Seilbahn vor schneebedeckten Bergen
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Coronavirus

Weiter Gerangel um Ski-Lockdown

Seit Tagen wird über einen möglichen Ski-Lockdown debattiert. Während sich etwa Italien, Deutschland und Frankreich wegen des Coronavirus für eine Schließung der Skigebiete aussprechen, wehrten sich die Schweiz und Österreich gegen ein solches Vorgehen. Auch die Skiliftbetreiber mischen in der Diskussion mit.

Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will etwa alle Skigebiete schließen, um die Pandemie in den Griff zu bekommen. Dieselbe Linie vertreten Italien und Frankreich. Und auch Ungarns Premier Viktor Orban ersuchte die Ungarn am Freitag, keine ausländischen Unterkünfte für Skiurlaub zu buchen. Man könne freilich niemanden einsperren, doch bei der Rückkehr seien strenge Kontrollen und Quarantäne zu erwarten, so Orban.

Ähnliches war auch von Italiens Außenminister Luigi Di Maio zu hören. Er bezeichnete die Diskussion über ein Skiurlaubsverbot während der Weihnachtszeit als „surreal“. „Nicht Ski fahren zu dürfen, ist kein Opfer. Diese Diskussion über den Winterurlaub ist surreal“, so Di Maio. „Wir müssen die letzten Opfer bringen, um die Epidemie zu besiegen. Wir schließen die Skianlagen, um Menschenansammlungen zu vermeiden. Wir schließen jedoch nicht die Grenzen.“

Wer ins Ausland reist, müsse sich nach der Heimkehr einer Quarantäne unterziehen. Die Regierung will somit verhindern, dass Touristen im benachbarten Ausland, darunter in Österreich, einen Skiurlaub verbringen. „So schützen wir diejenigen, die zu Hause geblieben sind.“ Auch aus Bayern waren solche Worte zu hören: Deutsche Staatsbürger, die nach Österreich zum Skifahren reisen, müssen auch nach Tagesausflügen grundsätzlich und verpflichtend zehn Tage in Quarantäne, sagte Bayerns Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU).

Österreich trifft Entscheidung „selbstverständlich selbst“

Österreich will seine Skigebiete jedenfalls öffnen, wenn es die Infektionszahlen zulassen – dafür brauche es keine Absprache mit anderen Ländern, hieß es von Regierungsseite. So wie schon im Sommer gebe es hierzulande auch für den Wintertourismus umfassende Präventions- und Sicherheitskonzepte. „Es gibt auch keinen Druck auf Österreich. Wir treffen selbstverständlich selbst die Entscheidung, wann wir wie öffnen“, sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP).

Bundeskanzler Sebastian Kurz
APA/Roland Schlager
„Es gibt auch keinen Druck auf Österreich", sagte Bundeskanzler Kurz

Der Südtiroler Landeshauptmann Arno Kompatscher sagte am Samstag in den „Oberösterreichischen Nachrichten“: Italien sehe „weniger das Skilaufen an sich, sondern die Feiern im Hotel zu Weihnachten und Silvester als Problem. Eine Überlegung ist, die Skisaison erst nach den Feiertagen zu starten. Das wäre ein harter Schlag für Südtirol, und es müsste finanziellen Ausgleich geben. Die Hoffnung ist, dass sich das Infektionsgeschehen derart beruhigt, dass man so früh wie möglich beginnen kann.“

Tschechien, Slowenien und Finnland sind ebenfalls gegen eine Schließung. Diese wäre ein „tödlicher Schlag“ für die heimische Tourismusindustrie. Eine Schließung wäre „sehr eigenartig“, da die Coronavirus-Verbreitung in Finnland „lange nicht so schlimm“ wie in anderen europäischen Ländern sei, sagte ein Sprecher des finnischen Wirtschaftsministers Mika Lintilä. Lintilä argumentierte, die Mehrheit der Besucher von Skigebieten in Finnland seien inländische Touristen. Eine Schließung von Apres-Ski-Treffs könne er hingegen nachvollziehen.

