Ein Weihnachtsmann mit Maske als Christbaumkugel in einem mit Lichtern geschmückten Tannenbaum
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„Möglichst sicher“

Europa sucht nach Rezept für Weihnachten

Weihnachten werde hart dieses Jahr, oder zumindest nicht so ablaufen, wie man es gewohnt sei – mantraartig werden diese Worte von Politikern aller Länder wiederholt. Die Rahmenbedingungen für die Feiertage – sofern sie schon festgelegt sind – divergieren von Staat zu Staat, die Debatte darüber treibt mitunter seltsame Blüten.

In Italien etwa steht derzeit Regionenminister Francesco Boccia unter Beschuss, weil er Pläne der Regierung verteidigt hat, eine seit Anfang November geltende Ausgangssperre ab 22.00 Uhr auch über die Weihnachtsfeiertage zu verlängern. „Das Christkind kann heuer früher kommen. Als Katholik sage ich, es ist keine Ketzerei, die Christmette um zwei Stunden vorzuverlegen. Weihnachten ist ein Glaubensakt und hängt nicht von der Uhrzeit ab“, sagte Boccia. Vor allem die Rechtspopulisten zeigten sich empört, Lega-Chef Matteo Salvini warf dem Minister Respektlosigkeit gegenüber der katholischen Tradition vor: „Die Regierung ruiniert ohnehin schon Millionen Italienern Weihnachten, sie sollte zumindest das Christkind in Ruhe lassen.“

Die EU-Kommission fühlte sich am Freitag bemüßigt, Europas Kindern zu „versichern", dass der Weihnachtsmann beziehungsweise das Christkind kommen werde. Egal ob „Sankt Nikolaus, Pere Noel, Babbo Natale, Reyes Magos, Agios Vasilis“ – alle würden in der Lage sein, die Geschenke zu Weihnachten zu überbringen, sagte EU-Kommissionsvize Margaritis Schinas. „Junge Europäer jedes Glaubens sollten die Überzeugung haben, dass Liebe und Hoffnung in diesen Tagen niemals fehlen werden.“

Öffnung in Österreich „sehr, sehr behutsam“

In Österreich werde die Öffnung des Landes nach dem Lockdown ab 7. Dezember jedenfalls „sehr, sehr behutsam und vorsichtig“ erfolgen, sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) diese Woche. „Wir werden da sicher nichts überstürzen.“ Ob es eigene Regelungen für Weihnachten und Silvester geben wird, wie viele Personen man an den Feiertagen treffen darf, werde stark von den Infektionszahlen abhängen. Wie genau vorgegangen wird, will die Regierung am Mittwoch im Ministerrat beschließen.

Grafik zu Coronavirus-Massentests
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA

Viel verspricht sich die Regierung, im Gegensatz zu manchen Experten, von den Anfang Dezember anlaufenden Massentestungen. Man dürfe diese „nicht isoliert“ sehen, sagte Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne), sie seien Teil eines Gesamtkonzeptes. Doch jeder Schritt im Dezember sei „hilfreich, um ein möglichst sicheres Weihnachtsfest zu verbringen“, so Kurz. „Wir wissen, dass es vielen Menschen am Herzen liegt, zumindest mit einer kleinen Zahl ihrer Lieben halbwegs anständig feiern zu können“, sagte der Kanzler.

Weihnahstbeleuchtug in der Wiener Innenstadt, während dem harten Lockdown
Reuters/Simon Dawson
Die Beleuchtung strahlt, die Vorfreude auf Weihnachten heuer weniger

Deutscher Plan: Erst mehr Härte, dann Lockerung

In Deutschland ist man mit den Vorbereitungen für die Weihnachtszeit schon weiter: Bund und Länder beschlossen Mitte der Woche, dass die eigentlich bis Ende November befristeten Auflagen verlängert und nochmals verschärft werden, um dann rund um Weihnachten gelockert werden zu können. Freizeit- und Kultureinrichtungen sowie die Gastronomie bleiben, zunächst bis 20. Dezember, am Ende wohl über den Jahreswechsel hinaus, geschlossen. „Private Zusammenkünfte“ werden von 1. Dezember an auf den eigenen und einen weiteren Haushalt begrenzt, jedoch in jedem Fall auf maximal fünf Personen, Kinder bis 14 Jahre ausgenommen.

