Demonstranten befestigen ein Transparent mit der Aufschrift „POLICE, FLOUTEE, JUSTICE, AVEUGLEE“
Reuters/Joel Saget
Polizeigewalt in Frankreich

Ermittlungen gegen vier Beamte

Nach einem brutalen Angriff auf den schwarzen Musikproduzenten Michel Zecler in Frankreich sind Ermittlungsverfahren gegen vier Polizisten eingeleitet worden. Wie die dpa am Montag aus Justizkreisen erfuhr, kamen zwei von ihnen in Untersuchungshaft. Zwei weitere befinden sich unter Justizaufsicht. Am Wochenende protestierten Zigtausende gegen die zunehmende Polizeigewalt in dem Land.

Ein am Donnerstag veröffentlichtes Video des Vorfalls hatte landesweit für Empörung und Proteste gesorgt. Darin ist zu sehen, wie mehrere Polizisten den Produzenten im Eingang seines Studios mit Schlägen hart attackieren. Wenig später fliegt eine Tränengaskartusche in das Studio.

Drei der Beamten werden unter anderem rassistische Gewalt durch Amtspersonen, Hausfriedensbruch und Dokumentenfälschung vorgeworfen. Dem vierten Beamten werden unter anderem Gewalt durch Amtspersonen und Sachbeschädigung zur Last gelegt. Noch am Sonntagabend hatte die Pariser Staatsanwaltschaft gefordert, Ermittlungsverfahren gegen die vier Beamten zu eröffnen. Ein solches Verfahren kann am Ende zu einem Strafprozess führen, falls die Ermittler ausreichend Beweise gegen die Beschuldigten sehen. Andernfalls können sie das Verfahren auch wieder einstellen.

Innenminister: „Uniform der Republik beschmutzt“

Innenminister Gerald Darmanin hatte die Entlassung der Polizisten gefordert, sollten sich die Vorwürfe bestätigen. Sie hätten „die Uniform der Republik beschmutzt“. Er selbst soll sich nun unter wachsendem politischen Druck am Montag in der Nationalversammlung zu den Vorfällen erklären. Präsident Emmanuel Macron verurteilte die Gewalt als inakzeptabel und berief am Montag eine Krisensitzung zusammen mit Regierungschef Jean Castex und anderen führenden Vertreterinnen und Vertretern aus Regierung und Parlament ein. Nach Medienberichten nahmen an dem Treffen im Elysee-Palast auch Innenminister Darmanin und Justizminister Eric Dupond-Moretti teil.

Auschreitungen zwischen Demonstranten und Polizei in Paris
APA/AFP/Alain Jocard
Am Wochenende gab es Proteste gegen Polizeigewalt und auch Zusammenstöße zwischen Demonstrierenden und der Polizei

Der Angriff auf Zecler ist bereits der zweite Fall von Polizeigewalt, der in der vergangenen Woche in Frankreich für Entsetzen und schwere Kritik gesorgt hat. Am Montag letzter Woche zirkulierten Videos einer brutalen Räumung eines provisorischen Zeltlagers von Geflüchteten auf dem Pariser Place de la Republique. Auch hier laufen Untersuchungen. Macron forderte auf Facebook von der Regierung „rasche Vorschläge, um das Vertrauen wiederherzustellen“, das es zwischen Polizei sowie Bürgerinnen und Bürgern geben sollte.

Sicherheitsgesetz soll umgeschrieben werden

Die Vorfälle haben die ohnehin schon heftige Debatte über ein geplantes Sicherheitsgesetz in Frankreich weiter angeheizt. Das Gesetz soll laut Regierung die Polizei besser schützen. Besonders umstritten ist dabei ein Artikel, der die Veröffentlichung von Bildern und Videos von Sicherheitsbeamtinnen und -beamten im Einsatz unter Strafe stellt, wenn diese mit dem Ziel erfolgt, die körperliche oder seelische Unversehrtheit der Polizisten und Polizistinnen zu verletzen.

Zeltlager am Platz der Republik in Paris
AP/Utopia56/Alexandra Henry
Das Flüchtlingscamp auf dem Pariser Place de la Republique wurde gewaltsam geräumt

Eine Gefängnisstrafe von einem Jahr oder eine Strafe von 45.000 Euro könnten die Konsequenz sein. Das Unterhaus hatte dem Vorhaben bereits zugestimmt, nun ist der Senat am Zug. Das vorgeschlagene Gesetz ist zum Teil eine Antwort auf Forderungen von Polizeigewerkschaften. Die Regierungsmehrheit aber will nun den umstrittenen Artikel des Sicherheitsgesetzes neu formulieren.

„Wir werden eine vollständige Neufassung von Artikel 24 vorschlagen“, sagte Christophe Castaner, Fraktionsvorsitzender der Präsidentenpartei La Republique en Marche (LREM) in der Nationalversammlung, am Montag. Man nehme das Unverständnis der Öffentlichkeit und der Medien bezüglich des Textes zur Kenntnis, sagte der Ex-Innenminister. Man wisse, dass noch immer Zweifel bestehen.

Landesweite Proteste

Französische Aktivistinnen und Aktivisten befürchten, dass ein neues Sicherheitsgesetz ihre Bemühungen bedroht, mögliche Fälle von Polizeibrutalität zu dokumentieren, insbesondere in verarmten Einwanderervierteln. Sie argumentieren auch mit Verletzung der Pressefreiheit. „Ich hatte das Glück, Videos zu haben, die mich schützen“, sagte etwa Musikproduzent Zecler dazu.

Die Videos, die die Polizeigewalt gegen ihn zeigen, wurden von über 14 Millionen Zuschauerinnen und Zuschauern gesehen. Innenminister Darmanin rechnete zuletzt vor, von drei Millionen Polizeieinsätzen pro Jahr in Frankreich würden etwa 9.500 auf einer Website der Regierung landen, die Missbräuche anprangert, was in etwa 0,3 Prozent entspreche.

Am Wochenende zogen landesweit mehr als 100.000 Menschen durch die Straßen, um gegen das geplante Gesetz sowie Polizeigewalt zu demonstrieren. Allein in Paris waren es laut Innenministerium 46.000. Die Veranstalter sprachen von insgesamt 500.000 Demonstrierenden und 200.000 in der Hauptstadt.