Alfred Dorfers Premiere an der Oper

Das Theater an der Wien trotzt dem Lockdown und zeigt gemeinsam mit ORF III die mit Spannung erwartete Premiere von Alfred Dorfer als Opernregisseur. Wolfgang Amadeus Mozarts „Le nozze di Figaro“ wird bei Dorfer freilich nicht als Kabarett gelesen, sondern als Gesellschaftspanorama, zu einer Welt, die ins Wanken gerät. Wie entsteht die bürgerliche Gesellschaft? Und mit ihr die bürgerliche Moral? Ein neuer Blick auf einen Klassiker könnte sich ergeben.

Die Frage, wie sich ein Kabarettist zum Regisseur einer Oper wandeln kann, mag Dorfer schon raushängen. Antworten gibt er jetzt mit seiner Inszenierung, die sicher nicht kabarettistisch sein wird, sich aber mit dem Kabarett an dem Punkt trifft, wo man den Zustand der Gesellschaft zugespitzt in den Blick nimmt. „Der Figaro bietet eine, wie ich meine, allgemein gültige, zeitlose Zustandsbeschreibung von menschlichen Konditionen, die sich im Privaten abspielen, aber auch gebrochen werden an dieser ganz besonderen Ebene der Machtausübung“, sagte Dorfer, der mit seinem Opernteam den Verfall einer alten Welt in den Blick nimmt und beim Entstehen einer neuen Welt zusieht, die wiederum in Gefahr kommt, in ihren moralischen Kategorien zu verkrusten.

So etwas hat schon stets der Historiker Reinhart Koselleck vorhergesehen – und die Vorlagen aus dem späten 18. Jahrhundert wie jene von Pierre-Augustin Caron de Beaumarchais und Lorenzo Da Ponte sind da Seismografen für eine Sattelzeit.

Florian Boesch (Il Conte di Almaviva), Giulia Semenzato (Susanna), Andrew Owens (Basilio), Robert Gleadow (Figaro), Maurizo Muraro (Bartolo), Enkelejda Shkosa (Marcellina)
Theater an der Wien/Moritz Schell
Der „Figaro“ als Umbruch vom Ancien zum bürgerlichen „Regime“

„Grundmelodie meines Lebens“

Für Dorfer ist Mozart „die Grundmelodie meines Lebens“, wie er sagte: „Mozart ist die Musik meiner Kindheit, ich bin quasi mit Mozart und der Wiener Klassik aufgewachsen und habe sechs Jahre klassischen Klavierunterricht gehabt.“ Deshalb habe er zugesagt, und weil er wusste, dass das Theater an der Wien immer wieder bei genrefremden Künstlerinnen und Künstlern anfragt, etwa Christoph Waltz und Stefan Ruzowitzky.

Mit geholfen hat Dorfer in seiner ersten Inszenierung die Regisseurin Kateryna Sokolova, die Dorfers Ideen mit auf die Bühne bringen half. Im Zentrum der Inszenierung stehen die rumänische Sopranistin Cristina Pasaroiu als Gräfin und der österreichische Bassbariton Florian Boesch als Graf Almaviva. Für die Rollen des Figaro setzt man mit Robert Gleadow und Giulia Semenzato auf prononciert junge Vertreter ihrer Zunft. Stefan Gottfried dirigiert den Concentus Musicus Wien, es singt der Arnold Schoenberg Chor unter der Leitung von Erwin Ortner.

„Le nozze di Figaro“ aus dem Theater an der Wien

Im Rahmen der ORF-III-Reihe „Wir spielen für Österreich“ wird am 29. November 2020 um 20.15 Uhr die coronavirusbedingt verschobene Neuproduktion von Mozarts „Le nozze di Figaro“ aus dem Theater an der Wien zu sehen sein.

„Man kann von Alfred Dorfer erwarten, dass er sehr genau die Beziehungsebenen zwischen den Figuren aufarbeitet. Und mit Florian Boesch haben wir einen Sänger, der in seiner darstellerischen Wucht einen sehr körperlichen Grafen spielen wird“, sagte der Intendant des Theaters an der Wien, Roland Geyer.