Leere Liegestühle in den italienischen Dolomiten
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Skifahren und Weihnachten

Viel Gegenwind für Contes Vorstoß

Geht es nach Italiens Regierungschef Giuseppe Conte, wird es heuer ein Weihnachten ohne Umarmungen und rauschende Feste – und auch ohne Skifahren geben. Konkret strebt Italien mit Abstimmung der Nachbarländer einen gemeinsamen Fahrplan zur Öffnung der Skigebiete an. Während Conte am Dienstag das Thema auch mit EU-Kommissionspräsident Ursula von der Leyen erörterte, zeigt man sich in Österreich über den Vorstoß aus Rom wenig erfreut.

„Es ist nicht möglich, einen Winterurlaub zuzulassen, wir können uns das nicht leisten“, sagte Conte im Interview mit dem Fernsehsender La7. Conte schwebt ein grenzüberschreitender Pakt vor, wonach Skigebiete frühestens ab 10. Jänner schrittweise öffnen sollen. Erklärtes Ziel sei es, eine weitere Coronavirus-Welle zu verhindern. „Ferragosto dürfe sich nicht wiederholen“, sagte Conte nach Angaben der Zeitung „Corriere della Sera“ dazu. Zur Erinnerung: So wie in vielen anderen Ländern hat auch Italien in der sommerlichen Haupturlaubszeit die CoV-Maßnahmen gelockert und war in der Folge mit wieder deutlich steigenden Infektionszahlen konfrontiert.

„Wenn Italien Skiurlaube verbietet, aber die Skianlagen in Österreich, Frankreich oder in der Schweiz offen sind, wird das Problem nicht gelöst“, sagte der Generaldirektor des Gesundheitsministeriums, Gianni Rezza, bei einer Pressekonferenz am Dienstag in Rom. Der Präsident des Obersten Gesundheitsrats in Italien, Franco Locatelli, meinte, angesichts der hohen Zahl von Todesfällen und Ansteckungen in Italien sei eine Öffnung der Skianlagen nicht möglich. Der Experte sprach sich für ein europaweites Skiverbot aus.

Telefonat mit Macron, Merkel und Kurz

Auf der Suche nach einer gemeinsamen Vorgangsweise habe Conte bereits mit Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron, der deutschen Kanzlerin Angela Merkel, aber auch mit Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) telefoniert, wie die Zeitung „La Repubblica“ dazu am Dienstag berichtete. Am Dienstag sprach Conte auch mit EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen über die Anti-Covid-19-Auflagen, die während der Weihnachtszeit ergriffen werden sollen. Conte bezeichnete das Gespräch, bei dem es ebenfalls um das von ihm angestoßene europaweite Skiurlaubsverbot gegangen sei, als konstruktiv.

Einigkeit herrscht unter den Regierungschefs Medienberichten zufolge darüber, dass unkoordinierte und zu schnelle Öffnungen wie im Sommer ein Fehler wären. Das italienische Gesundheitsministerium meldete am Dienstagabend unterdessen 23.232 neu registrierte CoV- und 853 Todesfälle innerhalb von 24 Stunden. Am Vortag waren es 22.930 Neuinfektionen und 630 im Zusammenhang mit einer CoV-Infektion stehende Tote.

Conte will Skiurlaub untersagen

Italiens Premier Conte will das Skifahren in den Weihnachtsferien verbieten lassen.

Macron abwartend, Zuspruch aus Bayern

Die weitere Vorgangsweise hänge gleichzeitig aber wieder von der Coronavirus-Entwicklung in den einzelnen Ländern ab – ob es tatsächlich zu der angedachten „Koordinierungsrichtlinie“ und damit einer gemeinsamen Vorgangsweise kommt, bleibt somit mehr als fraglich. Französische Wintersportorte könnten jedenfalls erst Ende des Jahres wieder aufsperren, sagte Macron Dienstagabend.

