WKStA-Leiterin Ilse-Maria Vrabl-Sanda
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Einflussnahme auf WKStA?

Brisante Andeutungen in „Ibiza“-Ausschuss

Der offiziell letzte „Ibiza“-Befragungstermin dieses Jahres hat am Donnerstag mit den Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) begonnen. Auf der Auskunftsbank saß die Leiterin der Behörde, Ilse-Maria Vrabl-Sanda. Für offene Fragen sorgte ein im U-Ausschuss erwähntes „junges Verfahren“ zur politischen Einflussnahme auf die Ermittlungen der WKStA.

Vrabl-Sanda sagte zu Beginn der Befragung, dass das „Ibiza“-Verfahren „politisch durchdrungen“ sei. Über eine politische Einflussnahme auf ihre Behörde wollte sie medienöffentlich allerdings nichts sagen. NEOS-Mandatarin Stephanie Krisper hatte davor eine entsprechende Frage gestellt, die sich dann zu einer Stehung entwickelte, in der über dieses Thema gesprochen wurde. Verfahrensrichter Ronald Rohrer, der Wolfgang Pöschl am Donnerstag vertrat, hielt dann schließlich fest: Es gebe ein „sehr junges“ Verfahren zum politischen Einfluss. Es seien aber noch keine Vorkehrungen dazu getroffen worden.

Im Laufe der Befragung versuchte Krisper dann, das Thema „politische Einflussnahme“ einzugrenzen, indem sie etwa die erste Weisung, die es im „Ibiza“-Verfahren gab, ansprach. Statt Ermittlungen sollte die WKStA zuerst Erkundigungen zur Prüfung des Anfangsverdachts anstellen – obwohl die WKStA bereits von einem Anfangsverdacht ausging. So etwas habe es noch nie gegeben, bestätigte die WKStA-Chefin. Nähere Details blieben aber auch hier aus. Medienöffentlich könne sie darüber nicht sprechen, sagte sie. Dem Justizministerium ist laut „Standard“ derzeit kein Verfahren um „politische Einflussnahme“ bekannt.

WKStA-Leiterin Ilse-Maria Vrabl-Sanda vor dem Ausschuss-Lokal
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Die Leiterin der WKStA, Vrabl-Sanda, stellte sich am Donnerstag den Fragen der Abgeordneten

Nach einer vertraulichen Sitzung, die im „alten“ Ausschuss-Lokal stattfand, weil das Camineum in der Hofburg nicht abhörsicher ist, bohrte Krisper nach und wollte wissen, wer denn für das erwähnte „junge Verfahren“ zuständig sei. Zuerst schüttelte Vrabl-Sanda den Kopf, danach Verfahrensrichter Rohrer. „Ich glaube nicht, dass das Untersuchungsgegenstand ist. Ich bin der Überzeugung, dass das nicht so ist“, sagte er. Krisper nahm das zur Kenntnis und wechselte das Thema: Berichtspflichten und Weisungen.

Weisungen großes Thema in der Befragung

Die Befragung drehte sich schon zuvor um die Arbeit der WKStA und wie diese beeinflusst oder nicht beeinflusst wird. „Wir haben etliche Weisungen bekommen“, sagte Vrabl-Sanda auf eine entsprechende Frage von Grünen-Mandatar David Stögmüller. Es habe auch eine Weisung zur Übergabe des „Ibiza“-Videos gegeben, ergänzte sie. Ein Oberstaatsanwalt der Oberstaatsanwaltschaft (OStA) Wien, die für die WKStA zuständig ist, habe einmal eine E-Mail rund um die Sichtung des Videos im Nachhinein als Weisung ausgeschildert. Am Tag der Übermittlung des Videos der „SoKo Tape“ an die WKStA sei es darum gegangen, das aufbereitete Ermittlungsmaterial bei der SoKo zu sichten, da diese andere technische Möglichkeiten habe als die WKStA.

Andreas Hanger (ÖVP)
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Ausschussvorsitzender Andreas Hanger (ÖVP) leitet die Mitglieder in das abhörsichere Lokal 7

„Wir haben da letztlich schon noch gemeint, dass da wieder die Begründung fehlt“, so die Staatsanwaltschaftschefin. „Nach meiner Erinnerung war es dann so, dass eine Begründung gekommen ist, aber auch der Vorwurf, dass wir uns nicht weisungskonform verhalten würden, obwohl das aus meiner Sicht ja gar nicht stimmt.“ Sie betonte, dass Weisungen „etwa Gutes“ seien, wenn sie zur Klarstellung dienten.

Als Rüge empfand die Auskunftsperson, wenn „etwas ganz Unspektakuläres“ hinterfragt werde. „Aber ich spreche im Namen des Empfängers, nicht im Namen des Senders der Weisungen“, ergänzte sie. Vrabl-Sanda sagte, sie wisse aber auch, „dass man uns durchaus zur Last legt, dass wir solche Berichte schreiben, die als provokant empfunden werden können. Aber sonst könnte man uns schon fragen, was tun wir eigentlich beruflich – wenn man zu allem schweigt.“

WKStA-Leiterin Ilse-Maria Vrabl-Sanda vor dem Ibiza-U-Ausschuss
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Wegen des Coronavirus wurden die Schutzmaßnahmen erhöht – etwa in Form von Plexiglasscheiben.

