Soldaten vor dem Angriff in Äthiopien
Reuters/Tiksa Negeri
Äthiopien

Tigray unter „schwerem Beschuss“

Das äthiopische Militär hat dem Regionalpräsidenten von Tigray zufolge seine Offensive auf die Regionalhauptstadt Mek’ele begonnen. Die Stadt stünde unter „schwerem Beschuss“, schrieb Debretsion Gebremichael von der in Tigray regierenden Volksbefreiungsfront TPLF heute in einem SMS an die Nachrichtenagentur Reuters.

Eine Sprecherin von Ministerpräsident Abiy Achmed erklärte, zivile Ziele in Mek’ele würden nicht bombardiert. Die Sicherheit von Äthiopiern und Äthiopierinnen in Mek’ele und der Region Tigray hätten Vorrang.

Eine unabhängige Überprüfung der Angaben beider Seiten ist nicht möglich, da die Telefon- und Internetverbindungen in Tigray unterbrochen sind und der Zugang in die im Norden gelegene Region strikt überwacht wird.

Übernahme „in einigen Tagen“

Am Donnerstag hatte Abiy die „finale Phase“ der seit 4. November dauernden Offensive gegen Tigray angekündigt. Ein der TPLF am Sonntag vergangener Woche gestelltes 72-stündiges Ultimatum zur Kapitulation ist bereits abgelaufen. Debretsion warf zudem dem benachbarten Eritrea vor, Flüchtlingslager in Tigray nach aus Eritrea Geflohenen zu durchsuchen.

Vor der Mitteilung Debretsions hatte das äthiopische Militär angekündigt, die Kontrolle über die Hauptstadt der Region Tigray in den kommenden Tagen zu übernehmen. Die Streitkräfte hätten bereits die Stadt Wikro eingenommen, die rund 50 Kilometer nördlich der Regionalhauptstadt Mek’ele liegt, erklärte Generalleutnant Hassan Ibrahim am späten Freitagabend. Auch andere Städte in Tigray würden schon kontrolliert. Mek’ele, wo rund 500.000 Menschen leben, werde „in einigen Tagen“ folgen.

Abiy hatte internationale Aufrufe zum Dialog im Konflikt mit der abtrünnigen Region Tigray zurückgewiesen. Er werde die Militäroffensive in der Region im Norden des Landes fortsetzen, sagte der Friedensnobelpreisträger nach Gesprächen mit Gesandten der Afrikanischen Union (AU). Weltweit sprachen sich führende Politiker und Prominente sowie Menschenrechtsgruppen gegen die Offensive aus und riefen dringend zu einem Dialog auf.

Schwere Kämpfe seit Wochen

Auslöser der Kämpfe ist nach Darstellung der Regierung in Addis Abeba ein bewaffneter Angriff von TPLF-Kräften auf in Tigray stationierte Regierungstruppen. Abiy wirft der TPLF vor, einen bewaffneten Aufstand angezettelt zu haben. Die TPLF dagegen spricht von einem Präventivschlag und hält Abiy vor, er verfolge sie und vertreibe ihre Politiker von Regierungs- und Sicherheitsposten. Seit Beginn der Kämpfe wurden Tausende Menschen getötet, rund 43.000 flohen ins Nachbarland Sudan.

In dem Konflikt spielen ethnische Gruppen eine große Rolle. Äthiopien, eine Föderation aus zehn ethnischen Regionen, wurde jahrzehntelang von Tigray dominiert, bis Abiy vor zwei Jahren Ministerpräsident wurde. Der Friedensnobelpreisträger von 2019 gehört der Bevölkerungsmehrheit der Oromo an und hat auch familiäre Wurzeln in Amhara, einer Nachbarregion von Tigray.