Ex-EU-Delegationsleiter von Viktor Orbans Fidesz, Jozsef Szajer
Europäisches Parlament
Ungarn

Regierung schweigt zu Sexparty-Skandal

Der Sexparty-Skandal des ungarischen Europaabgeordneten Jozsef Szajer von der rechtskonservativen FIDESZ-Partei, der auch Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban angehört, hat am Dienstag die Wogen in Brüssel mitten in der Coronavirus-Krise hochgehen lassen. Überraschend, wenn auch nichtssagend, fiel dann am Mittwoch die Reaktion der ungarischen Regierung aus. Der Tenor lautet: kein Kommentar.

„Warum müsste ich dazu irgendetwas sagen?“, reagierte der ungarische stellvertretende Ministerpräsident Zsolt Semjen auf den Skandal rund um Szajer, und auch andere Regierungsmitglieder gaben sich bedeckt. Justizministerin Judit Varga erklärte lediglich auf Frage des Onlineportals Telex.hu, dass Szajer in dieser Situation die einzig richtige Entscheidung getroffen habe. Ähnlich äußerte sich dessen FIDESZ-Delegation im Europaparlament.

Während sich die Regierungsseite in Schweigen hüllt, wirft die Opposition dem FIDESZ-Politiker Scheinheiligkeit vor. Der Europaabgeordnete der rechten Jobbik-Partei, Marton Gyöngyösi, kritisierte: Mit Szajer gebe es einen weiteren FIDESZ-Politiker, der die so oft erwähnte christlich-konservative Moral für sich selbst nicht als verbindlich halte.

Viktor Orban und Zsolt Semjen im ungarischen Parlament
AP/Zoltan Mathe
Orban sowie seine Parteikolleginnen und -kollegen wollen nichts sagen

Die liberale Partei Momentum hält es für inakzeptabel, dass ein Politiker glaube, sich über das Gesetz stellen zu können, in Zeiten der Coronavirus-Pandemie, in der die Opferzahlen ständig steigen und strikte Einschränkungen für die Rettung von Menschenleben notwendig seien. Die oppositionellen Sozialisten (MSZP) hinterfragten die Glaubwürdigkeit der Familienpolitik von FIDESZ. An der Entstehung des neuen Familienmodells von männlichem Vater und weiblicher Mutter war Szajer nämlich maßgeblich beteiligt. Die Grünen (LM) beanstandeten, das FIDESZ seine eigenen Leute zwinge, mit Lügen zu leben.

Illegale Veranstaltung

Szajer hatte am Freitag an einer verbotenen Party in Räumlichkeiten über einer Bar im Zentrum Brüssels teilgenommen. Das gab Szajer am Dienstag in einer Aussendung zu. Mehrere der Teilnehmer waren laut „Le Soir“ nackt. Nachdem die belgische Polizei laut Medienberichten die verbotene Orgie mit Drogen, Sex und Alkohol in einer bekannten Bar der Brüsseler Schwulenszene sprengte, versuchte Szajer über eine Dachrinne zu fliehen, wurde jedoch gefasst.

Dabei soll er sich die Hand verletzt und daher Blut an seinen Händen gehabt haben. Im Rucksack des Betroffenen seien zudem Drogen gefunden worden. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft drohen den Teilnehmern der Party 250 Euro und den Veranstaltern bis zu 750 Euro Strafe. Gegen Szajer ermitteln die Behörden allerdings zusätzlich wegen Drogenbesitzes – „nach Aufhebung der parlamentarischen Immunität“.

Szajer gab Mandat zurück

Szajer, ein Gründungsmitglied der FIDESZ, war von 1994 bis 2002 Fraktionschef der FIDESZ im ungarischen Parlament. Er hatte am Sonntag sein Abgeordnetenmandat zurückgegeben. Laut damaliger Aussendung würde die Teilnahme an den aktuellen politischen Kämpfen eine immer größere seelische Belastung für ihn bedeuten. In seiner aktuellen Aussendung schrieb Szajer jedoch zu den wahren Gründen seiner Mandatsniederlage: „Mit meinem am Sonntag angekündigten Rücktritt habe ich die persönlichen und politischen Konsequenzen gezogen.“ Szajer bat Familie, Kollegen und Wähler um Verzeihung für seinen „Fehltritt“.

Unter den wenigen, noch nicht auf Linie der FIDESZ-Regierung gebrachten unabhängigen Medien in Ungarn sowie unter Brüssel-Korrespondent aus allen EU-Ländern herrschte große Aufregung. Szajer hätte sich im „LGBT-freundlichen Brüssel“ vergnügt, während er „daheim die Verfassung umgeschrieben“ habe, sodass homosexuelle Paare systematisch diskriminiert würden, schrieb etwa der ungarische Journalist Szabolcs Panyi auf dem Kurznachrichtendienst Twitter.

Rückschlag für Orban

Der Skandal ist nicht nur für Szajer, sondern auch für Orban mehr als peinlich – und kommt zu einem höchst ungelegenen Zeitpunkt: FIDESZ ist seit 2019 als Mitglied von der Europäischen Volkspartei (EVP) im EU-Parlament suspendiert.

Ex-EU-Delegationsleiter von Viktor Orbans Fidesz, Jozsef Szajer
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Szajer gilt als enger Vertrauter Orbans und prägte die LGBTQ-feindliche Politik Ungarns stark mit

Viele Fraktionsmitglieder fordern angesichts der Einschränkungen der Medienfreiheit und der andauernden Vorwürfe von Korruption und schweren Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit den Ausschluss. Seit Jahren läuft ein Prüfverfahren der EU-Kommission gegen Ungarn wegen Rechtsstaatsverletzungen. Derzeit drohen Ungarn und Polen, den nächsten mehrjährigen EU-Budgetrahmen und die Milliardenhilfen für die CoV-Pandemie zu blockieren, da diese mit der Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit junktimiert sind.

Szajer sitzt seit 2004 für seine Partei im EU-Parlament. Er gilt als Vertrauter und europapolitischer Arm von Regierungschef Viktor Orban, dessen Regierung unter anderem wegen der Untergrabung der Rechte sexueller Minderheiten immer wieder in der Kritik steht. FIDESZ spricht sich offen gegen gleiche Rechte für LGBTQ-Menschen aus. So verhinderte die mit absoluter Mehrheit regierende FIDESZ heuer auch, dass die Geschlechtsidentität in offiziellen Dokumenten umgetragen werden kann. FIDESZ ist außerdem gegen das Recht für homosexuelle Paare, Kinder zu adoptieren.