Eine Frau liest ein Buch auf der Couch
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Mentale Gesundheit

Tipps für den Lockdown

Die Coronavirus-Pandemie wirkt sich bekannterweise nicht nur auf unsere körperliche, sondern auch auf unsere psychische Gesundheit aus. Ängste, depressive Verstimmungen, Einsamkeit, Schlaflosigkeit – all das sind Belastungen, die durch den aktuellen Lockdown und die dunkle Jahreszeit noch verschärft werden. Doch es gibt viele hilfreiche Tipps, wie man in dieser schwierigen Zeit auch mental gesund bleiben kann.

Gerade Personen, die keine „Psychoathleten“ seien und ohnehin bereits mit Belastungen zu kämpfen hätten, stünden derzeit vor großen Herausforderungen, so die Präsidentin des Berufsverbands Österreichischer Psychologinnen und Psychologen (BÖP), Beate Wimmer-Puchinger, gegenüber ORF.at. Auch ließe sich eine generelle „Lockdown-Müdigkeit“ feststellen: „Jetzt, beim zweiten Lockdown, wissen wir ja schon, was das bedeutet.“ „Nicht schon wieder“, sei bei vielen das Grundgefühl.

Dabei sei es gerade jetzt wichtig, nicht zu resignieren, sondern konstruktiv zu agieren, schließlich könne man mit seinem Verhalten eine Art „Schutzschild“ gegen das Virus aufbauen. „Wenn ich klar weiß, was ich warum zu tun habe, und dem auch innerlich zustimmen kann, bekomme ich ein Gefühl der Kontrolle“, so Wimmer-Puchinger. Das wiederum führe dazu, innerlich ruhiger und stärker zu sein.

Auszeiten und Belohnungen, Bewegung und Sport

Auch geplantes Handeln beuge Kontrollverlust und Hilflosigkeit vor. So helfe es zum Beispiel, den Tag gut zu strukturieren und einen genauen Stundenplan zu erstellen – inklusive Pausen. Gerade für alle, die derzeit von zu Hause aus arbeiten, sei das essenziell. Wichtig sei dabei auch, sich „nette Dinge“ vorzunehmen und sich selbst zu belohnen, meint die Psychologin, die vor allem an Frauen appelliert, sich öfter Auszeiten zu gönnen. Schließlich würden diese oftmals am stärksten unter Mehrfachbelastungen leiden.

„Die beste Medikation gegen Trübsal und depressive Verstimmungen“ seien aber nach wie vor Sport und Bewegung – am besten draußen an der frischen Luft. Durch die wissenschaftlich belegten positiven Effekte auf unsere Psyche ließe sich die Kombination von „Herbstdepression“ und „Coronavirus-Blues“ vermeiden.

Deshalb gelte es, seinen „Schweinehund zu überwinden“, eine dicke Jacke anzuziehen und auch am Abend noch rauszugehen – und sei es lediglich für einen kurzen Spaziergang. Nur zu Hause zu bleiben und sich in der Wohnung zu „verkrümeln“ (Stichwort „Couchpotato“) sei weder gut noch notwendig, so Wimmer-Puchinger.

Ein joggender Mann
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Bewusster Medienkonsum

Als weiteres „No-Go“ nennt sie exzessive Mediennutzung. Auch hier laute die Devise „Abstand halten“. Man dürfe sich nicht permanent negativen Informationen wie Todeszahlen aussetzen, denn auf Dauer führe das zu einer „Katastrophen- und Weltuntergangsstimmung“, die nur schwer wieder zu überwinden sei. So heißt es auch in dem Infoblatt des BÖP: „Fakten helfen gegen überschwemmende Gefühle. Seriöse und klare Informationen geben Orientierung und Sicherheit. Vermeiden Sie aber ununterbrochenen Medienkonsum.“

Coronavirus nicht als einziges Gesprächsthema

Ohnehin sollte man darauf achten, die Coronavirus-Pandemie nicht zum alles dominierenden Thema werden zu lassen – auch nicht in „stundenlangen Gesprächen“ mit Freunden oder Familie, denn dadurch gerate man schnell in einen negativen Sog. Wimmer-Puchinger rät zudem, nicht in den negativen Chor einzustimmen, sondern bewusst positiv zu bleiben. Nicht umsonst scheint ein Cafe in Rom kürzlich Diskussionen über das Coronavirus verboten zu haben.

Gemeinsam Kaffeetrinken zu gehen ist zwar derzeit ohnehin nicht möglich, trotzdem sollte man seine sozialen Kontakte pflegen und sich „Zeit nehmen, um seine Liebsten zu kontaktieren“. Sei es mittels Videochats oder ganz klassisch, indem man zum Telefon greift. Auch in diesem Bereich solle man sich auf keinen Fall zurückziehen, so der psychologische Rat, sondern im Gegenteil, vielleicht sogar eingeschlafene Freundschaften wieder aktivieren.

