Amhara Milizen in Äthiopien
Reuters/Tiksa Negeri
Äthiopien

Ultimatum in eskalierendem Konflikt

Drei Wochen nachdem das äthiopische Militär eine Offensive gegen die abtrünnige Region Tigray gestartet hat, bahnt sich eine neue Eskalation des Konflikts an. Am Sonntag drohte die Armee mit einem Großangriff auf die Regionalhauptstadt von Tigray, Mek’ele, um die Aufständischen zur Kapitulation zu zwingen. Dazu stellte sie ein Ultimatum.

Die äthiopische Regierung rief die Anführer der in Tigray regierenden Volksbefreiungsfront TPLF dazu auf, sich binnen 72 Stunden friedlich zu ergeben. Andernfalls werde das Militär mit einer Offensive auf Mek’ele beginnen. „Ergreifen Sie diese letzte Gelegenheit“, so Ministerpräsident Abiy Ahmed in einer auf Twitter verbreiteten Erklärung. Er forderte zudem die Bevölkerung auf, „diese verräterische Gruppe zur Rechenschaft zu ziehen“.

Bereits zuvor hatte die Armee gedroht, die Stadt mit Panzern einzukesseln, auch ein Beschuss der Regionalhauptstadt war angedroht worden. Ein Militärsprecher forderte am Sonntag die rund 500.000 Einwohnerinnen und Einwohner dazu auf, sich in Sicherheit zu bringen. „Danach wird es keine Gnade mehr geben“, sagte er im staatlichen Rundfunk. Abiy erklärte, es seien alle notwendigen Vorkehrungen getroffen worden, um sicherzustellen, dass Zivilisten nicht zu Schaden kämen.

Armee: Mehrere Städte eingenommen

Die Regierungstruppen haben in den vergangenen Tagen nach eigenen Angaben mehrere Städte eingenommen, darunter die historisch bedeutsame Stadt Aksum und das 100 Kilometer nördlich von Mek’ele gelegene Edaga Hamus. Die TPLF betonte aber, dass man die Herrschaft über die Region nicht freiwillig aufgeben werde. TPLF-Chef Debretsion Gebremichael kündigte am Sonntag gegenüber AFP „erbitterte Kämpfe“ an, um die vorrückenden Regierungstruppen zu stoppen. Ein Angriff auf Mek’ele werde den Konflikt nicht stoppen, sagte er. „Solange die Besatzungstruppen in Tigray sind, werden die Kämpfe nicht aufhören.“ Er warf der Regierung zuletzt vor, Hochtechnologiewaffen wie Drohnen einzusetzen.

Äthiopiens Militär in der Nähe von Tigray
AP/Ethiopian News Agency
Die Armee verbreitete Bilder der Mobilisierung

Über die Lage in Tigray ist aktuell wenig bekannt, Internet- und Telefonverbindungen sind unterbrochen, laut dem UNO-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) sind Straßen blockiert und die Stromversorgung gekappt. Bekannt ist, was durch öffentliche Kanäle transportiert wird. Auf beiden Seiten soll es bereits Hunderte Tote gegeben haben, zudem gibt es Berichte von Massakern, Gefangennahmen und Vertreibungen. In den Sozialen Netzwerken verbreiteten sich zahlreiche gefälschte Bilder und fragwürdige Nachrichten.

Bereits Zehntausende auf der Flucht

Dem UNHCR zufolge trieb der Konflikt bereits etwa 33.000 Menschen zur Flucht in das Nachbarland Sudan. Die Zahl könnte demnach noch auf rund 200.000 steigen, dem Sudan droht damit Überforderung. Hilfsorganisationen warnen vor einer schweren Krise in Tigray, wo bereits vor dem jüngsten Konflikt viele von den rund fünf Millionen Einwohnern auf Nahrungsmittelhilfen angewiesen waren. Äthiopien hatte zuletzt ein Vermittlungsangebot der Afrikanischen Union (AU) ausgeschlagen. Die AU hatte drei frühere Staatspräsidenten des Kontinents zu Sondergesandten ernannt.

Flüchtlinge aus Tigray
Reuters/Mohamed Nureldin Abdallah

Der aktuelle Konflikt in der Region Tigray reicht weit in die Vergangenheit zurück. Die Minderheit der Tigrayer hatte über Jahrzehnte die Macht im Land kontrolliert, büßte aber seit Amtsantritt von Premierminister Abiy – einem Angehörigen der Bevölkerungsmehrheit Oromo – ihren Einfluss ein.

Als Abiy 2018 in Äthiopien an die Macht kam, brachte er Reformen auf den Weg, entfernte Funktionäre der alten Garde und gründete eine neue Partei, der die TPLF nicht beitrat. Sie fühlte sich von Anfang an von der Zentralregierung nicht vertreten, auch Autonomiewünsche wurden laut. Abiy, der im Vorjahr den Friedensnobelpreis für die Einigung mit Eritrea erhielt, konnte Äthiopien wirtschaftlich und politisch öffnen. Die ethnischen Unruhen in dem Vielvölkerstaat nahmen aber deutlich zu.