„Die Regierung hat Gespräche mit der Industrie geführt, aber es scheint unmöglich, eine Wiedereröffnung für die Feierlichkeiten zum Jahresende in Betracht zu ziehen“, sagte Macron und fügte hinzu, dass eine Wiedereröffnung im Jänner unter guten Bedingungen und in Abstimmung mit anderen europäischen Ländern durchzuführen wäre.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) unterstützte den italienischen Vorstoß. „Wenn wir Grenzen offen halten wollen, brauchen wir auch eine klare Übereinkunft, was das Skifahren betrifft. Ansonsten wird es eine schwierige Entwicklung“, sagte er am Dienstag in München. Wer in Risikogebieten Ski fahren gehe, müsse zehn Tage in Quarantäne. „Mir wäre lieber, wir würden ein einheitliches Übereinkommen auf europäischer Ebene haben: keine Skilifte offen überall beziehungsweise kein Urlaub überall.“

„Winterurlaub wird sicher sein“

Dem italienischen Vorstoß „nichts abgewinnen“ kann Tourismusministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP). „Winterurlaub in Österreich wird sicher sein. Unsere Betriebe haben bereits umfassende Sicherheitskonzepte für den Skiurlaub, Apres-Ski wird es beispielsweise heuer nicht geben“.

So wie Köstinger forderte auch Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) umgehend Geld aus Brüssel, sollte es dennoch zu einem Skiverbot zu Weihnachten kommen. Voraussetzung für eine Debatte über die Schließung von Skigebieten wäre, dass die EU die Kosten dafür übernimmt, sagte Blümel: „Wenn die EU tatsächlich vorgibt, dass die Skigebiete geschlossen bleiben müssen, dann bedeutet das Kosten von bis zu zwei Milliarden Euro. Wenn die EU das wirklich will, dann muss sie dafür auch bezahlen.“

Abwartend äußerte sich das Gesundheitsministerium. „Unser gemeinsames Ziel ist es, in den kommenden Tagen und Wochen die Infektionszahlen und damit die Anzahl der Hospitalisierungen sowie die Auslastung der Intensivbetten drastisch zu senken. Gelingt uns das, folgt die schrittweise Öffnung, die durch umfassende Schutzmaßnahmen begleitet sein wird“.

„Aufsperren“ als Zielvorgabe

Zuvor wollten bereits Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer und dessen Tiroler Amtskollege Günter Platter (ÖVP) eine Öffnung der Skigebiete vor Weihnachten weiter nicht abschreiben. „Aufsperren“ bleibe das Ziel, wie Platter dazu sagte – mehr dazu in tirol.ORF.at. „Bei einer Inzidenzzahl von mehr als 100 macht es keinen Sinn, wesentliche Lockerung herbeizuführen“, sagte Haslauer, der aber Anzeichen für eine Entkrampfung der Situation ortet – mehr dazu in salzburg.ORF.at.

Wirtschaftskammer-Präsident Mahrer: „Keine Denkverbote“

In der aktuellen Krise dürfe es keine Denkverbote geben, auch eine Sonntagsöffnung der Geschäfte im Advent sei ein diskutabler Vorschlag, sagte Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer.

Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer (ÖVP) verwies in der ZIB2 am Montagabend darauf, dass zwar alles getan werden müsse, um keine dritte Welle der Pandemie zuzulassen, aber zugleich sei der Wintertourismus eine „ganze besondere Einkommensquelle der Betriebe und damit auch der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“.

Österreich habe „im Sommer gezeigt, dass der österreichische Tourismus das perfekt kann mit den richtigen Präventionskonzepten“. Nur wenn Virologen sagen würden, dass es nicht geht, „dann wird man sich zusammensetzen müssen und sagen müssen, ab wann kann denn das vernünftig gehen“. Ein wichtiger Faktor ist Mahrer zufolge aber auch die Frage der Reisewarnungen: Ohne ausländische Gäste wird es vielerorts demnach wohl nicht gehen.

Heftiger Widerstand auch innerhalb von Italien

Die Regierungspläne bezüglich einer möglichen Schließung der Skipisten über die Weihnachtszeit als Maßnahme gegen die Pandemie stoßen indes auch innerhalb von Italien auf heftigen Widerstand. Sechs norditalienische Regionen, darunter Trentino-Südtirol und Friaul-Julisch Venetien, appellierten an die Regierung an Rom, auf die Pläne zu verzichten.

