerksamkeit gewiss.

An den diversen offenen juristischen Baustellen Trumps hängt auch dessen politische Zukunft als weiterhin treibende Kraft der Republikaner. Seine Zeit könnte der Privatmann Trump dann allerdings auch mit Treffen mit seinen Anwälten und Aussagen vor Ermittlern oder gar vor Gericht verbringen müssen, so US-Medien.

US-Präsident Donald Trump mit Familienmitgliedern bei einem Empfang
Reuters/Tom Brenner
Trump mit seiner Familie – auch gegen das Familienunternehmen wird wegen Steuerhinterziehung ermittelt

Russland-Affäre könnte als Bumerang zurückkommen

Die „Washington Post“ machte sich in Erwartung von Trumps Niederlage schon vor der Wahl die Mühe, „ein Strafregister für einen früheren Präsidenten“ zusammenzustellen. Die Zeitung führte als mögliche Anklagepunkte unter anderem Verstöße gegen Gesetze zur Wahlkampffinanzierung, Bestechlichkeit und Justizbehinderung an. Letzteres zielt vor allem auf die Russland-Untersuchungen von FBI-Sonderermittler Robert Mueller ab.

Mueller fand zwar keine Beweise für Geheimabsprachen des Trump-Lagers mit Vertretern Russlands vor der Wahl 2016. Vom Vorwurf der Justizbehinderung entlastete er Trump aber ausdrücklich nicht. Mueller machte in seinem Abschlussbericht vom März vergangenen Jahres deutlich, dass zwar gegen einen Präsidenten in dessen Amtszeit nicht Anklage erhoben werden könne. Er schrieb aber auch, dass „ein Präsident keine Immunität hat, nachdem er aus dem Amt ausscheidet“.

FBI-Sonderermittler Robert Mueller
Reuters
Der FBI-Sonderermittler Robert Mueller sprach Trump vom Vorwurf der Justizbehinderung nicht frei

Steuerunterlagen wegen Schweigegeld wichtig

Nach dem Auszug aus dem Weißen Haus könnte es für Trump in Sachen Steuerunterlagen eng werden, denn dahinter verbirgt sich noch viel mehr. Manhattans Staatsanwalt Cyrus Vance, Sohn des gleichnamigen Außenministers unter dem demokratischen Präsidenten Jimmy Carter, führt seit gut zwei Jahren eine strafrechtliche Untersuchung gegen Trump und die Trump Organization, wie CBC News auf ihrer Website schreibt.

Pornodarstellerin Stephanie Clifford aka Stormy Daniels
AP/Mary Altaffer
Die Pornodarstellerin Stephanie Clifford will von Trump Schweigegeld bekommen haben

Vance will unter anderem Trumps Steuererklärungen von 2011 bis 2018 einsehen. Der Staatsanwalt ermittelt zu Schweigegeldzahlungen an die Pornodarstellerin Stephanie Clifford (Stormy Daniels) und eine weitere Frau, die nach eigenen Angaben vor Jahren Affären mit Trump hatten. Die Ermittlungen wurden in der Folge auf möglichen Banken- und Versicherungsbetrug durch die Trump Organization ausgeweitet, in der das Geschäftsimperium des Präsidenten gebündelt ist.

„Absolute Immunität“ fällt auch hier

Im Streit um die Übergabe seiner Finanzunterlagen zog Trump in diesem Jahr bis vor den Obersten Gerichtshof des Landes. Dieser urteilte zwar im Juli, der Präsident genieße keine „absolute Immunität“ und könne deswegen nicht grundsätzlich die Herausgabe von Beweisen an die Justiz verweigern. Zugleich ermöglichte der Supreme Court Trump, vor einem Gericht unterer Instanz neue Argumente geltend zu machen. Auch im Oktober riefen Trumps Anwälte das Höchstgericht wieder an.

