Menschen mit Mund-Nasen-Schutz auf einer weihnachlich dekorierten Straße in Berlin
Reutere/Fabrizio Bensch
CoV-Weihnachtsregeln

Deutschland prescht vor

Während andere Länder – darunter auch Österreich – noch abwartend Richtung Weihnachten blicken, haben die deutschen Bundesländer am Dienstag ihre Maßnahmen für die Feiertage inklusive Silvester festgezurrt. Vorgesehen ist quasi eine „Ausnahmephase“ zwischen dem 23. Dezember und dem 1. Jänner. Die Regeln müssen noch am Mittwoch mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) abgestimmt werden – doch Bedenken gab es bereits im Vorfeld.

Die Pläne der Länderchefs sehen nämlich durchaus großzügige Lockerungen vor. Konkret sollen in besagtem Zeitraum Treffen von maximal zehn Personen möglich sein, auch wenn diese aus verschiedenen Haushalten kommen. Kinder bis 14 Jahren sind davon ausgenommen, theoretisch können also große Gruppen zusammenkommen. Zudem raten die Länder zur Selbstquarantäne vor Weihnachten. Sie empfehlen dazu ein Vorziehen der Weihnachtsferien auf den 19. Dezember. Zudem sollen Betriebe prüfen, ob Betriebsferien bzw. Homeoffice rund um Weihnachten möglich seien.

Mit dem langen Zeitraum würde Deutschland auch größere Silvesterfeiern ermöglichen. Der Abmachung zufolge sollen auch Feuerwerke auf öffentlichen Plätzen untersagt werden, um größere Gruppenbildungen zu vermeiden. Ein Verkaufsverbot für Silvesterraketen soll es aber nicht geben. Allerdings wird eine Empfehlung an Privatleute ausgesprochen, auf das Schießen von Raketen heuer zu verzichten.

„Vorarbeit“ mit teilweise schärferen Regeln

In der Zeit bis unmittelbar vor Weihnachten sollen dafür die Kontaktregeln weiter verschärft werden. Bis zum 20. Dezember sollen nur noch Kontakte zwischen zwei Haushalten und fünf Personen erlaubt sein. Der aktuelle Teil-Lockdown soll weiter gelten. Verschärfungen soll es bei der Maskenpflicht geben. Zudem wollen die Länder, dass bei einer Inzidenz von „deutlich“ unter 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner Lockerungen möglich sind.

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel
AP/Hannibal Hanschke
Die Vorhaben der Länder müssen am Mittwoch noch mit Merkel abgestimmt werden

Deutschland gehört mit dem Paket zu den ersten Staaten, die sich Richtung Weihnachten festlegen wollen – und könnte damit auch zum Vorbild für andere Länder werden. Doch reibungslos ist die Festlegung auch im Nachbarland nicht verlaufen. Ein Bund-Länder-Treffen zu Beginn der vergangenen Woche hatte eine Entscheidung für oder gegen schärfere Maßnahmen vertagt, stattdessen hatte es nur einen Appell an die Bevölkerung zur Kontaktreduktion gegeben. Merkel hatte vergangene Woche angekündigt, man wolle eine längerfristige Strategie präsentieren.

Für Streit hatte vergangene Woche vor allem der Umgang mit den Schulen gesorgt. Während der Bund Maskenpflicht für alle Schülerinnen und Schüler vorgeschlagen hatte, lehnten die Länder das ab. Die Pflicht soll nun am Infektionsgeschehen hängen. Auch Schichtbetrieb in den Schulen wollen die Länder nicht zur Pflicht machen. Die Schulen und Kindergärten sollen jedenfalls offen gehalten werden.

Teil-Lockdown: Bisher nur mäßige Resultate

Die entscheidende Frage für die deutschen Weihnachtspläne wird nun sein, ob es gelingt, mit den geplanten Maßnahmen die Zahl der Neuinfektionen ausreichend einzudämmen. Denn der seit Anfang November gültige Teil-Lockdown konnte zwar ein rasantes Ansteigen der Fallzahlen bremsen, danach pendelten sich die Zahlen laut dem Robert-Koch-Instituts (RKI) aber ein statt zu fallen.

Die 7-Tage-Inzidenz – die Zahl der Neuinfektionen pro Woche und 100.000 Einwohner – lag dem RKI zufolge am Montag bei rund 140 und damit auf demselben Niveau wie in den vergangenen zwei Wochen. Auch bei der Reproduktionszahl zeichnet sich keine Trendwende ab. Das angepeilte Ziel einer 7-Tage-Inzidenz von unter 50 liegt damit auch für Deutschland in weiter Ferne. Zur Orientierung: In Österreich lag die 7-Tage-Inzidenz am Dienstag bei 432.

