Studenten während einer Vorlesung
ORF.at/Peter Pfeiffer
Mindeststudienleistung

Unmut über Änderungen an Unis

Im Zuge der Novelle des Universitätsgesetzes haben sich ÖVP und Grüne auf die Einführung einer Mindeststudienleistung geeinigt. Zukünftig sollen innerhalb der ersten zwei Jahre 24 ECTS-Punkte erbracht werden müssen. Die Österreichische HochschülerInnenschaft (ÖH) Uni Wien übt scharfe Kritik und spricht von einer „unhaltbaren Zumutung“. Doch das ist nicht die einzige Neuerung, die auf Unmut stößt.

Ende Oktober wurden erstmals die Pläne für eine Mindeststudienleistung publik. Zunächst war vorgesehen, dass Studienanfänger jährlich 16 ECTS-Punkte absolvieren müssen, bis sie insgesamt 100 erreicht haben. Nun berichtete der „Standard“ (Onlineausgabe), dass die Mindeststudienleistung von 24 ECTS-Punkten in vier Semestern ab dem Wintersemester 2021 für neu zugelassene Studierende gelte.

Schafft man das nicht, erlischt die Zulassung für dieses Studium. Die Regelung soll für Bachelor- sowie Diplomstudien gelten. Im Bildungsministerium bestätigte man am Mittwoch auf APA-Anfrage diese Regelung. Am konkreten Entwurf der Novelle zum Universitätsgesetz (UG) werde aber noch gearbeitet, hieß es weiter. „Diese ist noch in finaler Abstimmung.“ Die Novelle soll in dieser oder in der kommenden Woche in Begutachtung gehen.

Beginn einer Lehrveranstaltung der WU-Wien im Austria Center Vienna
APA/Roland Schlager
Die Pandemie habe bereits zahlreiche negative Auswirkungen auf Studierende, die Neuerungen seien daher mehr als nur unpassend, so die ÖH

ÖH Uni Wien: „Ein Hohn für die Studierenden“

Auf Unverständnis stößt die Einführung einer Mindeststudienleistung bei der ÖH Uni Wien, würde sie Studierende doch mit „unnötigem Effizienzdruck“ belasten. Vor allem für berufstätige Studierende, Studierende mit Betreuungspflichten oder Doppelstudium wie auch für Studienanfänger sei das eine „unhaltbare Zumutung“. Personen, die es also ohnehin bereits schwer an der Universität hätten, würden dadurch vermehrt vom Studieren ausgeschlossen.

ECTS-Vorgaben

Die Studienpläne sind so konzipiert, dass mit 60 absolvierten ECTS-Punkten pro Studienjahr das jeweilige Studium in Mindeststudienzeit abgeschlossen wird. Für den Abschluss eines Bachelor-Studiums sind 180 Punkte nötig.

Auch der Zeitpunkt der Einführung sei nicht nachvollziehbar, mitten in der Pandemie, wo „zahlreiche Studierende im Regen stehen gelassen werden, weil Lehrveranstaltungen unzureichend an das Onlineformat angepasst werden, Studierende ihre Jobs verlieren oder psychisch von der Krise belastet sind“. Die geplanten Änderungen seien daher „ein Hohn für die Studierenden“.

Alles solle immer schneller und effizienter werden, so die Studierendenvertretung in Wien, die zudem kritisiert, dass Studierende auf ihre „Rolle als humanes Wissenskapital reduziert“ würden und Unis zu „Wissensproduktionsfabriken“ würden. Die Regierung müsse Studienhürden abschaffen, anstatt neue zu schaffen. Ohnehin fordere man einen freien Hochschulzugang für alle.

Kleiner Erfolg für GRAS und AG, Kritik von VSStÖ

Gleichzeitig werteten es sowohl die ÖH-Vorsitzende Sabine Hanger von der ÖVP-nahen AktionsGemeinschaft (AG) als auch die Vertreterin der Grünen und Alternativen StudentInnen (GRAS), Keya Baier, als eigenen Erfolg, dass die geforderte Mindeststudienleistung im Vergleich zu Ende Oktober bekanntgewordenen Plänen verringert wurde.

