Stau auf der A23
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„Stinker werden teurer“

Freude und Zorn über Ökosteuerreform

Vizekanzler Werner Kogler und Umweltministerin Leonore Gewessler (beide Grüne) haben am Samstag weitere Schritte zur Ökosteuerreform präsentiert. Zentraler Punkt ist die Erhöhung der Normverbrauchsabgabe (NoVA) für emissionsstarke Autos. „Die Stinker werden teurer“, so Kogler. Die Reaktionen auf das Paket reichten von Freude bei den ÖBB über Skepsis bei NGOs bis hin zu Zorn bei den Autoimporteuren.

Das Gesetzespaket zur Ökologisierung des Steuersystems wurde bereits Freitagabend im Nationalrat eingebracht – dieses wird nun im zuständigen parlamentarischen Ausschuss beraten. In puncto Erhöhung der NoVA wird der Grenzwert für den CO2-Malus in mehreren Schritten ab Mitte 2021 bis 2024 deutlich gesenkt. Der Malusbetrag wird in diesem Zeitraum von 50 auf 80 Euro erhöht. Auch beim CO2-Abzugsbetrag und beim Höchststeuersatz wird geschraubt.

Diese Verschärfungen könnten noch so manchen motivieren, sich einen Pick-up zu kaufen. Denn liegt ein unwiderruflicher schriftlicher Kaufvertrag vor, der vor dem 1. Juni 2021 abgeschlossen wurde, kann in einem Übergangszeitraum noch das alte Regelwerk angewandt werden.

Ausnahmen teils gestrichen

Befreit von der NoVA sind von den umweltfreundlichen Gefährten nunmehr explizit nicht nur Elektrofahrzeuge, sondern zum Beispiel auch mit Wasserstoff betriebene Fahrzeuge. Grundsätzlich gilt die Ausnahme künftig für alle Fahrzeuge mit einem CO2-Emissionswert von null g/km.

Ein E-Auto an einer Ladestation.
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Befreiungen von der NoVA gibt es für umweltfreundliche Fahrzeuge – etwa E-Autos oder mit Wasserstoff betriebene Gefährte

Andere Ausnahmen werden gestrichen, nämlich Kraftfahrzeuge zur Güterbeförderung bis einschließlich 3.500 Kilogramm höchstes zulässiges Gesamtgewicht. Das meint laut Erläuterungen zum Gesetz Kraftfahrzeuge der Klasse N1. Dabei handelt es sich beispielsweise um Kastenwagen, Pritschenwagen (Pick-up) und Kleintransporter. Oldtimer bleiben hingegen befreit.

Änderungen auch bei der Bahn

Änderungen sieht das Paket auch bei der Pendlerpauschale vor: Umweltfreundliche Mobilität („Öffis“ und Fahrräder) wird künftig ebenso steuerbegünstigt wie Reparaturdienstleistungen. Für kleinere Reparaturdienstleistungen (inklusive Ausbesserungen und Änderungen) gilt künftig der ermäßigte Steuersatz in Höhe von zehn Prozent. Davon umfasst sind unter anderem Fahrrädern, Schuhe, Lederwaren und Kleidung. Für eine Umsatzsteuersenkung auf größere Reparaturen wie Haushaltsgeräte braucht es laut Gewessler eine Rechtsänderung auf EU-Ebene.

Ein Zug der ÖBB am Hauptbahnhof in Wien.
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Die ÖBB zeigen sich von den Erleichterungen für Bahnunternehmen erfreut

Erleichterungen gibt es für „Öffi“- und Fahrrad-Pendler. „Öffi“-Netzkarten und Zeitkarten sind künftig vollkommen vom Sachbezug befreit, und wer Anspruch auf Pendlerpauschale hat, bekommt es künftig, auch wenn ein Dienstfahrrad genutzt wird.

Erleichterungen für Bahnunternehmen

Weiters wird von Bahnunternehmen selbst erzeugte, erneuerbare Energie für den Eigenverbrauch künftig von der Elektrizitätsabgabe befreit. Dadurch wird das Erzeugen von Ökostrom billiger. Der Eisenbahnverkehr wird damit um zehn Millionen jährlich entlastet und mehr Grünstrom möglich gemacht.

Gleichzeitig wird auch die Energieabgabe auf europäisches Niveau gesenkt. Diese Maßnahme bringt dem Schienenverkehr eine Einsparung von 23 Millionen Euro. In Summe kann der öffentliche Verkehr so um 33 Millionen Euro entlastet werden, rechnet das Verkehrsministerium vor.

Ökosoziale Steuerreform: NoVA wird erhöht

Die türkis-Grüne Koalition hat gestern Abend im Nationalrat ein Gesetzespaket zur Ökologisierung des Steuersystems eingebracht. Der zentrale Punkt: Ab Juli nächsten Jahres soll etwa die Normverbrauchsabgabe – also die NoVA – für Autos, die viel Sprit verbrauchen, deutlich erhöht werden. Zudem sollen etwa Reparaturen billiger und Dienstfahrräder steuerlich begünstigt werden.

Maßnahmen gegen Tanktourismus

Auch gegen den Tanktourismus werden Maßnahmen gesetzt. Die Möglichkeit der Erstattung von Vorsteuerbeträgen, die auf den Bezug von Kraftstoffen entfallen, für Unternehmer aus Drittländern wird ausgeschlossen. Sie müssen damit in Zukunft jedenfalls die vollen 20 Prozent Umsatzsteuer auf Benzin und Diesel bezahlen. Damit wird für sie das Tanken in Österreich teurer, erklärte Gewessler.