Skiliftbetreiber steigen auf die Barrikaden

In der Schweiz, selbst kein EU-Mitgliedsstaat, wird es jüngsten Wortmeldungen zufolge keine Schließung geben. Die Schweiz solle im Kampf gegen die Coronavirus-Pandemie ihren eigenen Weg gehen und das Skifahren auch über die Weihnachtsfeiertage erlauben, sagte der Schweizer Seilbahnenpräsident Hans Wicki. Es gebe kein vernünftiges und nachvollziehbares Argument, das für eine Schließung aller Skigebiete spreche, sagte Wicki in der „Samstagsrundschau“ von Radio SRF. Er kritisierte die gegenwärtige Diskussion rund um die Schließung von Skigebieten als „Hektik, die vom Ausland gesteuert wird“.

Front gegen Skiurlaub wächst

Österreich will Skifahren trotz der CoV-Pandemie ermöglichen, steht mit diesem Vorhaben aber zunehmend alleine da: Italien, Frankreich und auch Deutschland wollen die Skisaison vorerst nicht starten lassen.

In der Schweiz seien gewisse Skigebiete seit zwei Monaten offen, keines davon habe sich zu einem Hotspot für Virusansteckungen entwickelt. Weiter sagte das Mitglied des Ständerats (zweite Parlamentskammer, in der die Kantone vertreten sind, Anm.) und der Verwaltungsratspräsident der Titlis-Bahnen, es bringe nichts, Skigebiete zu schließen aus Angst davor, dass sich Gäste möglicherweise beim Apres-Ski anstecken würden. Für die Gastronomiebranche gebe es dazu Schutzkonzepte.

Schwere Verluste erwartet

Ähnlich argumentierte auch der Präsident der Internationalen Föderation nationaler Verbände von Seilbahnunternehmen (FIANET), Mario Stedile-Foradori. „Wer Apres-Ski und Seilbahnen in einen Topf wirft, trägt mit populistischen Forderungen zu einer massiven Schädigung bei. Die Politik ist jetzt am Zug, und zwar als Problemlöserin, nicht als Problemverursacherin. Die Seilbahnen sind vielerorts der einzige effektive Hebel, um in den Wintermonaten Wertschöpfung und Beschäftigung zu erzielen“, so der Vorstand der Bergbahnen in St. Anton am Arlberg in den „Salzburger Nachrichten“.

Italiens Wintertourismus droht wegen der geplanten Schließung ein Umsatzrückgang von 70,2 Prozent gegenüber der vergangenen Saison. In der Vorsaison hatte der Wintertourismus in Italien noch 10,4 Mrd. Euro generiert. Sollte die Wintersaison erst Mitte Jänner 2021 beginnen, würde der Umsatz lediglich 3,1 Milliarden Euro betragen, geht aus einer am Samstag veröffentlichten Prognose des Instituts JFC hervor. JFC gibt jährlich einen Bericht zur Lage des italienischen Wintertourismus bekannt. Der Wintertourismus macht einen Anteil von elf Prozent des gesamten italienischen Fremdenverkehrs aus.

In Südosten Frankreichs demonstrierten am Samstag mehrere hundert Menschen für eine Öffnung der Skilifte und der Restaurants und Bars in den Wintersportorten. In der Stadt Gap folgten nach Angaben der Veranstalter rund 2.000 Menschen einem Aufruf der Skigebiete im Departement Hautes-Alpes. Die Polizei sprach von 400 Demonstranten. Frankreichs Regierungschef Jean Castex hatte am Donnerstag angekündigt, dass die französischen Skigebiete in den Weihnachtsferien öffnen dürfen – die Skilifte müssen allerdings geschlossen bleiben. Die französischen Liftbetreiber sprachen von einer „wahnwitzigen“ Entscheidung.