Vor gut einer Woche wurde schon publik, dass sich ÖVP und Grüne auf eine Mindeststudienleistung ab dem Wintersemester 2021 geeinigt hatten. Diese soll nur für neu zugelassene Studierende gelten, hieß es. Ursprünglich waren 16 ECTS pro Studienjahr (acht ECTS pro Semester) geplant gewesen, nun sollen 24 ECTS in zwei Jahren (sechs ECTS pro Semester) erbracht werden müssen. Schafft man das nicht, erlischt die Zulassung für dieses Studium für zehn Jahre.
Ein Bachelorstudium dauert sechs Semester und verlangt in der Regel 180 ECTS. Für einen Abschluss in der Mindeststudienzeit benötigt man also 30 ECTS pro Semester. Studiert man somit in der gerade noch zulässigen Geschwindigkeit von 24 ECTS pro zwei Jahren, würde man für einen Abschluss 15 Jahre brauchen. Das ist das Fünffache der Mindeststudienzeit. Eine Mindestleistung war im Gesetz bisher nicht vorgesehen – allerdings erhalten Universitäten seit zwei Jahren mehr vom Budgetkuchen, wenn die Prüfungsaktivität ihrer Studierenden (16 ECTS pro Studienjahr) höher ist.
„So macht Politik Freude, was nicht immer der Fall ist“
Gerade deshalb heißt es auch in einem Papier („Eckpunkte der UG-Novelle“) des Wissenschaftsressorts, dass die Reform des Universitätsgesetzes beiden Seiten hilft: Studierenden werde dabei geholfen, das Studium gut zu planen, um in der Regelzeit abschließen zu können. Und eine höhere Prüfungsaktivität erhöhe auch das Budget der Hochschule – was laut dem Ressort auch den Studierenden zugutekommt.
ECTS-Punkte
Das ECTS-Punktesystem (European Credit Transfer and Accumulation System) soll z. B. eine Vergleichbarkeit von erbrachten Studienleistungen ermöglichen. Ein ECTS-Punkt bedeutet umgerechnet einen Arbeitsaufwand in Höhe von 25 bis 30 Stunden.
Die UG-Novelle sei nicht im „stillen Kämmerlein“ entstanden, sagte ÖVP-Wissenschaftsminister Heinz Faßmann am Dienstag bei der Präsentation der Novelle. Sie sei „intensiv“ mit den Vertretern und Vertreterinnen an den Universitäten und dem Koalitionspartner (Grüne, Anm.) diskutiert worden. Mit der grünen Wissenschaftssprecherin und ehemaligen Rektorin Eva Blimlinger seien die Gespräche „besonders ertragreich“ gewesen. „So macht, muss ich ganz offen sagen, Politik Freude, was leider nicht immer der Fall ist“, sagte Faßmann.
Zur nun vorgestellten Novelle und der darin festgesetzten Mindestleistung sagte der Minister, dass auch strengere Regeln im Gespräch gewesen seien. „Andere Stakeholder wollten deutlich mehr“, so Faßmann. Universitäten müssten wissen, für wie viele Studenten und Studentinnen sie eine bestimmte Infrastruktur bereithalten müssen. „Wie viele Professorinnen und Professoren brauche ich?“, fragte er. Fachhochschulen wüssten es, Universitäten noch nicht. „Keiner von uns will Studierende sekkieren“, sagte Faßmann weiter. Studierende sollen sich aber klar deklarieren, dass sie ein Fach ernsthaft studieren.

Blimlinger betonte Erleichterungen
Umgekehrt gebe es auch Erleichterungen für Studierende, betonte Blimlinger, die sagte, dass sie mit der Mindestleistung keine Freude habe, aber gut damit leben könne. Sie unterstrich eine Beweislastumkehr bei der Anrechnung von ECTS-Punkten. Die Hochschulen müssen nun nachweisen, dass an anderen Einrichtungen erbrachte Leistungen nicht anerkannt werden können. Bis zu einem Ausmaß von 90 ECTS können außerdem wissenschaftliche und künstlerische Tätigkeiten/Praktika, berufliche Qualifikationen und Vorqualifikationen einer berufsbildenden höheren Schule (z. B. HTL, HAK) angerechnet werden.