Vance werde sich wahrscheinlich letztlich durchsetzen und die Unterlagen erhalten, heißt es von US-Rechtsexperten und Rechtsexpertinnen. Das US-Justizministerium hatte erklärt, dass ein amtierender Präsident nicht angeklagt werden könne. Vance war allerdings daran nie gebunden, da er kein Ankläger auf Bundesebene ist. Möglicherweise zögerte Vance jedoch, Trump anzuklagen, da er sich nicht sicher war, ob der Fall verfassungsrechtlich gedeckt war, so der ehemalige New Yorker Ankläger Harry Sandick zur Nachrichtenagentur Reuters.

US-Anwalt Cyrus Vance
AP/Craig Ruttle
Manhattans Staatsanwalt Cyrus Vance will seit zwei Jahren Trumps Steuerunterlagen

Ermittlungen „eine Bedrohung für Trump“

Diese Bedenken würden aber sicher verschwinden, wenn Trump nicht mehr im Amt ist, so Sandick. Die Ermittlungen könnten Trump ziemlich zusetzen, sind sich Fachleute sicher. „Die Ermittlungen sind eine Bedrohung für Trump“, so Corey Brettschneider, Politologe an der Brown University. Allein, dass sich Trump an das Höchstgericht gewandt habe, lege nahe, dass Trump die schwerwiegende strafrechtliche Ermittlung ernst nehme, so Brettschneider weiter.

Ein neuer – Trump nicht wohlgesonnener Justizminister – könnte dann Anklage erheben. Trump könne neben anderen Punkten auch mit einer Strafe für Steuerhinterziehung konfrontiert werden. Trump verweigert als erster Präsident seit Richard Nixon (1969 bis 1974) die Offenlegung seiner Steuererklärungen.

Spekulationen über Trumps Geheimnisse

Das führt zu Spekulationen, ob der Immobilienunternehmer etwas zu verbergen habe. Die „New York Times“ sorgte Ende September mit Enthüllungen zu Trumps Steuer- und Finanzgebaren für Aufsehen. Dem Bericht zufolge zahlte Trump in elf der 18 Jahre zwischen 2000 und 2017 keine Einkommenssteuer auf Bundesebene – und 2016 und 2017 jeweils nur 750 Dollar. Der Verdacht der Steuerhinterziehung sei groß, so Nick Akerman, Anwalt bei der Kanzlei Dorsey & Whitney und ehemaliger Bundesstaatsanwalt.

Eine derartige Anklage würde allerdings ziemlich kontroversiell diskutiert werden, und das Justizministerium könnte entscheiden, aus öffentlichem Interesse, auch wenn es genug Belege für Trumps Schuld geben sollte, keine Anklage zu erheben, so die Nachrichtenagentur Reuters. Trump werde sich sicher als politisch Verfolgten darstellen.

Biden zurückhaltend und pragmatisch

Trumps Nachfolger Joe Biden äußerte sich in dieser heiklen Angelegenheit bisher zurückhaltend. Er werde sich nicht in die Agenden des Justizministeriums einmischen, so der designierte US-Präsident. Die Verfolgung von Strafanzeigen gegen seinen Vorgänger sei „eine sehr, sehr ungewöhnliche Sache und wahrscheinlich nicht sehr – wie kann ich das sagen? – gut für die Demokratie", so Biden im August bei einem Interview.

Ex-Trump-Anwalt Michael Cohen
Reuters
Trumps ehemaliger Anwalt Michael Cohen erklärte vor dem Kongress das „System Trump“

Auch eine weitere Ermittlung beschäftigt sich mit dem Finanzgebahren von Trump und seinem Familienunternehmen. Die New Yorker Staatsanwältin Letitia James untersucht hier eine mögliche Steuerhinterziehung. Losgetreten hatte die Ermittlungen Trumps eigener Anwalt Michael Cohen. Cohen hat mehr als ein Jahrzehnt für Trump gearbeitet und war eine zentrale Figur in mehreren Affären um den Präsidenten. Er wurde oft als Trumps „Ausputzer“ beschrieben, bis es zum Bruch zwischen beiden kam. Cohen wandte sich von Trump ab und erhob vor Gericht und dem US-Kongress schwere Vorwürfe gegen den Präsidenten.

