Gesundheitsminister Rudolf Anschober bei der Pressekonferenz
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Anschober

Nur „schrittweise“ aus dem Lockdown

Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) hat am Montag versucht, die Bevölkerung weiter zur Einhaltung der Regeln zu motivieren. Es gebe erste Tendenzen der Besserung, so Anschober sehr vorsichtig. Parallel wird an der Zeit danach gearbeitet: Klar ist, dass es ab 7. Dezember nur eine „schrittweise“ Öffnung geben wird. Eine Bedingung dafür ist, dass die Reproduktionszahl (R) bis dahin auf 0,9 oder darunter gedrückt werden kann.

Am Tag 21 des Teil-Lockdowns und Tag sieben des harten Lockdowns zog Anschober eine Zwischenbilanz, die allerdings noch wenig aussagekräftig ausfiel, denn der Effekt des harten Lockdowns schlägt sich in den Zahlen noch nicht nieder. Ein Lagebild, das erste Auswirkungen des harten Lockdowns abbildet, erwartet Anschober Ende der Woche.

Als zentrales Ziel des Lockdowns und auch als Bedingung für dessen Aufhebung nannte Anschober, dass die Reproduktionszahl auf 0,9 oder darunter, möglichst auf 0,8 gedrückt wird. R 1,0 bedeutet, dass eine Person hypothetisch eine weitere ansteckt. Liegt die Zahl darunter, sind es weniger als eine Person, was einem Rücklauf der Verbreitung gleichkommt. Derzeit liegt die von der AGES berechnete Reproduktionszahl bei 1,02.

„Sicher nicht ohne Begleitmaßnahmen“

Anschober sagte aber, er gehe vom Ende des Lockdowns am 6. Dezember aus. Mitspielen dürfte dabei, dass es, so betonte Anschober mehrmals, ja einen Nachzieheffekt des Lockdowns von bis zu 14 Tagen nach dem derzeit geplanten Auslaufen gebe. Die Vorweihnachtszeit werde aber „sicher nicht ohne Begleitmaßnahmen“ stattfinden, denn das wäre „sehr positiv für das Virus“. Derzeit werde ein Öffnungskonzept ausgearbeitet. Unklar ist ja, welche Teile des öffentlichen Lebens und der Wirtschaft dann wieder öffnen können – und unter welchen Bedingungen. Es gab lediglich ein Bekenntnis, Schulen als Erstes wieder zu öffnen.

Im Rahmen des Öffnungskonzepts werde auch überlegt, ob es einen traditionellen Nikolo heuer geben könne. Anschober zeigte sich eher skeptisch.

Eigenes Konzept für Ältere

Als wichtige Ecksteine dafür nannte der Gesundheitsminister ein spezielles Konzept für die Bevölkerung über 65 Jahren, den verstärkten Einsatz der „Stopp Corona“-App und das Contact-Tracing. Details, was das für ältere Personen bedeuten könnte, nannte Anschober nicht. Für das Contact-Tracing kündigte er eine „weitere deutliche“ Personalaufstockung an. Denn dieses sei ganz zentral und müsse funktionieren, auch wenn es einen starken Anstieg der Neuinfektionen gibt. Zuletzt hatten mehrere Bundesländer das Contact-Tracing zeitweise ausgesetzt, da sie überfordert waren.

„Nicht in dritten Lockdown stolpern“

Es werde jedenfalls „keine Öffnung wie vor der Pandemie“ geben. Es brauche Schutzmaßnahmen, „damit wir nicht mit großem Tempo über die Feiertage in einen dritten Lockdown hineinstolpern“, so Anschober. Ganz Europa denke derzeit darüber nach. Man wolle nun sicher „bis zur Impfung“ kommen. Das sei ein schrittweiser Prozess – und auch wenn es eine Impfung gebe, werde das Risiko nur schrittweise reduziert und nicht schlagartig verschwinden.

Anschober rechnet – die nötige Zulassung vorausgesetzt – damit, dass im Jänner in Österreich mit den Impfungen begonnen werden kann. Die Impfstrategie soll laut Anschober in den nächsten Tagen präsentiert werden. Sie sei sehr breit aufgestellt: Von Impfstationen über Impfungen in Betrieben bis zum Aufsuchen von Altersheimen gebe es hier eine breite Palette an Vorgehensweisen.