Ein Mann telefoniert am Fenster
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Soziale Kontakte zu pflegen, etwa mit Freunden und Familien zu telefonieren, sei wichtig, so die Psychologin – doch sollte auf positive Gesprächsinhalte geachtet werden

Wie positiv bleiben, wenn das Ende nicht absehbar ist?

Doch wie kann man positiv und hoffnungsvoll bleiben, wenn das Ende noch nicht einmal absehbar ist? Auch auf diese Frage hat Wimmer-Puchinger einen Rat parat: Man müsse kurzfristig denken, die Zeitstrecke unterteilen und nicht bis zum Sommer oder Herbst nächsten Jahres blicken. Sie vergleicht die Situation mit einem „psychischen Hürdenlauf“, bei dem man eine Hürde nach der anderen nehmen müsse: „Wir kennen das aus der Krisenforschung oder auch von der Begleitung von Schwerkranken.“ Auch hier ginge es darum, von Tag zu Tag zu denken.

Zudem helfe es, sich darauf zu besinnen, was einem selbst Hoffnung gibt – etwa die Entwicklung eines Impfstoffes. Hilfreich sei ebenso, Vertrauen zu haben: „Wir haben unglaublich viele intellektuelle wissenschaftliche Potenziale, die jetzt alle am selben Problem arbeiten. Wir sind also nicht allein. Ich kann darauf vertrauen, dass eine kluge wissensbasierte Gesellschaft, wie wir es sind, an Lösungen arbeitet. Wir werden das in den Griff bekommen.“

Dennoch gibt sich die Psychologin, was das Pläneschmieden für die Zeit nach der Pandemie betrifft, vorsichtig. Perspektiven zu haben sei zwar prinzipiell „immer gut“, konkrete Pläne sollten jedoch im Rahmen davon bleiben, was realistisch ist. Hierbei müsse man eben Flexibilität zeigen. So könnte es sein, dass im diesjährigen Winterurlaub Skifahren nicht möglich ist, dafür aber vielleicht Schneeschuhwandern.

„Keine Schande, trübe Gedanken zu haben“

Trotz allem gibt es wohl Menschen, bei denen derzeit weder die Idee von Schneeschuhwanderungen noch die Aussicht auf einen Impfstoff zur Steigerung ihres derzeitigen Wohlbefindens beizutragen vermag. Hierbei betont Wimmer-Puchinger, dass es keine Schande sei, trübe Gedanken oder depressive Verstimmungen zu haben. „Das ist ganz normal. So, wie wenn man einmal einen Schnupfen hat.“ Es sei wichtig, sich „in unserer Leistungsgesellschaft“ nicht dafür zu schämen.

Rat und Unterstützung

Rat und Unterstützung im Krisenfall bieten folgende Telefonhelplines:
Psychiatrische Soforthilfe:
01 313 30
Telefonseelsorge: 142
Psycholog. Berufsverband:
01 504 8000
Ö3-Kummernummer: 116123
Frauenhelpline: 0800 222 555
Kriseninterventionszentrum: 01 406 9595

Doch wann ist der Punkt erreicht, an dem man sich professionelle Unterstützung suchen sollte? Ihre Antwort: „Wenn ich grüble, wenn meine Gedanken immer in die gleiche Richtung gehen, wenn ich Angst und düstere Einfälle habe, wenn ich mich hängen lasse, lust-, energie- und kraftlos bin oder alles nur noch schwarzmale.“

Vorsicht bei Psychopharmaka

Viele Helplines böten die Möglichkeit, „mit einem Profi“ über Sorgen und Ängste zu sprechen, um dann zu entscheiden, ob man sich möglicherweise in psychologische Behandlung begeben sollte. „Wir haben ja offen und sind da. Mit Maske und Abstand sogar persönlich“, schließlich zähle die klinische Psychologie sowie Psychotherapie zu den Gesundheitsberufen. Wimmer-Puchinger empfiehlt zudem, nach einer schweren Coronavirus-Infektion diese Zeit auch psychologisch aufzuarbeiten.

Was Psychopharmaka betrifft, etwa Tabletten, um besser zu schlafen oder besser gelaunt zu sein, zeigt sich die Psychologin hingegen skeptisch. Diese könnten oft nur „die letzte Lösung“ sein und sollten auch nur in Absprache mit einem Arzt oder einer Ärztin genommen werden – natürlich gebe es aber auch hier Ausnahmen und Menschen, die aufgrund einer psychischen Erkrankung darauf angewiesen seien. Dennoch dienten sie im Allgemeinen lediglich zur Symptombehandlung, besser sei es, sich mit den Ursachen seiner Probleme (etwa Schlafstörungen) auseinanderzusetzen.