Das „7-Tage-R“ lag laut dem RKI-Lagebericht von Montagabend bei 0,97 (Vortag: 1,03). Das bedeutet, dass im Durchschnitt 100 Personen, die mit SARS-CoV-2 infiziert sind, 97 weitere Menschen anstecken. Der Wert bildet jeweils das Infektionsgeschehen vor acht bis 16 Tagen ab. Liegt er für längere Zeit unter 1, flaut das Infektionsgeschehen ab.

Bedenken wegen „falschem Signal“

Kritik gibt es jedenfalls bereits: Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) sah das „falsche Signal“, das Virus sei auch zu Weihnachten nicht weniger ansteckend. Teile der CDU sowie der baden-württembergische Regierungschef Winfried Kretschmann (Grüne) wollten die Sonderregeln nur für Weihnachten, nicht aber zu Silvester akzeptieren.

Die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Katrin Göring-Eckardt, warnte indes vor zu viel Mobilität und zu einer lockeren Auslegung. Weder seien Treffen mit zehn Personen an zehn Tagen, noch Reisen quer durchs Land angebracht. Auch Bayerns Landeschef Markus Söder (CSU) hält die mögliche Gruppengröße noch für diskutabel und plädiert für weitere Nachschärfungen. Diese will offenbar auch Merkel: Sie fordert laut Insidern weitere Kontaktbeschränkungen und eine Zwischenevaluierung Mitte Dezember.

Ausnahmeregeln auch in Großbritannien

Neben Deutschland hat auch Großbritannien bereits Lockerungen für Weihnachten angekündigt. Über die Feiertage soll es drei Haushalten erlaubt sein, eine „Christmas Bubble“ („Weihnachtsblase“) zu bilden und sich miteinander zu treffen, wie die britische Regierung mitteilte. Das gilt nicht nur für England, sondern auch Schottland, Wales und Nordirland, die normalerweise ihre eigenen CoV-Beschränkungen machen. Zudem kündigte Johnson an, mit dem 3. Dezember den aktuell geltenden Teil-Lockdown zu beenden. Stattdessen soll wieder ein regionales Stufensystem gelten, in dem Maßnahmen je nach Infektionsgeschehen verhängt werden.

Großbritannien lockert Maßnahmen

Großbritannien will jetzt einige Coronavirus-Maßnahmen wieder lockern. So soll die Quarantäne mit einem negativen Test verkürzt werden.

Erste Lockerungen in Frankreich

In Italien prüft die Regierung von Giuseppe Conte diese Woche, welche Maßnahmen zu Weihnachten gelten sollen. Conte schwor die Bevölkerungen aber bereits auf umfassende Auflagen ein. Ansonsten drohe die Gefahr, dass sich die Ansteckungen wie bereits in der Sommerzeit vermehren. Im Raum stand am Montag unter anderem ein Skiverbot.

Angesichts der verbesserten CoV-Lage im Land kündigte auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron indes erste Lockerungen der strengen Beschränkungen im Land an. „Der Höhepunkt der zweiten Welle ist vorbei“, sagte Macron am Dienstagabend. Einzelhandelsgeschäfte, die bisher geschlossen waren, könnten von diesem Wochenende an wieder öffnen, sagte der 42-Jährige. Bars und Restaurants sollen aber bis 20. Jänner geschlossen bleiben. Die bisher restriktiven Ausgangsbeschränkungen könnten am 15. Dezember gelockert werden – an ihre Stelle soll allerdings eine nächtliche Ausgangssperre treten.

Offen ist die Frage nach Weihnachtsregeln auch noch in Österreich, aktuell liegt das Augenmerk auf dem Ende des aktuellen Lockdowns und den direkt anschließenden Massentests, die dem ab 5. und 6. Dezember losgehen sollen. Viel hängt dabei nach wie vor am Infektionsgeschehen, wie auch Vizekanzler Werner Kogler am Wochenende in der ORF-„Pressestunde“ sagte. In dem Gespräch wollte er keine Lockerungen nach dem aktuellen Lockdown versprechen.

WHO warnt vor Weihnachtslockerungen

Eine Warnung vor Lockerungen für Weihnachten sprach jedenfalls die Weltgesundheitsorganisation (WHO) aus: „Wenn sich Menschen untereinander anstecken und wenn ein Land nicht die nötige Infrastruktur hat, um Fälle zu verfolgen und Kontakte zu isolieren und in Quarantäne zu schicken, dann wird eine Lockerung zu stärkeren Ansteckungen führen“, sagte WHO-Nothilfekoordinator Mike Ryan.