Skifahrer am Schlepplift
ORF.at/Christian Öser
Skiurlaubsstreit

Dicke Luft und Nebenfronten

Der Skiurlaubstreit zwischen Österreich und Deutschland geht weiter: Am Freitag kritisierte der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) Bayerns CSU-Ministerpräsident Markus Söder scharf, weil der die Schließung der Skigebiete bis in den Jänner hinein gefordert hatte. Mit dem Ruf Deutschlands nach einer europaweiten Debatte melden sich nun auch weitere Länder zu Wort, die ihre, meist recht kleinen, Skigebiete öffnen könnten – und das, obwohl eine EU-Regelung dazu eigentlich kein Thema ist.

Schon seit einigen Tagen wird etwa in der Schweiz, selbst ja nicht EU-Mitglied, betont, das eine Schließung der Skigebiete in diesem Winter kein Thema sei. „In der Schweiz sind Bundesrat, Behörden und die Tourismusbranche überzeugt, dass der Schweizer Weg – für den Moment – richtig ist und die Wintersaison sicher stattfinden kann“, sagte Markus Berger, Sprecher von Schweiz Tourismus, am Donnerstag.

Bundesrat und Gesundheitsminister Alain Berset (SP) betonte am Donnerstag, dass die Schweizer Skigebiete offen bleiben – mit „guten Schutzkonzepten und einer strikten Umsetzung“. Auch bei einer Pressekonferenz von Experten des Bundes am Freitag wurde dieser Standpunkt bestätigt.

Schweiz mit scharfen Regeln und Sanktionen

Virginie Masserey, Leiterin der Sektion Infektionskontrolle im Bundesamt für Gesundheit (BAG), sagte, Wintersportorte müssten die gleichen Regeln wie die Städte umsetzen. Ergänzt wurde, dass die Kantone dafür verantwortlich seien, grobe Verstöße müssten harte Konsequenzen haben, und Skigebiete, die gegen die Regeln verstoßen, würden schnell geschlossen.

In Schweizer Medien hieß es zuletzt, man habe beim Wintersport vielleicht einen Wettbewerbsvorteil, wenn andere Skigebiete zunächst geschlossen bleiben. Allerdings wurde auch daran erinnert, dass bis vor Kurzem extrem hohe Infektionszahlen verzeichnet worden seien und man recht langsam auf dem Weg der Besserung sei. Der Schweizer Kurs der Pandemiebekämpfung ist nicht unumstritten, Experten sprechen von einem „Slowdown“ und nicht von einem Lockdown.

Finnland meldet sich zu Wort

Deutschland, Italien und Frankreich haben sich in den vergangen Tagen gegen die Öffnung von Skigebieten ausgesprochen, mit der Ankündigung der deutschen Kanzlerin Angela Merkel, sich um eine europäische Koordination zu bemühen, wurde eine EU-Debatte losgetreten – und das, obwohl es aus Brüssel postwendend hieß, dafür sei man nicht zuständig.

Am Freitag meldete sich etwa Finnland zu Wort: Eine Schließung von Skigebieten wäre ein „tödlicher Schlag“ für die heimische Tourismusindustrie. Eine Schließung wäre „sehr eigenartig“, da die Coronavirus-Verbreitung in Finnland „lange nicht so schlimm“ wie in anderen europäischen Ländern sei, sagte ein Sprecher des finnischen Wirtschaftsministers Mika Lintilä gegenüber der Nachrichtenagentur AFP am Freitag. Lintilä argumentierte, die Mehrheit der Besucher von Skigebieten in Finnland seien inländische Touristen. Eine Schließung von Apres-Ski-Treffs könne er hingegen nachvollziehen.

Auch andere Länder wollen öffnen

Auch andere EU-Länder wollen ihre Skigebiete öffnen – oder diskutieren gerade über eine Öffnung. Tschechien und Slowenien etwa wollen ihre Liftanlagen in Betrieb gehen lassen. Auch aus Bulgarien ist Ähnliches zu hören. In den wenigen spanischen Skigebieten hoffen die Seilbahnbetreiber ebenso auf die Öffnung wie in der Slowakei. Noch unklar ist die Situation in Polen.

Nun bleibt abzuwarten, ob sich noch mehr Länder an einer EU-weiten Debatte, oder eigentlich Scheindebatte, beteiligen und positionieren. Fakt ist einerseits, dass es kein EU-Machtwort geben wird, und andererseits, dass in den meisten dieser Länder mit kleinen Skigebieten der Wintertourismus vor allem für einheimische Urlauber eine Rolle spielt – und keineswegs derart wirtschaftlich ins Gewicht fällt wie in Österreich.

Platter gegen Söder

Hier wurde der Ton zu Deutschland indes rauer: „Wenn es die Infektionszahlen zulassen, werden wir uns das Skifahren auch von Bayern nicht nehmen lassen“, erklärte Landeshauptmann Platter in einer Aussendung. Das müsse auch Söder zur Kenntnis nehmen. Er halte generell wenig davon, „Politik auf Kosten anderer Regionen“ zu machen, so Platter in Richtung des bayrischen Nachbarn: „Dabei verlieren am Ende des Tages alle.“ – mehr dazu in tirol.ORF.at.

Söders Replik war nur auf den ersten Blick versöhnlich: Er bat Österreich zwar um Verständnis, erklärte aber gleich danach, dass „Ischgl nicht vergessen“ sei. Die Entscheidung, Reisende, die für weniger als 48 Stunden zu Zwecken des Skifahrens oder anderer Freizeitaktivitäten aus Deutschland nach Österreich fahren, nach ihrer Rückkehr in eine zehntägige Quarantäne „ohne Entschädigung“ zu schicken, richtete sich nicht gegen jemanden, sondern werde im Interesse eines „erhöhten Sicherheitslevels“ ergriffen. In Bayern würden die Betreiber der geschlossenen Wintersporteinrichtungen wie Seilbahnbetreiber „sehr großzügig“ entschädigt, fügte Söder hinzu. Möglicherweise würde so etwas auch in Österreich helfen.

Kurz: „Treffen selbst die Entscheidung“

Auch Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) streifte am Freitag das Thema nach einer Videokonferenz mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Die Diskussion über eine Schließung der Skigebiete in dieser Wintersaison „war kein Thema“ in der Konferenz, sagte Kurz. „Es gibt auch keinen Druck auf Österreich. Wir treffen selbstverständlich selbst die Entscheidung, wann wir wie öffnen.“ Diese hänge ja auch vom Infektionsgeschehen in Österreich ab.

Es gebe zwar Politikbereiche, in denen die Europäische Union koordinativ tätig werden sollte, sagte Kurz. Was sie aber sicher nicht machen könne, sei zu regeln, „wann Fußball gespielt werden darf, wo man Laufen gehen darf und wann man Ski fahren gehen darf“.