Mann bei einer Coronavirus-Teststation
APA/AFP/Vladimir Simicek
Massentests

Zweifel in Slowakei, „Phase 2“ in Südtirol

Im Kampf gegen das Coronavirus sind nun auch in Österreich Massentests in den Fokus gerückt. Erfahrungen damit gibt es in der Slowakei – und auch in der autonomen norditalienischen Provinz Südtirol ist zuletzt ein Großteil der Bevölkerung zum freiwilligen Antigen-Schnelltest angetreten. Während in Südtirol von einem „riesigen Erfolg“ die Rede ist, erscheint in der Slowakei die anfängliche Euphorie schon wieder gedämpft.

Entgegen bisherigen Plänen wird die slowakische Bevölkerung nun doch nicht für das erste Dezember-Wochenende zu einem neuerlichen Massentest aufgerufen. Nach regierungsinternen Unstimmigkeiten kündigte der slowakische Ministerpräsident Igor Matovic Mittwochabend vielmehr an, dass die geplanten Massentests auf unbestimmte Zeit verschoben werden.

Geht es nach dem slowakischen Städte- und Gemeindebund ZMOS, müsse die Regierung ihre bisherige Strategie mit landesweiten Coronavirus-Massentests ohnehin grundsätzlich überdenken. Den ZMOS-Forderungen zufolge sollte künftig nicht mehr die gesamte Bevölkerung getestet werden – Testaktionen sollten sich vielmehr auf besonders gefährdete Bevölkerungsgruppen konzentrieren.

Die am Donnerstag veröffentlichten Coronavirus-Statistiken der Gesundheitsbehörden zeigten, dass die Zahl der Neuinfektionen nach den Massentests wieder leicht gestiegen ist. Gegner der Massentests hatten schon davor gewarnt, kurzfristige Rückgänge der Neuinfektionen seien nicht den Testungen zu verdanken, sondern einem Teil-Lockdown im Oktober.

Menschen warten vor einer Coronavirus-Teststation
APA/AFP/Vladimir Simicek
5,5 Millionen kamen zum ersten slowakischen Massentest

Streit über Sanktionen

Die rund 5,5 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner zählende Slowakei hatte am 31. Oktober und 1. November Massentests im ganzen Land durchgeführt. Abgesehen von Kindern bis zehn Jahren durfte danach zwei Wochen lang niemand mehr auf die Straße, ohne einen negativen Coronavirus-Test nachzuweisen. Auch wegen dieser Sanktionsdrohung stellten sich über das Allerheiligenwochenende 3,6 Millionen der 5,5 Millionen Einwohner zum Teil stundenlang in Warteschlangen.

Bei rund einem Prozent wurde eine Infektion mit dem Virus festgestellt. Matovic sprach in der Folge von einem großen Sprung nach vorne" – er warnte die Bevölkerung jedoch auch davor, sich in falscher Sicherheit zu wiegen.

Nachdem der konservative Regierungschef erneut Sanktionen gegen Testverweigerer angedroht hatte, stellte der liberale Wirtschaftsminister Richard Sulik am Montag das gesamte bisherige Pandemiekonzept der Regierung infrage: „Der Kampf gegen das Coronavirus verläuft chaotisch und ignoriert die Meinungen von Experten“, sagte Sulik vor Journalisten in Bratislava.

Reihe von Kritikpunkten

Während sich Matovic rühmte, die Idee werde in Südtirol und nun auch Österreich nachgeahmt, kritisierten slowakische Mediziner die zu improvisierte Durchführung. So seien die ohnehin im Vergleich zu PCR-Tests ungenaueren Schnelltests wegen Personalmangels oft unsachgemäß eingesetzt worden. Es habe weder eine nachbereitende Analyse durch Experten gegeben noch eine Verfolgung von Kontakten der positiv Getesteten. Eine Antikorruptionsinitiative verlangte eine Untersuchung der nach ihren Annahmen gesetzeswidrigen Bestellung von Millionen Tests ohne öffentliche Ausschreibung.