Dafür aber sollen Familien und enge Freunde wenigstens zusammen Weihnachten feiern können, am besten nach einigen Tagen freiwilliger Selbstisolation. Die Schulferien beginnen deshalb schon am 19. Dezember. Dann nämlich sollen, vom 23. Dezember an, Treffen „im engsten Familien- oder Freundeskreis“ möglich sein, mit maximal zehn Personen insgesamt, Kinder bis 14 Jahre ausgenommen.

Allerdings gibt es in einigen Bundesländern abweichende Regelungen. So will Berlin die Lockerungen für Weihnachten nicht mitmachen. Hintergrund ist das Überschreiten eines Schwellenwerts dort, auf den sich Bund und Länder geeinigt hatten: Ab einer Zahl von 200 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen einer Woche sollen die Coronavirus-Regeln nochmals verschärft werden. In Berlin lag diese 7-Tage-Inzidenz am Donnerstag bei 215,6. Zudem kündigten Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Hessen und Berlin an, über die Feiertage Hotelübernachtungen im Rahmen von Familienbesuchen zu erlauben – entgegen einer Empfehlung aus dem Kanzleramt.

Großbritannien setzt auf „Bubbles“

In Großbritannien, das eines von der Pandemie am stärksten betroffenen Länder in Europa ist, sollen die Menschen Weihnachten ohne große Einschränkungen feiern dürfen. Über die Feiertage soll es drei Haushalten erlaubt sein, eine „Christmas Bubble“ zu bilden und sich miteinander zu treffen, wie die britische Regierung diese Woche mitteilte. Das gilt nicht nur für England, sondern auch für Schottland, Wales und Nordirland, die normalerweise ihre eigenen Coronavirus-Beschränkungen bestimmen. Vom 23. bis zum 27. Dezember sollen auch gelockerte Reiseregeln zwischen den Regionen gelten.

Frau mit Maske auf steht in London auf einer mit Weihnachtsbeleuchtung geschmückter Straße
Reuters/Simon Dawson
London wagt einen kleinen Schritt Richtung Normalität

Frankreich lockert Lockdown

In Frankreich, wo es gelungen ist, die Zahl der Infektionen von mehr als 55.000 zu Beginn des einmonatigen Lockdowns auf durchschnittlich etwa 13.000 pro Tag zu senken, sollen auch Geschäfte, die nicht der unmittelbaren Deckung von Grundbedürfnissen dienen, am Samstag wieder geöffnet werden. Unter der Voraussetzung, dass die Zahl der täglich neu auftretenden Fälle weiter zurückgeht und die Belegung der Intensivstationen sinkt, soll es ab dem 15. Dezember keine strikten Ausgangsbeschränkungen mehr geben – allerdings eine nächtliche Ausgangssperre ab 21.00 Uhr. Wenn die Lage es zulasse, könnten auch Kinos und Theater dann wieder öffnen, Restaurants und Bars bleiben aber bis Ende Jänner geschlossen.

Mit Blick auf Weihnachten sagte Staatspräsident Emmanuel Macron, dass der Besuch der Familie möglich sein werde. Er appellierte aber an das Verantwortungsgefühl der Menschen: „Dies wird sicher kein Weihnachtsfest wie jedes andere.“ Für Weihnachten und Silvester sei die nächtliche Ausgangssperre ausgesetzt. Auch Premierminister Jean Castex sagte am Donnerstag, dass „wir nicht wie in den vergangenen Jahren feiern können. (…) Festliche und freundschaftliche Zusammenkünfte sind besonders riskant.“ Genaue Richtlinien über die Gästezahlen würden vor den Feiertagen bekanntgegeben.