Darüber hinaus wolle man „ECTS-Gerechtigkeit“ schaffen. Derzeit würden vielfach aufwendige Lehrveranstaltungen nur mit wenigen ECTS-Punkten bewertet, um alles in ein Studium „hineinpacken“ zu können, so Blimlinger. Auch für Studierende in einer fortgeschrittenen Studienphase gibt es Neuerungen: Nach Absolvierung von 100 ECTS können Unis mit ihnen „Learning Agreements“ schließen. Diese umfassen Unterstützungen im Austausch gegen Studienleistungen – beispielsweise die Rückerstattung von Studiengebühren.
Beurlaubungen sind künftig auch unter dem Semester möglich, nicht nur zu Beginn eines Semester. In Zukunft werde es auch ein kombiniertes Master- und Doktoratsstudium geben, das binnen fünf Jahren absolviert werden könne, sagte Blimlinger. Damit wolle man den wissenschaftlichen Nachwuchs fördern. „Selbstverständlich“ gebe es in den Regierungsparteien unterschiedliche Standpunkte, sagte die ehemalige Rektorin. „Wenn sie gleich wären, müssten wir nicht koalieren, sondern hätten eine Alleinregierung.“
Richtlinienkompetenz für Rektorate
Änderungen gibt es auch im Organisationsrecht: Die Rektorate erhalten eine Art Richtlinienkompetenz für die Ausgestaltung von Studienplänen. Damit wird in die bisherige Kompetenz der Senate eingegriffen – allerdings sollen sich die Richtlinien auf formale Änderungen beschränken wie das Vorsehen eines bestimmten Umfangs von Wahlmöglichkeiten bei Lehrveranstaltungen und die Verpflichtung zu einem Mobilitätsfenster. „Die curriculare Gestaltungsautonomie der Senate bleibt unangetastet“, sagte Faßmann. „Weder Ministerium noch Rektorate bestimmen die Inhalte der Studien, die inhaltliche Kompetenz bleibt bei den Senaten.“
Pressekonferenz „Eckpunkte der UG-Novelle“
ÖVP-Wissenschaftsminister Heinz Faßmann und die Wissenschaftssprecherin der Grünen, Eva Blimlinger, haben am Dienstag die Reform des Universitätsgesetzes präsentiert.
Kleine Änderungen gibt es auch bei der Rektorenbestellung: Die bisherige Findungskommission aus Senats- und Uniratsvorsitzendem wird auf fünf Personen erweitert (je zwei von Senat und Unirat plus ein gemeinsam bestelltes Mitglied). Eine größere Neuregelung betrifft dagegen die erste Wiederbestellung eines Rektors: Bisher war diese mit Zweidrittelmehrheit von Senat und Unirat möglich – künftig reicht die Zweidrittelmehrheit im Unirat. Damit sollen dem Vernehmen nach „Reform-Rektoren“, die sich in ihrer Amtszeit mit dem Senat „anlegen“, geschützt werden.
Ab der zweiten Wiederbestellung bleibt es bei der doppelten Zweidrittelmehrheit. Apropos Rektor: Für diese Position gibt es künftig eine Altersgrenze von 70 Jahren – Amtszeiten enden mit Vollendung dieses Lebensjahrs. Für die Wahlvorschläge der je zur Hälfte von Bundesregierung und Senaten bestellten Uniräte ist künftig eine Begründungspflicht vorgesehen.
Verjährungsfrist für Plagiate
Künftig können auch Ghostwriter mit bis zu 25.000 Euro bestraft werden – bisher hatten nur Studenten, die Arbeiten von anderen verfassen ließen, mit Konsequenzen zu rechnen. Außerdem wird eine Verjährungsfrist von 30 Jahren für Plagiate eingeführt – keine Verjährung gebe es im Rechtssystem ansonsten nur für Mord, so Blimlinger.
Neu geregelt werden auch die Kettenarbeitsverträge an Unis, mit denen befristete Arbeitsverhältnisse aneinandergereiht werden können. Künftig soll es dafür ein Limit von höchstens acht Jahren für die ganze Zeit an einer Uni geben. Ein kurzfristiger Wechsel mit anschließender Rückkehr an die Uni, um so der Entfristung zu entgehen, soll nicht mehr möglich sein, so Blimlinger. Allerdings werde es Ausnahmen für bestimmte Drittmittelprojekte geben.
