Skifahrer steigen aus Sessellift
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Streit über Skisaison

Druck auf Österreich steigt

Noch im September hatte es von Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) geheißen, dass auf Ebene der Tourismus- und Gesundheitsminister aus Frankreich, der Schweiz und Italien ein Konzept für den Wintertourismus abgestimmt und koordiniert werde. Davon ist nun keine Rede mehr. Insbesondere von Deutschland und Italien steigt der Druck auf Österreich, zumindest bis 10. Jänner auf die Skisaison ganz zu verzichten.

Österreich will davon nichts wissen, und auch die Schweiz hält an einer baldigen Eröffnung der Skisaison fest. Es sei im Spätsommer im Kreis der Alpenländer informell über eine europaweit koordinierte Saisoneröffnung diskutiert und diese als ungeeignet nicht weiterverfolgt worden, hieß es bei Schweiz Tourismus gegenüber dem „Tagesanzeiger“. Dieser Ansatz werde keinen Erfolg mehr haben, entsprechend gehe die Schweiz daher ihren eigenen Weg.

Noch nicht ganz entschieden hat offenbar die slowenische Regierung. Am Mittwoch hieß es in der slowenischen Nachrichtenagentur STA, dass das Wirtschaftsministerium zur Frage der Skigebietsschließungen auf Empfehlungen der EU-Kommission warte.

Menschen steigen aus Skibus
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Deutschland und Italien sorgen sich um dicht an dicht gedrängte Menschen bei den Skiliften

EU will sich nicht einmischen

Diese Empfehlungen werden vermutlich aber gar nicht kommen. Am Donnerstag erteilte EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides einem europaweiten Skiverbot über die Weihnachtszeit eine Absage. „Es gibt keine Formel, die für alle EU-Staaten gilt, denn jedes Land hat eine unterschiedliche Situation“, sagte die EU-Kommissarin im Interview mit der Mailänder Tageszeitung „Corriere della Sera“ (Donnerstag-Ausgabe).

„Weihnachten ist für jeden wichtig, doch nichts in diesem Jahr 2020 ist wie vorher. (…) Solange kein Impfstoff verfügbar und eine große Masse von Menschen nicht geimpft worden ist, empfehlen wir den EU-Mitgliedsstaaten, ihre Bemühungen zur Eingrenzung der Pandemie fortzusetzen“, sagte die EU-Kommissarin. Schon zuvor hatte der Vertreter der EU-Kommission in Österreich, Martin Selmayr, gesagt, dass sich die EU nicht in die Debatte über die Dauer der Skisaison einmischen werde. Die EU habe keine „Skifahr-Kompetenz“ und werde hier nichts verbieten.

Merkel will alle Skigebiete schließen

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel (CDU) will dennoch eine EU-weit koordinierte Lösung forcieren. „Wir werden uns in Europa um eine Abstimmung bemühen, ob wir alle Skigebiete schließen könnten“, sagte Merkel am Donnerstag im Bundestag in Berlin. Sie gab sich allerdings wenig optimistisch, das umsetzen zu können: „Es sieht leider nicht so aus, wenn man die österreichischen Verlautbarungen hört, dass uns das so einfach gelingen könnte, aber wir werden es noch einmal versuchen.“

Deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel
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Merkel sorgt sich wegen Österreichs Haltung zum Skifahren über Weihnachten

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) warnte am Mittwoch explizit vor Skiurlauben. Es gehe nicht darum, Spaß und Freude am Skifahren zu verbieten. „Aber wir machen uns Sorgen, was Österreich betrifft.“ Massenhaftes Anstellen bei Skiliften, Gondeln und Apres-Ski könne er sich nicht vorstellen, so Söder. Er appellierte an die Bevölkerung, Skiurlaube in diesem Jahr zu unterlassen. Diese Art von Tourismus „konterkariere alle Bemühungen der Bevölkerung“, das Virus zu bekämpfen.

Quarantäne für bayrische Tagesausflügler

Die Tourismuswirtschaft der Alpen habe aus dem Fall Ischgl nichts gelernt, kommentierte die „Süddeutsche Zeitung“ („SZ“): „Die Skishow muss weitergehen. Koste es, was es wolle.“ Es stehe zu viel Geld auf dem Spiel. Dennoch sei diese Haltung „jedoch so unverantwortlich wie unsolidarisch“, so die „SZ“.

Bayern sorgt jedenfalls vor, sollten die österreichischen Skigebiete öffnen. Am Donnerstag wurde eine Quarantänepflicht für Tagesausflüge etwa zum Skifahren nach Österreich eingeführt. „Touristische Tagesausflüge oder Freizeitvergnügen im Ausland, etwa zum Skifahren, sind vermeidbare Risikoquellen“, hieß es aus Bayern. Die bisherige Möglichkeit, sich im Rahmen des kleinen Grenzverkehrs für bis zu 24 Stunden quarantänefrei ins Ausland zu begeben, werde auf triftige Gründe beschränkt. Dazu zählten eben nicht touristische und sportliche Zwecke.

Paris und Rom für Öffnung der Skilifte frühestens ab Jänner

Deutschland befindet sich mit seinem Vorgehen in Gesellschaft von Italien und Frankreich. Italiens Premier Giuseppe Conte hatte bereits zuvor appelliert, die europäischen Skigebiete über Weihnachten geschlossen zu halten – trotz Protests vieler italienischer Skiregionen. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron will sich ebenfalls mit europäischen Nachbarstaaten bei der Skifrage abstimmen.

