Äthiopisches Militär will Hauptstadt von Tigray einkreisen

Äthiopische Streitkräfte wollen die Hauptstadt der abtrünnigen Region Tigray mit Panzern einschließen. Möglich sei auch ein Beschuss der 500.000 Einwohner zählenden Stadt Mekelle, um eine Kapitulation zu erzwingen, wie ein Militärsprecher heute erklärte. Er forderte die Zivilbevölkerung auf, sich in Sicherheit zu bringen. „Danach wird es keine Gnade mehr geben“, sagte er im staatlichen Rundfunk.

Die Volksbefreiungsfront von Tigray (TPLF) will ihre Herrschaft über die nördliche Region nicht freiwillig aufgeben. „Mekelle einzukreisen ist ihr Plan, aber sie konnten ihn noch nicht umsetzen“, schrieb TPLF-Chef Debretsion Gebremichael in einer SMS an die Nachrichtenagentur Reuters. „An der Südfront konnten sie sich mehr als eine Woche lang keinen Zentimeter bewegen.“

Streitkräfte rücken vor

Äthiopisches Militär hat eigenen Angaben zufolge eine Stadt unweit von Mekelle eingenommen. „Unsere Verteidigungskräfte haben die Kontrolle über die Stadt Idaga Hamus übernommen“, gab eine Sondereinheit über den Kurznachrichtendienst Twitter bekannt. „Die Verteidigungskräfte rücken vor, um Mekelle einzunehmen, was das Endziel der Operation ist“, hieß es. Angaben beider Konfliktparteien sind allerdings schwer zu überprüfen, da die Telefon- und Internetkommunikation seit Beginn der Kämpfe Anfang November ausgefallen ist.

Der äthiopische Ministerpräsident Abiy Ahmed – Friedensnobelpreisträger von 2019 – wirft TPLF vor, einen bewaffneten Aufstand angezettelt zu haben. Die Partei dagegen hält Abiy vor, er verfolge sie und vertreibe ihre Politiker von Regierungs- und Sicherheitsposten. Abiy hatte am 4. November erste Luftangriffe in Tigray angeordnet. Bei der Offensive kamen inzwischen Hunderte, wenn nicht Tausende Menschen ums Leben. Viele sind zudem auf der Flucht.

UNO rechnet mit 200.000 Flüchtlingen

Die Vereinten Nationen rechnen damit, dass bis zu 200.000 Menschen in Äthiopiens Nachbarland Sudan fliehen. Hilfsorganisationen warnen vor einer schweren Krise in Tigray, wo bereits vor dem jüngsten Konflikt viele von den rund fünf Millionen Einwohnern auf Nahrungsmittelhilfen angewiesen waren. Äthiopien hatte zuletzt ein Vermittlungsangebot der Afrikanischen Union (AU) ausgeschlagen. Die AU hatte drei frühere Staatspräsidenten des Kontinents zu Sondergesandten ernannt.