Die Gefahr sei, dass die Wirtschaft in den Berggebieten in eine noch tiefere Krise stürze. Der Südtiroler Landeshauptmann Arno Kompatscher forderte ein Treffen mit der Regierung, um die Problematik der Skisaison zu diskutieren. „Unsere Experten haben ein Dokument mit Vorschriften entworfen, die den normalen Beginn der Skisaison in voller Sicherheit ermöglichen“, sagte der Präsident Venetiens, Luca Zaia, im Interview mit dem „Corriere della Sera“.

„In Österreich ist die Ansteckung höher als in Italien“

„Österreich will seine Skipisten öffnen und behauptet, man kann in Sicherheit Ski fahren. In Österreich ist der Prozentsatz der Ansteckungen höher als in Italien. Warum kann man in Österreich sicher Ski fahren und in Italien nicht?“, fragte die Chefin der Rechtspartei Fratelli d’Italia (Dt.: Brüder Italiens), Giorgia Meloni. Laut Meloni wird es zu keinem europaweiten Skiverbot kommen, wie es die italienische Regierung fordert. „Es hat keinen Sinn, die Skipisten in Italien geschlossen zu halten, wenn diese im Rest Europas offen sind“, so Meloni im Interview mit dem TV-Sender Rete 4 am Dienstagabend.

Ähnlich sieht die Lage der Chef der rechten Lega, Matteo Salvini. „Entweder alle Skipisten in Europa bleiben geschlossen, oder Italien kann nicht allein auf Winterurlaub verzichten. Skifahren ist kein Hobby für Reiche, sondern ein Wirtschaftssektor, der 20 Mrd. Euro bewegt und von dem unzählige Jobs abhängen“, meinte Salvini auf Instagram. Wenn es die Infektionszahlen erlauben würden und die Skipistenbetreiber sichere Bedingungen garantieren könnten, gebe es keinen Grund, Winterurlaub zu verbieten, sagte Salvini.

„Haben eine kritische Position“

So wie Venetien hält auch die Region Friaul-Julisch Venetien – noch – an ihren bisherigen Plänen fest und will die Skigebiete am 18. Dezember und somit noch vor Weihnachten öffnen. Das ging aus einer grenzüberschreitenden Videokonferenz zwischen Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) mit Vertretern der beiden italienischen Regionen hervor.

„Wir haben alle eine kritische Position gegenüber dieser Forderung eines europäischen Skiverbots, und ich begrüße diesen Vorstoß des italienischen Premiers nicht“, wie Kaiser in der Aussendung dazu weiter anmerkte. „Bewegung in freier Natur muss möglich sein. Wir wollen den Wintertourismus ermöglichen – natürlich mit den notwendigen Hygienemaßnahmen und entsprechend strengen Sicherheitskonzepten.“

„Können nicht Österreich unsere Touristen schenken“

Angeheizt wird die Debatte auch mit Blick auf die benachbarte Schweiz. Eine Schließung der dort bereits geöffneten Skigebiete zeichne sich laut „Corriere“ derzeit nicht ab – vielmehr sei eine Lockerung der derzeitigen Reisewarnung denkbar, womit etwa die Skigebiete Verbier, Crans-Montana, Andermatt, Davos und Zermatt für die benachbarte Lombardei wieder offen stünden. Und sollten die Schweiz und Österreich Contes Aufruf folgen, könnte Slowenien möglicherweise auf eine wohl beispiellose Weihnachtssaison hoffen – vorausgesetzt, dass Skigebiete wie Kranskja Gora tatsächlich noch im Dezember öffnen.

Sollte Italien einseitig das Skifahren zu Weihnachten verbieten, würde das nur dazu führen, dass die Urlauberinnen und Urlauber in andere Länder ausweichen, heißt es dazu beim italienischen Hotelierverband. „So schenken wir unseren Nachbarländern wie Österreich, der Schweiz und Frankreich Touristen, während wir geschlossen bleiben müssen“, sagte Verbandspräsident Bernabo Bocca gegenüber der Nachrichtenagentur ANSA.