Anschlag: Jugendliche harrten in Kirche aus

Während des Anschlags in Wien am 2. November haben 17 Jugendliche in der Ruprechtskirche ausgeharrt. Das gab Michael Prüller, der Sprecher der Erzdiözese Wien, gestern gegenüber der APA bekannt. Die Jugendlichen hätten sich zu einem Gebetsabend versammelt.

Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) hatte zuvor bundesweit die verstärkte Bewachung von Kirchen und religiösen Einrichtungen angeordnet und das mit sicherheitspolitischen Erfordernissen begründet. Man befinde sich in einer „besonders heiklen Phase“ nach einem Terroranschlag, der Nachahmungstäter auf den Plan rufen könnte, sagte Nehammer.

Der Innenminister kündigte an, Polizeikräfte würden ab sofort verstärkt vor Kirchen, Synagogen und anderen religiösen Stätten Präsenz zeigen. Entsprechende Schritte wurden seitens der Landespolizeidirektionen und der jeweiligen Ämter für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung veranlasst, nachdem Kultusministerin Susanne Raab (ÖVP) die Kirchen- und Religionsgemeinschaften informiert hatte.

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Keine gesicherten Erkenntnisse?

Prüller sagte, die Jugendlichen in der Ruprechtskirche hätten bis 2.30 Uhr „geistesgegenwärtig reagiert und sich verschanzt“. Wie auch viele weitere Menschen in der Wiener Innenstadt, die sich etwa in Hotels und Restaurants in Sicherheit gebracht hatten, konnten auch die Jugendlichen aus der Kirche nach Entwarnung der Polizei die Kirche verlassen.

Der Attentäter war um 20.09 Uhr nur wenige Meter von der Kirche entfernt auf dem Ruprechtsplatz von Einsatzkräften der Polizei erschossen worden, nachdem er vier Passantinnen und Passanten getötet hatte. Aus Ermittlerkreisen hieß es dazu, man gehe davon aus, dass der schwerbewaffnete Mann in die Kirche wollte. Gesicherte Erkenntnisse dazu lagen dazu vorerst aber nicht vor. Die Staatsanwaltschaft Wien wurde laut der Tageszeitung „Der Standard“ von der Polizei bisher nicht über Kirchen als Terrorziel informiert.

Reimon kritisiert Nehammer und relativiert

Der grüne Abgeordnete Michel Reimon äußerte öffentliche Zweifel an den Angaben von Nehammer. Konkret warf Reimon dem Minister des Koalitionspartners vor, die Angriffspläne des Attentäters auf Kirchen erfunden zu haben. Nach einem Gespräch mit Nehammer relativierte Reimon den Vorwurf. Weil Nehammer keine Details geliefert und bei Nachfragen auf die Staatsanwaltschaft verwiesen habe, mutmaßte Reimon tags darauf, dass die Geschichte insgesamt falsch sein könnte.

Konkret empörte sich der grüne Abgeordnete über den Auftritt Nehammers und über Aussagen von Tourismusministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) in der ZIB2 am Vortag. „Man kann auch Angriffspläne auf Kirchen erfinden oder so tun, als würde es eine Skisaison geben, aber so ists besser“, schrieb Reimon auf dem Kurznachrichtendienst Twitter.

Die SPÖ griff das Thema auf und kündigte an, die Vorwürfe Reimons kommende Woche im Geheimdienstausschuss des Nationalrats zu thematisieren. „Dieser Streit ist nicht nur in höchstem Maße unwürdig, er gefährdet auch die Sicherheit in Österreich“, so SPÖ-Sicherheitssprcher Reinhold Einwallner.

Reimon selbst relativierte nach einem Gespräch mit Innenminister Nehammer seinen Vorwurf und begründete seinen Tweet mit seinem Ärger über die türkise Kommunikationsstrategie. „Erfinden ist nicht richtig – es ging um aufbauschen. Wir müssen das möglichst ohne Angstmacherei kommunizieren“, sagte der Abgeordnete auf APA-Anfrage. Das Innenministerium wollte die Causa nicht kommentieren.

Zwischenbericht der U-Kommission noch vor Weihnachten

Die Untersuchungskommission zum Terroranschlag in Wien nahm ihre „inhaltliche Arbeit“ auf, wie es in einer Aussendung hieß. Die Leiterin der Kommission, die Strafrechtsprofessorin Ingeborg Zerbes, geht davon aus, dass sie dem Innen- und dem Justizministerium vor Weihnachten einen Zwischenbericht vorlegen wird.

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