„Kein Allheilmittel“

Unterdessen steht seit Donnerstag auch das endgültige Ergebnis der Massentestung in Südtirol fest: 362.050 Menschen und damit 80 Prozent der Gesamtbevölkerung nahmen an der Aktion teil. Mit 3.619 Fällen entspricht so wie in der Slowakei auch hier der Anteil der positiven Testergebnisse rund einem Prozent. Die Testungen in der rund 521.000 Einwohnerinnen und Einwohner zählenden autonomen italienischen Provinz hatten am vergangenen Freitag begonnen. Seit Montag gab es dann noch die Möglichkeit, sich bei teilnehmenden Ärzten und Apotheken auf das Virus testen zu lassen.

Menschen warten vor einer Coronavirus-Teststation
AP/Antonio Calanni
In Südtirol hoffte die Landesregierung auf „über 350.000“ – 362.050 ließen sich dann testen

Die rege Teilnahme übertraf in Südtirol die Erwartungen der Verantwortlichen. Rund 350.000 Menschen waren ursprünglich aufgerufen, an der Massentestung teilzunehmen. „Das zeigt die unglaubliche Eigenverantwortung der Südtiroler Bevölkerung“, sagte Gesundheitslandesrat Thomas Widmann (SVP). Landeshauptmann Arno Kompatscher (SVP) räumte aber auch ein, der Massentest sei „kein Allheilmittel und auch nicht die Lösung des Problems“. Aber die Aktion könne helfen, „den Lockdown zu verkürzen“.

„Erfolg der Massentests dauerhaft machen“

Nach dem „riesigen Erfolg“ folge nach Angaben aus der Landesregierung nun „Phase 2“, die unter anderem wöchentliche Tests einer repräsentativen Gruppe von 4.900 Bürgern umfasse, darunter 900 Personen aus dem Schulbereich. Durch die „Phase 2“ erhoffe man sich, „den Erfolg der Massentests dauerhaft zu machen“, wie Widmann dazu sagte.

Der Massentest war nach den Worten des Gesundheitslandesrates die „einzige und letzte Chance, selbst aktiv zu werden“. „Es ist uns gelungen, das hohe und diffuse Infektionsgeschehen in den Griff zu bekommen“, zeigte sich der SVP-Politiker höchst zufrieden.

„Rauchmeldereffekt“

Auch der Projektleiter der auf „Südtirol testet“ getauften Aktion, Patrick Franzoni, zog bereits eine positive Bilanz. Dass es der richtige Schritt war, zeige auch der R-Faktor bzw. die Reproduktionszahl. Dieser Wert sei nun laut Franzoni bereits von 1,4 auf unter 1 gefallen. Dem Ziel, die Anzahl der Neuinfektionen pro Tag zu halbieren, komme man so immer näher.

Die nun anlaufende „Phase 2“ umfasst Tests eines zufallsgenerierten, repräsentativen und 4.900 Bürger umfassenden Samples, darunter 900 Personen aus dem Schulbereich. Diese von den Gemeinden angeworbenen Personen werden nach Angaben von Florian Zerzer vom Südtiroler Sanitätsbetrieb freiwillig einmal pro Woche getestet. So hoffe man, entstehende Infektionsherde sofort zu identifizieren und einzugrenzen. Die Experten sprachen in dem Zusammenhang von einem „Rauchmeldereffekt“.

Auf Massentest folgen Lockerungen

In direkter Folge des ersten Massentests werden in Südtirol die bisherigen harten Lockdown-Maßnahmen gelockert. Bereits am Dienstag wurden Kindertagesstätten, Kindergärten und Grundschulen wieder geöffnet. Am Montag folgen, wie die Landesregierung am Donnerstag beschloss, die Mittelschulen. Schneller als erwartet öffnet in Südtirol nun auch der Handel. Im Gegensatz zu den ursprünglichen Plänen, die eine schrittweise Öffnung vorsahen, gibt es nun bereits am Montag grünes Licht für den gesamten Handel.