In Frankreich sollen die Pisten frühestens im Jänner öffnen, wenn die Infektionszahlen gesunken sind. Am Donnerstag präzisierte Premier Jean Castex aber, dass die Skilifte zwar geschlossen sein sollen, aber die Wintersportorte selbst offen bleiben können: „Natürlich wird es für jeden (…) möglich sein, in die Ferienorte zu gehen, um die reine Luft unserer schönen Berge, die Geschäfte, die geöffnet sein werden – außer Bars und Restaurants –, zu genießen.“

Kurz: „Lift wie öffentliches Verkehrsmittel“

Nichtsdestotrotz hält Österreich an seinem Vorgehen fest. Erst am Mittwoch bestätigte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) diese Linie. Eine internationale Abstimmung dazu sei „übertrieben“. Öffnungsschritte in allen Bereichen, darunter auch beim Sport, würden von den Staaten unterschiedlich gehandhabt: „Ich kann Ihnen nur sagen, wenn jemand alleine laufen geht im Moment, dann ist das ähnlich gefährlich, wie wenn jemand alleine eine Skitour geht“, so Kurz. „Wenn jemand einen Lift verwendet, dann ist das ähnlich, wie wenn er ein öffentliches Verkehrsmittel verwendet. Anhand dieser Gesichtspunkte muss man Entscheidungen treffen.“

Hygienehinweise in Ischgl
Reuters/Leonhard Foeger
Die Skigebiete argumentieren mit umfassenden Sicherheits- und Hygienemaßnahmen

Es gebe zudem umfassende Sicherheitskonzepte, argumentierte Tourismusministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP). Auf die Vermittlung von Sicherheit setzt heuer die Tiroler Tourismusbranche. Statt Werbung ist derzeit bei potenziellen Gästen vor allem Information gefragt – mehr dazu in tirol.ORF.at.

Perspektive gesucht

Die Entscheidung fällt auf Bundesebene. Die meisten Länder bereiten sich aber bereits auf eine Skisaison ab Mitte Dezember vor. Sie verweisen auf ausgeklügelte Sicherheitsmaßnahmen und Sicherheitskonzepte. Vor allem Salzburg und die Steiermark sind weniger auf ausländische Gäste angewiesen als etwa Vorarlberg und Tirol. Hier stelle sich die Frage, ob ein Aufsperren über Weihnachten überhaupt Sinn mache angesichts der bestehenden Reisewarnungen, stellte WIFO-Ökonom Oliver Fritz im Ö1-Mittagsjournal in den Raum.

Fast 60 Prozent aller Gäste in Vorarlberg kamen in der vergangenen Wintersaison aus Deutschland. Der Anteil der heimischen Gäste machte hier nur acht Prozent aus – mehr dazu in vorarlberg.ORF.at.

Steirische Skigebiete bereiten jedenfalls einen baldigen Saisonstart vor. „Es muss ja auch eine Perspektive für die Mitarbeiter, für die Betriebe, aber auch für die gesamte Region geben“, sagte Mathias Schattleitner, Geschäftsführer der Schladming-Dachstein Tourismusmarketing GmbH, – mehr dazu in steiermark.ORF.at.

Hoteliers pochen auf Planungssicherheit

Vorarlbergs Skigebiete planen ebenfalls mit einem Saisonstart Mitte Dezember – mehr dazu in vorarlberg.ORF.at. Gregor Hoch, Hotelier in Vorarlberg und Ehrenpräsident der Hoteliervereinigung, kann im Ö1-Mittagsjournal die aktuelle Debatte über ein länderübergreifendes Verbot des Skifahrens bis Anfang Jänner nicht nachvollziehen. Schließlich gebe es ja nach wie vor die Reisewarnung aus Deutschland. Er rechne daher eigentlich nicht mehr mit einem Weihnachts- und Silvestergeschäft. Die österreichischen Gäste könnten das Ausbleiben der deutschen Gäste nicht kompensieren.

Entscheidend sei aber für die Betriebe, Planungssicherheit zu bekommen. Allein um sein Hotel wieder hochzufahren, brauche er drei bis vier Wochen. Ähnlich argumentierten auch die Salzburger Hoteliers: „Tausende Mitarbeiter sitzen zu Hause und warten auf diese Informationen“ – mehr dazu in salzburg.ORF.at.

„Wollen kein Halligalli“

In den französischen wie italienischen Skigebieten stößt die mögliche verordnete Verschiebung der Skisaison jedenfalls auf heftigen Widerstand. Aus Schätzungen der Beauftragten für den Wintertourismus in den sechs betroffenen norditalienischen Regionen wie die Lombardei, Piemont und Trentino-Südtirol geht hervor, dass ein Skiverbot über Weihnachten für Italien ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) an Wirtschaftseinbruch bedeuten würde. Es gehe nicht nur um das Skifahren. Die ganze Bergwirtschaft und Hunderttausende Jobs hingen vom Bergtourismus ab.

Auch bei Liftbetreibern stößt der Vorstoß, die Skisaison zu verschieben, auf Unverständnis. Bewegung an der frischen Luft sei gesund, und das Infektionsgeschehen in Ischgl sei nicht vom Skibetrieb ausgegangen, sagte Matthias Stauch, Vorstand des Verbands Deutscher Seilbahnen: „Es kommt nicht vom Skisport. Wir wollen bei uns kein Halligalli.“