Ex-Anwalt Cohen erklärt das „System Trump“

Cohen war 2018 zu einer dreijährigen Haftstrafe verurteilt worden, im Frühjahr wegen der CoV-Pandemie allerdings vorzeitig entlassen worden. Er hatte sich 2018 vor Gericht mehrerer Vergehen schuldig bekannt, unter anderem einer Falschaussage vor dem US-Kongress und Verstöße gegen Gesetze zur Wahlkampffinanzierung. Bei Letzterem handelte es sich um Schweigegeldzahlungen, die Cohen nach eigener Aussage im Auftrag Trumps ausgeführt hatte. In einer dramatischen Anhörung im Februar 2019 legte er seinem früheren Chef diverse Rechtsverstöße sowie gewohnheitsmäßiges Lügen zur Last. Er beschrieb Trump als „Rassisten, Betrüger und Schwindler“.

In Sachen Steuerhinterziehung hatte Cohen auch das „System Trump“ erklärt: Der Präsident habe die Vermögenswerte aufgeblasen, um Geld für Kredite und Versicherungen zu sparen, und später die Vermögenswerte wieder kleiner dargestellt, um bei Immobiliensteuern zu sparen, so Cohen.

Vorwurf der Vergewaltigung

Auf Trump warten ebenso noch zwei Klagen wegen des Vorwurfs der Vergewaltigung bzw. sexueller Belästigung. Die bekannte Kolumnistin E. Jean Carroll wirft Trump vor, sie vor über zwei Jahrzehnten in der Umkleidekabine eines New Yorker Kaufhauses vergewaltigt zu haben. Nach Bekanntwerden der Vergewaltigungsvorwürfe im vergangenen Jahr hatte Trump Carroll vorgeworfen, „total zu lügen“. In einem Interview sagte Trump, er kenne Carroll gar nicht. „Sie ist nicht mein Typ“, fügte er hinzu. Carroll reichte daraufhin in New York eine Verleumdungsklage gegen den Präsidenten ein.

Auch Vorwurf der sexuellen Belästigung

Trump wird sich auch den Belästigungsvorwürfen einer früheren Kandidatin seiner Fernsehshow „The Apprentice“ stellen müssen. Summer Zervos hatte 2017 Klage gegen Trump eingereicht, weil er sie 2007 sexuell belästigt haben soll. Trump weist die Vorwürfe zurück. Zervos wirft Trump „zahlreiche falsche, diffamierende Erklärungen“ vor, die er im Anschluss an ihre Vorwürfe abgegeben habe.

Die von ihr geltend gemachte Belästigung soll sich 2007 in einem Hotel in Beverly Hills abgespielt haben. Trump habe sich gegen ihren Willen an sie gepresst und ihr an die Brust gefasst – sie habe ihn jedoch zurückgestoßen, gab die Klägerin an. Während Trumps Amtszeit war der Fall wegen der Immunität des Präsidenten auf Eis gelegt worden. Das Argument wird der Privatmann Trump allerdings auch hier nicht mehr verwenden können.

Video mit sexistischen Äußerungen

Die beiden Frauen sind nur zwei von mehreren, die Trump sexuelle Belästigung vor seiner Amtszeit vorwerfen. Mehrere Frauen waren im Oktober 2016 an die Öffentlichkeit gegangen, nachdem ein Video von 2005 mit sexistischen Äußerungen Trumps veröffentlicht worden war. Der ehemalige Reality-TV-Star Trump prahlte darin damit, dass er es sich wegen seiner Berühmtheit erlauben könne, Frauen ohne Umschweife zu küssen und ihnen zwischen die Beine zu fassen. Trump entschuldigte sich für die Äußerungen, tat sie aber als „Umkleidekabinengespräch“ ab.