Schließlich werden offiziell geschlechtsspezifische Titel möglich: Auch auf Urkunden kann damit eine" Dr.a", „Mag.a“ und ein „Dipl.-Ing.x“ (hochgestellt) für das dritte Geschlecht geführt werden.
SPÖ und FPÖ reagieren mit Kritik
Für SPÖ-Wissenschaftssprecherin Andrea Kuntzl kommt die Novelle nicht nur zum falschen Zeitpunkt, „es werden vor allem auch die falschen Maßnahmen gesetzt“, hieß es in einer Stellungnahme. „Wir wissen alle, dass die Universitäten, insbesondere die Studierenden, durch die Corona-Situation extrem unter Druck sind. Es ist nicht nachvollziehbar, warum zu diesem Zeitpunkt der Druck auf die Studierenden erhöht wird, statt sie zu unterstützen.“ FPÖ-Mandatar Martin Graf sprach von einem „Bürokratiemonster, das nichts bringt, aber im Endeffekt den Steuerzahler viel kostet“.
Anders sieht es freilich ÖVP-Wissenschaftssprecher Rudolf Taschner, der die Novelle lobte. Es komme zu einer „ECTS-Gerechtigkeit, also eine Garantie, dass drin ist, was draufsteht“, so Taschner in einer Aussendung. „Alle wissen damit genau, was auf sie in einer Lehrveranstaltung oder bei einer Prüfung zukommt und wie viele Stunden sie aufwenden müssen.“
Durchwachsen bewertete die Präsidentin der Universitätenkonferenz (uniko), Sabine Seidler, die Änderungen. „Hinsichtlich der Verbindlichkeit ist ein erster Schritt getan. Manche Maßnahmen sind aber derart verwässert, dass von der ursprünglichen Idee wenig überbleibt“, sagte sie und betonte, dass die Reduktion der Mindestleistung auf 24 ECTS-Punkte in den ersten vier Semestern für das Bachelorstudium noch immer „eine fast unbegrenzte Dauer der Studienzeit“ ermögliche.
Studierende hadern mit Novelle
Für die Grünen und Alternativen StudentInnen (GRAS) bringt dieselbe geplante Mindeststudienleistung eine „grobe Verschlechterung“ und eine starke Erhöhung des Leistungsdrucks. Der Verband Sozialistischer StudentInnen (VSStÖ) warf der Regierung vor, dass sie Studierende wie ungezogene Kinder behandle, die man bestrafen müsse. Die HochschülerInnenschaft der Uni Wien sieht Studenten dadurch „auf ihr humanes Wissenskapital reduziert“.
Für die NEOS-Studentenfraktion JUNOS hilft die Regelung höchstens dabei, Karteileichen auszusortieren; gleichzeitig geht ihr die Exmatrikulation als Konsequenz zu weit. Für mehr Verbindlichkeit im Studium brauche es nachgelagerte Studiengebühren. Die Vorsitzende der Österreichischen HochschülerInnenschaft (ÖH), Sabine Hanger von der ÖVP-nahen AktionsGemeinschaft (AG), betonte indes, dass die ÖH immerhin eine Verringerung der zum Weiterstudium notwendigen Mindestpunktezahl erreicht habe.
Skeptisch gesehen wird auch, dass die Senate bei einer ersten Wiederbestellung des Rektors keine Mitsprache mehr haben und Rektorate künftig bei den Studienplänen mitreden können sollen. Die GRAS sieht darin eine „Entmachtung“ der Senate. Für die ÖH der Uni Wien werden damit Uniangehörige von Entscheidungen ausgeschlossen, gleichzeitig werde der politischen Einflussnahme Tür und Tor geöffnet. Für JUNOS wird die demokratische Mitbestimmung der Studenten „mit Füßen getreten“. Die Gruppe „Bildung brennt“ kritisierte darüber hinaus, dass die Regierung grundlegende Änderungen des UG inmitten einer globalen Pandemie „durchpeitschen“ wolle.