Ein Büro mit vier Frauen vor Bildschirmen, sie tragen Mund-Nasen-Schutz und Headsets
ORF
Massentests

Wohl kein umfassendes Contact-Tracing

Viele Details zu den von Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) initiierten Massentests vor Weihnachten sind noch unklar. Ein wesentlicher Faktor für Sinnhaftigkeit und Erfolg wäre ein umfassendes Contact-Tracing im Umfeld der dann positiv Getesteten. Das dürfte aber nicht kommen, es fehlen schlicht die Kapazitäten. Das müsse man den Menschen ehrlich sagen, so SPÖ-Landeshauptmann Peter Kaiser.

Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) hatte noch am Montag bezüglich der Massentests betont, seine große Hoffnung sei es, damit asymptomatisch CoV-Positive „aus dem Kreislauf“ nehmen zu können. Dazu wäre zusätzlich die Verfolgung ihrer Kontakte wichtig, um den Pandemieverlauf eingrenzen zu können. Am Dienstag allerdings präzisierte er, dass bei den Massentests aus administrativen Gründen kein Contact-Tracing durchgeführt werden müsse. Es werde derzeit aber geprüft, was auch bei den Massentests bewältigbar ist: „Dort wo es machbar ist, wird es auch weiter durchgeführt werden.“

Nach der ersten diesbezüglichen Videogesprächsrunde der Länder mit der Bundesregierung Montagabend steht fest: Eine vollständige Kontaktverfolgung wird nicht angestrebt. Der Salzburger ÖVP-Gesundheitslandesrat Christian Stöckl zeigte sich zufrieden, dass die Kontaktverfolgung nicht verpflichtend sein soll.

„Soweit es möglich ist“

„Das Contact-Tracing werden wir – soweit es möglich ist – durchführen, aber es ist nicht verpflichtend, und das entlastet uns natürlich sehr in der Personalstruktur“, so Stöckl. Positiv Getestete werden somit nach einem zweiten Test – auch das dürfte ein Antigen-Test und nicht ein genauerer PCR-Test sein – in Quarantäne geschickt und ihre Kontakte nur fallweise nachverfolgt werden.

De facto werden damit die Regeln den Gegebenheiten angepasst, angesichts der kurzen Vorlaufzeit dürfte auch nicht viel anderes übrig bleiben. SPÖ-Landeshauptmann Kaiser sagte am Dienstag im Ö1-Morgenjournal, dass von der Machbarkeit her das Contact-Tracing „nur mehr peripher stattfinden wird können“. Dadurch werde freilich die „Containment-Strategie“, also die Eindämmung der Pandemie, relativiert.

In Kärnten werde man die derzeit 300 Personen, die Kontaktverfolgung betreiben, auf 400 aufstocken. Ob das reicht, hänge davon ab, wie viele positive Fälle bei den Massentests ermittelt werden. Sei es wie in Südtirol eine Rate von etwa einem Prozent, werde man in Kärnten nur bedingt durchkommen. Kaiser sagte: „Man muss den Mut zur Unvollkommenheit haben, es wird nicht gelingen, auch wenn es viele Bürgerinnen und Bürger erbost.“

Kontaktverfolger überlastet

Dabei ist die Kontaktverfolgung bereits jetzt überlastet. Laut CoV-Kommission lässt sich derzeit in nicht einnmal einem von fünf Fällen die Quelle der Infektion klären. In Oberösterreich und der Steiermark konnte zuletzt sogar nur in einem von zehn Fällen die Quelle eruiert werden.

Und der Druck auf die Kontaktverfolger dürfte mit den Massentests weiter steigen. Jedenfalls ist davon auszugehen, dass auf einen Schlag viele Positivfälle dazukommen. Im Gesundheitsministerium gibt es derzeit keine Antwort auf die Frage, mit welchem zusätzlichen Personalbedarf man rechnet und ob dieser erfüllt werden kann.