Das zeige, dass ihre Bedenken vor allem in Bezug auf Studenten mit Doppelbelastung ernst genommen worden seien, so ÖH-Vorsitzende Hanger. Baier betonte außerdem, dass andere ursprünglich angedachte Maßnahmen wie eine Verringerung der Prüfungsantritte oder eine Beschränkung der gleichzeitigen Studieneinschreibungen nun doch nicht im UG zu finden seien. Alles in allem zeigt sich die GRAS jedoch enttäuscht über die verpasste Chance, das Studienrecht an die aktuelle Lebensrealität von Studierenden anzupassen.

Für den Verband Sozialistischer StudentInnen (VSStÖ) bleibt hingegen auch die verringerte Mindeststudienleistung ein Zeichen der „Ignoranz“ von ÖVP-Bildungsminister Heinz Faßmann und der Regierung. „Wer erwachsene Menschen, die sich in der höchsten Bildungseinrichtung des österreichischen Bildungssystems befinden, zu einer verpflichtenden Mindestleistung zwingen will, zeigt damit eine Law-and-Order-Mentalität gegen Studierende, die der österreichischen Hochschulpolitik unwürdig ist“, wird die Vorsitzende Dora Jandl in einer Aussendung zitiert.

Neues Verfahren bei Wiederbestellung von Rektoren

Zudem berichtete der „Standard“ am Dienstag, dass es auch eine Änderung bei der ersten Wiederbestellung von Rektoren geben werde. So soll es bei der ersten Verlängerung künftig nur noch eine Zweidrittelmehrheit im Universitätsrat und nicht mehr – wie bisher – auch im Senat benötigen.

Zum Senat zählen neben neun Professoren und Professorinnen, vier Dozenten und Dozentinnen sowie wissenschaftlichen Mitarbeitenden und einer Person aus dem allgemeinen Unipersonal auch vier Studierendenvertreterinnen und -vertreter. „Um bei einer Wiederwahl die Zweidrittelmehrheit im Senat zu bekommen, muss ein Rektor derzeit also die Interessen verschiedenster Gruppen berücksichtigen“, schreibt der „Standard.“

Politischer Einfluss?

Der Universitätsrat hingegen wird zwar zur Hälfte vom Senat beschickt, zur anderen Hälfte aber auch von der Bundesregierung. Kritiker sprechen daher von einer „Entdemokratisierung von Universitäten“. Die ÖH bemängelt, dass Studierende, die bereits jetzt „wenig zu melden haben“, dadurch noch weniger Mitspracherecht hätten.

Kunstuni-Rektoren orten unterdessen eine Vergrößerung der Möglichkeit eines direkten politischen Einflusses auf die Unis. Ähnlich äußerte sich Thomas König, Experte für Hochschulgovernance beim Institut für Höhere Studien (IHS) gegenüber dem „Standard“: Die Erwartung des Ministeriums sei offenbar, dass die Rektoren mehr „Reformeifer“ in ihren Einrichtungen entwickeln können.

„Bildung brennt“: Neue Protestbewegung

Unterdessen formierte sich sogar eine eigene Protestbewegung, die sich gegen die UG-Novelle richtet. Unter der Parole „Bildung brennt“ protestieren Studierende und Lehrende gegen die geplanten Änderungen der Regierung. Kritisiert wird neben der Mindeststudienleistung etwa auch, dass Rektorate künftig Mitbestimmungsrechte bei der Gestaltung von Studienplänen bekommen sollen.

So heißt es in einem offenen Brief: „Mit Vehemenz lehnen wir die geplante Schwächung der Senate in jeglichen Belangen ab!“ Die mögliche Einflussnahme der Politik auf universitäre Strukturen gefährde die Freiheit der Wissenschaften, und die geplante Restrukturierung des Universitätsgesetzes treibe somit die Neoliberalisierung von Bildung voran.

Die grüne Wissenschaftssprecherin Eva Blimlinger sieht in der neuen Kompetenz der Rektorate hingegen einen „Schutz für die Studierenden vor ungerechten ECTS-Zuordnungen“, wie sie gegenüber dem „Standard“ sagte. Die inhaltliche Gestaltung der Curricula werde weiterhin in der Hand des Senats bleiben.