„2021 wird mit Sicherheit ein Jahr des Klimaschutzes“, sagte Kogler und erinnerte daran, dass die „Klimakrise bleibt, sie ist da und sie geht nicht von alleine weg“. Die Kritik von NGOs, wonach noch mehr gegen die Klimaerwärmung geschehen müsste, fand die Zustimmung der Umweltministerin. Die präsentierten Maßnahmen seien ein Schritt, weitere werden folgen, so Gewessler.

Unverständnis bei Autoimporteuren

Die Reaktionen auf das Paket waren gemischt: Ärger herrscht bei den Automobilimporteuren. „Was jetzt passiert, ist der Versuch, Steuererhöhungen zu einem überraschenden Zeitpunkt inmitten des Lockdowns, ohne Begutachtung und ohne Einbindung der Automobilwirtschaft durchzubringen“, kritisiert Günther Kerle, Sprecher der österreichischen Automobilimporteure.

„Wir erkennen in dem nun vorliegenden Antrag auch keine wie bisher immer angekündigte Spreizung der NoVA nach ökologischen Gesichtspunkten, sondern nach Erstanalyse eine de facto Steuererhöhung quer über alle Fahrzeugklassen.“ Dass inmitten eines Lockdowns Maßnahmen „durch die Hintertür“ beschlossen würden, die noch einmal Verschärfungen bringen, und zwar für eine Branche, die ohnehin bereits am Boden liege, lasse an Sensibilität und Wertschätzung der Automobilwirtschaft gegenüber vermissen und sei für die Branche nicht nachvollziehbar, so Kerle.

ÖAMTC befürchtet Folgen für Familien

Die Verschärfungen würden fast alle Neuwagenkäufe betreffen, monierte ÖAMTC-Verkehrswirtschaftsexperte Martin Grasslober. „Familien werden jedoch besonders tief in die Tasche greifen müssen, weil sie größere und damit verbrauchsstärkere Autos benötigen“, so Grasslober.

Für den ARBÖ ist dieses Vorhaben „unverständlich, unfair und nicht sozial“. „Kaum ist die eine Änderung im Steuersystem umgesetzt, wird seitens der Bundesregierung einen Gang raufgeschaltet und die nächste Abgabenerhöhung für Autofahrer diskutiert“, kritisierte ARBÖ-Generalsekretär Gerald Kumnig.

Kritik von SPÖ und FPÖ

Auch SPÖ und FPÖ übten Kritik. Für FPÖ-Budgetsprecher Hubert Fuchs werden insbesondere Kraftfahrzeuge teurer, die von Kleingewerbetreibenden verwendet werden. „Dieses schwarz-grüne Vorhaben ist ein Angriff auf die vielen kleinen Unternehmer, die derzeit ohnehin durch die Covid-19-Krise und die bürokratischen Hilfsmaßnahmen an den Rand des Ruins getrieben werden“, sagte er. Steuerliche Erleichterungen beim Pendlerpauschale würden wiederum sehr überschaubar sein.

Zu wenig wiederum sieht die SPÖ in den Regierungsplänen. „Den immer wieder angekündigten großen Wurf in Sachen ökosoziale Steuerreform“ kann Budgetsprecher Jan Krainer nicht erkennen, wie er in einer Aussendung betonte. Es handle sich um Einzelmaßnahmen, „die auf den ersten Blick nicht unvernünftig aussehen“, aber: „Präsentiert wurden einige Mücken, aber zu erwarten war eine regelrechte Elefantenherde in Richtung Ökologisierung und Soziales.“

Rufe nach weiteren Maßnahmen

Die Umweltschutzorganisationen Global 2000, WWF und Verkehrsclub Österreich (VCÖ) bewerteten das Paket hingegen als „ersten Schritt, dem dringend weitere Maßnahmen und vor allem ein Gesamtkonzept der Bundesregierung folgen müssen“. Das gesamte Steuersystem müsse auf Klimaschutz und Energieeffizienz ausgerichtet werden, um die Klimaziele zu erreichen, fordern WWF, VCÖ und Global 2000.

Dafür brauche es nicht nur eine hartnäckige Umweltministerin, sondern vor allem auch vollen Einsatz von Bundeskanzler und Finanzminister, so Karl Schellmann (WWF), Johannes Wahlmüller (GLOBAL2000) und Michael Schwendinger (VCÖ) unisono.

Sie fordern insbesondere Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) dazu auf, konkrete Vorschläge für den Abbau umweltschädlicher Subventionen sowie ein wirksames CO2-Preis-Modell samt entlastendem Ökobonus vorzulegen. Positiv bewertet wird die Ankündigung einer stärkeren Ausrichtung der NoVa nach CO2-Kriterien.

Freude bei ÖBB

„Das ist ein erster wichtiger Schritt für mehr Fairness zwischen den Verkehrsträgern und stärkt die Wettbewerbsfähigkeit der Bahn“, so ÖBB-Chef Andreas Matthä in einer Stellungnahme gegenüber der APA. „Die Elektrizität, die wir aus acht eigenen Wasserkraftwerken gewinnen, ist eine wesentliche Säule unserer eigenen Energiegewinnung. Damit sichern wir nicht nur den Bahnbetrieb langfristig ab, sondern sorgen auch für umweltfreundliche Mobilität.“