Weit unter idealem Mindestwert der WHO

Verwiesen wurde gegenüber Ö1 lediglich darauf, dass es für die Gesundheitsbehörden selbst keinen erhöhten Aufwand geben soll. Der soll durch die Mitarbeit des Bundesheeres, „weitere Digitalisierungsschritte“ und die Kontaktverfolgung durch die AGES abgefangen werden, wird versprochen. Derzeit sind österreichweit etwa 4.000 Personen im Contact-Tracing beschäftigt. Laut einem WHO-Onlinerechner brauchte Österreich zur lückenlosen Erfassung freilich mindestens 13.000 Kontaktverfolger.

Ruf nach Änderung der Absonderungsregeln

Ein ebenso wichtiges wie ungeklärtes Thema ist auch die Ausstellung der Absonderungsbescheide, mit denen positiv Getestete in Quarantäne geschickt werden. Hier plädierte Oberösterreichs ÖVP-Landeshauptmann Thomas Stelzer für eine rechtliche Änderung: Denn derzeit ist dafür ein positiver PCR-Test Voraussetzung. Im Gespräch ist nun, als Kontrolle nach einem positiven Ergebnis lediglich einen zweiten Schnelltest zu nehmen. Das müsse das Ministerium zunächst klären – und dann die rechtlichen Bestimmungen ändern. Das sei als Sicherheit für die Behörden und die Betroffenen – Stichwort Entgeltfortzahlung – wichtig – mehr dazu in ooe.ORF.at

Kaiser kritisiert „Vermarktung“

Kaiser kritisierte seinerseits, die Idee der Massentests sei tagelang vermarktet worden, bevor man in die Umsetzung gegangen sei und mit den Ländern gesprochen habe. Sein Verständnis sei genau umgekehrt: sich zuerst zusammensetzen, eine Maßnahme planen und sie dann verkünden. Der SPÖ-Politiker forderte zudem, dass Freiwilligkeit auch genau das bedeuten müsse. Wenn man etwa für Lehrerinnen und Lehrer, die sich nicht testen lassen, eine Maskenpflicht vorsehe, müsse das klar und nicht unter Freiwilligkeit kommuniziert werden.

Faßmann: Nur sinnvoll, wenn sich möglichst viele beteiligen

Unklar ist, ob sich Kaiser damit auf einen Brief von ÖVP-Bildungsminister Heinz Faßmann an die Lehrerinnen und Lehrer bezog, in dem dieser für die Teilnahme an den für sie am 5. und 6. Dezember geplanten CoV-Massentests wirbt. Das freiwillige Testangebot werde auch von der Lehrergewerkschaft unterstützt, so der Minister. Es habe aber „nur Sinn, wenn sich möglichst viele daran beteiligen“, hieß es in dem Schreiben.

Rechtlich ist die Lage für den Verfassungsjuristen Heinz Mayer klar: Auch Beamte und öffentlich Bedienstete können nicht verpflichtet werden, bei einer freiwilligen Aktion mitzumachen. Im Fall des Falles könnten aber etwa Schuldirektoren über Überstunden- und Klassenzuteilung einen gewissen Druck ausüben. Laut Mayer könnten gewisse Berufsgruppen auch per gesetzliche Regelung zu einer Impfung verpflichtet werden. Nach derzeitigem Wissensstand gilt freilich für die gesamte Bevölkerung das Freiwilligkeitsprinzip. Das Bildungministerium betonte am Dienstag ausdrücklich, die Tests würden für die Lehrerschaft freiwillig sein.

Kurz: „Massentests und Impfungen entscheidende Faktoren“

Kurz hatte Montagabend nach den Gesprächen erneut für die Massentests geworben: „Auf dem Weg zurück zur Normalität sind in den kommenden Wochen und Monaten Massentests und Impfungen die zwei entscheidenden Faktoren“, hieß es in einer schriftlichen Stellungnahme. Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) warb für eine enge Zusammenarbeit und umfassende Digitalisierungsschritte.

In den einzelnen Ländern läuft nun die Planung für die Massentests voll an. Dort gibt es Koordinationssitzungen mit allen involvierten Behörden, Organisationen und Verbänden. Auch österreichweit gibt es laufend weitere Beratungen und Abstimmungen.