Keine Details zu Massentests

Außerdem sei es „die entscheidende Arbeitswoche“ für die Vorbereitung der Massentests. Auf die Frage, ob diese wie in Südtirol, das als Vorbild dient, an einem Wochenende durchgeführt werden, ging Anschober nicht ein. Jedenfalls müsse der Prozess (Anmeldung und Mitteilung des Testergebnisses, Anm.) so wie in Südtirol möglichst digital ablaufen. Die Einbeziehung der Regionen und der Gemeinden sei hier entscheidend.

Das Bundesheer soll Logistik und Organisation der Massentests übernehmen und befindet sich dafür in der Planungsphase. Es brauche dafür zudem einen entsprechenden Auftrag etwa vom Gesundheitsministerium. Zudem ist das Heer auch für die Beschaffung der Tests zuständig. Die ersten sieben Millionen Tests kosten 50 Millionen Euro. Das Geld wird vom Finanzministerium wieder refundiert.

Die „große Hoffnung“ bei den Massentests ist es laut Anschober, damit asymptomatische CoV-Positive „aus dem Kreislauf herausnehmen“ zu können. Ob all jene, die beim Schnelltest positiv sind, einen PCR-Test machen müssen, diese Frage beantwortete Anschober nicht eindeutig. Hier gebe es unterschiedliche Ansätze, auch die Weltgesundheitsorganisation überlege hier noch, wie das schnell und kostengünstig erfolgen könne.

Anschober: Zahlen weiter dramatisch hoch

Anschober betonte, die Zahlen seien weiter dramatisch hoch. Dennoch gebe es leichte Anzeichen einer Entspannung. Das sollte motivieren, die restlichen zwei Wochen des harten Lockdowns möglichst gut durchzuhalten, so Anschober.

Die Ministeriumszahlen

Anschober vermeldete auch die aktuellen Ministeriumszahlen: Bei 20.421 PCR-Tests wurden 3.145 positive Ergebnisse registriert. Die Zahl der Toten, die an oder mit Covid-19 verstarben, stieg um 71 auf 2.459. Die Hospitalisierungen stiegen um 90. Derzeit befinden sich damit 4.548 Menschen mit CoV im Spital, 685 (plus zwei) auf den Intensivstationen. Herwig Ostermann, Geschäftsführer von Gesundheit Österreich, prognostizierte für Mitte dieser Woche rund 5.000 Neuinfektionen pro Tag. Bei den Hospitalisierungen erwartet er keine rasche Entspannung. Er forderte, dass auch die Antigen-Tests in die Datenbasis eingespeist werden.

In den Alters- und Pflegeheimen gibt es bei den Bewohnerinnen und Bewohnern derzeit 2.748 registrierte aktive Fälle. Seit Sonntag wurden elf Verstorbene eingemeldet, die Gesamtzahl stieg damit auf 944. Bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gibt es 1.914 aktive Fälle (bei bisher null Todesfällen).

Kritik der Opposition

Scharfe Kritik gab es umgehend von allen drei Oppositionsparteien. SPÖ-Gesundheitssprecher Philip Kucher warf dem grünen Minister vor, weiterhin konkrete Vorgaben schuldig zu bleiben. Das gelte bei allen Fragen, ob dem flächendeckenden Schutz von Risikogruppen, einem funktionierenden Contact-Tracing oder der „überfälligen Impfstrategie“.

FPÖ-Parteichef Norbert Hofer warf Anschober vor, seit Beginn der Pandemie verabsäumt zu haben, die die Alters- und Pflegewohnheime „wirksam zu schützen“. Das aktuelle Konzept, „die Bewohner einfach einzusperren, ist abzulehnen“. Es führe zu schweren psychischen Schäden. Hofer sprach in einer Aussendung wörtlich von „staatlich verordneter Grausamkeit“.

NEOS-Gesundheitssprecher Gerald Loacker warf der Regierung ebenfalls vor, beim Schutz der Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeheimen versagt zu haben: „Wenn 944 von insgesamt 2.459 Covid-Todesopfern, also fast 40 Prozent aller Toten, aus Alters- und Pflegeheimen kommen, dann haben Bund und Länder die Alters- und Pflegeheime ganz offensichtlich nicht geschützt“, so Loacker.