Spanien will „17 verschiedene Weihnachten“ vermeiden

Auch in Spanien ist die Debatte über die Regeln für Weihnachten, Silvester und den im Land sehr wichtigen Dreikönigstag am 6. Jänner angeheizt. Nachdem einige der insgesamt 17 Regionen einheitliche Bestimmungen für das ganze Land gefordert hatten, versprach die linke Zentralregierung eine baldige Lösung. „Es wird keine 17 verschiedene Weihnachten geben“, sagte Gesundheitsminister Salvador Illa diese Woche.

Einige Regionen wollen auch während der Feiertage Versammlungen von maximal sechs Personen aus verschiedenen Haushalten zulassen. Andere, wie Madrid, Katalonien und Murcia, erwägen eine Erhöhung dieser Zahl auf zehn. Madrid will zudem den Beginn der nächtlichen Ausgangssperre von Mitternacht auf 1.30 Uhr verschieben. „Wir arbeiten an einem konkreten Plan für ein Weihnachten, das anders, aber sicher sein wird“, sagte Premierminister Pedro Sanchez. „Dieses Jahr werden wir uns von unseren Lieben fernhalten müssen, anstatt sie zu umarmen.“

Frau mit Maske steht unter einer Weihnachtsbeleuchtung in Mailand
AP/LaPresse/Claudio Furlan
Italien will dem Handel in der Adventzeit etwas Luft verschaffen

Italien ringt noch um Beschluss

Italien, wo die Ansteckungsrate in einigen Regionen zu sinken scheint, will am Wochenende seine Pläne für die Feiertage vorlegen – „es wird eine andere Art von Weihnachten sein“, hielt Premierminister Giuseppe Conte allerdings bereits fest. „Es sind noch Opfer notwendig, um uns nicht einer dritten Welle im Jänner mit einer hohen Zahl von Toten auszusetzen.“ „Diese Weihnachtsferien werden ordnungsgemäß geregelt sein, und anders als im Sommer wird es keine Ausnahmen geben“, pflichtete Gesundheitsministerin Sandra Zampa bei.

Einen definitiven Beschluss muss die Regierung bis zum 3. Dezember fassen. An diesem Tag läuft die Verordnung aus, mit der in Italien das Ampelsystem aus gelben, orangen und roten Regionen eingeführt wurde. Um dem Handel während der Adventzeit Auftrieb zu verschaffen, sollen in allen Regionen unabhängig von den Infektionszahlen Geschäfte bis 22.00 Uhr offen halten können. Mit den längeren Öffnungszeiten will man Menschenansammlungen verhindern. Sicherheitskräfte sollen kontrollieren, dass es in Einkaufszentren und Supermärkten zu keinen Staus kommt.

Belgien öffnet Geschäfte wieder

Belgiens Premierminister Alexander De Croo kündigte indessen am Freitagabend an, dass die Geschäfte in dem Land, das laut der US-Universität Johns Hopkins (JHU) im weltweiten Vergleich die meisten Pandemietoten pro 100.000 Einwohner verzeichnete, ab 1. Dezember wieder geöffnet werden. „Die Situation in unserem Land verbessert sich, (…) aber es ist wichtig, den Kurs beizubehalten“, sagte er und betonte, dass die Weihnachts- und Neujahrsfeiertage in diesem Jahr „anders“ sein würden.

Es bleibe bei Kontaktbeschränkungen und bei der nächtlichen Ausgangssperre. Über die Weihnachtsfeiertage würden nur die Regeln für Alleinstehende gelockert: Statt einer Person dürften diese zwei Personen gleichzeitig zum Feiern nach Hause einladen. Über Neujahr gelte ein landesweites Böllerverbot. Restaurants, Lokale und Cafes bleiben geschlossen, ebenso Friseure und andere Geschäfte mit Körperkontakt.