Verfahrensrichter Ronald Rohrer, der am Donnerstag Wolfgang Pöschl vertrat, fragte Vrabl-Sanda zu Beginn, wie die Zusammenarbeit mit der „SoKo Tape“ laufe und welcher Behörde sie unterstellt sei. „Das wissen Sie, dem Bundeskriminalamt“, antwortete Vrabl-Sanda. „Ich weiß, aber ich habe mir das angeschaut. Gesetzlich wäre das Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung zuständig“, sagte Rohrer. Ihre Kollegen seien vom Leiter der Sonderkommission, Andreas Holzer, über die Installierung der Einheit informiert worden, betonte die Leiterin der Korruptionsstaatsanwaltschaft.

Zusammenarbeit mit „SoKo Tape“ nun gut

Berichte über Probleme in der Zusammenarbeit zwischen WKStA und „SoKo Tape“ habe sie erst später erhalten. Den „Sachstandsbericht“, der von der „SoKo Tape“ verfasst wurde und in dem die WKStA nicht gerade positiv dargestellt wird, habe ihre Behörde gar nicht erhalten. Der Bericht sei erst anonym mit einem Wasserzeichen der ÖVP der Staatsanwaltschaft zugespielt worden. Darüber hatte schon ein WKStA-Staatsanwalt im U-Ausschuss berichtet. Das ÖVP-Wasserzeichen weist daraufhin, dass die Fraktion zumindest im Besitz des Berichts war.

Zu den Befangenheitsvorwürfen gegen SoKo-Mitglieder sagte Vrabl-Sanda, dass das „Ibiza“-Verfahren politisch durchdrungen sei. Ihre Kollegen und Kolleginnen hätten schon Sorge gehabt, dass Beamte der Sonderkommission politischen Parteien nahestehen und damit die Ermittlungsergebnisse „kontaminiert“ werden könnten. Der damalige Justizminister Clemens Jabloner hatte jedoch festgehalten: „Der bloße Umstand einer Mitgliedschaft in einer Partei vermag (…) keinen Anschein einer Befangenheit zu begründen.“ In den Akt sei das jedoch nicht aufgenommen worden, sagte Vrabl-Sanda, die die Frage, ob die Zusammenarbeit mit der „SoKo Tape“ nun reibungslos laufe, bejahte.

Personalengpässe und zahlreiche Großverfahren

Schon vor der Befragung hatte Vrabl-Sanda ausführlich die Arbeit der WKStA dargestellt. „Ich weiß, dass wir nicht alles richtig machen“, so die Leiterin, aber man lerne aus jedem Verfahren und vertiefe die Expertise. Vrabl-Sanda sprach Personalengpässe wegen der großen und komplexen Verfahren an. Man führe 240 Verfahren gegen rund 2.400 Beschuldigte, davon seien 80 Verfahren Großverfahren mit mehrere Strängen – wie etwa die „Ibiza-Affäre“. 38 Staatsanwälte und Staatsanwältinnen (inkl. Vrabl-Sanda 39, Anm.) ermittelten, und daneben habe man auch noch andere Aufgaben, die zu erledigen seien.

Abgeordnete im Ibiza-U-Ausschuss
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Vor der Befragung bereiteten sich die Mitglieder des U-Ausschusses vor

So müssten etwa die Pressesprecher der WKStA rund um die Uhr bereitstehen, bekämen dafür aber kein zusätzliches Entgelt, auch anders als in anderen Bereichen. Kein Staatsanwalt könne sich auf einen einzigen Fall allein konzentrieren, alle hätten mehrere Fälle zu bearbeiten, auch wenn das Großverfahren seien. „Mein Job ist es zu schauen, dass die Staatsanwälte unbeeinflusst und ungestört arbeiten können“, sagte Vrabl-Sanda und deutete an, dass das in der Causa „Ibiza“ und in der Causa Casinos schwierig war. Die Ermittlungen seien trotzdem „gut fortgeschritten“.

Der Akt zu den Vereinen (Vorwurf der Parteispenden, Anm.) sei großteils eingestellt. Die WKStA-Leiterin merkte an, dass eine Einstellung eines Verfahrens nicht „blamabel“ sei, wie es oft dargestellt werde. „Wir haben die gesetzliche Aufgabe, Ermittlungen zu führen, die historische Wahrheit zu ermitteln“, sagte sie den Abgeordneten. Sie warnte davor, dass die Arbeit der Korruptionsstaatsanwaltschaft an der Zahl der Anklagen gemessen werde. Die Staatsanwaltschaft habe nicht „gewonnen“, wenn es zu einer Anklage komme.

Krainer: Staatsanwältin erhielt „schwarzen Punkt“

Zuletzt wurde bekannt, dass eine fallführende Staatsanwältin nicht mehr Teil der WKStA ist. Sie ermittelte etwa in der „Schredder-Affäre“, die nicht über den Ermittlungsstatus hinausgekommen war. In der Affäre gab es Auffassungsunterschiede zwischen der „SoKo Ibiza“ und der WKStA. Am Ende wurden die Ermittlungen abgetreten und eingestellt. Vrabl-Sanda erklärte, dass es bereits mehrere Dienstaufsichtsverfahren gegeben habe, und in einem sei es „eskaliert“. Von der OStA habe man eine „Ausstellung“ als Disziplinierungsmaßnahme erhalten, die in den Personalakt aufgenommen worden sei.

David Stögmüller (Grüne)
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Die Grünen-Abgeordneten Nina Tomaselli und David Stögmüller betreten das Camineum in der Hofburg

Inzwischen seien diese Ausstellungen vom Justizministerium wieder zurückgenommen worden und befänden sich nicht mehr im Personalakt, so Vrabl-Sanda. Sie kenne nur den Erlass von der OStA, der zur Rücknahme geführt habe, aber nicht die Weisung durch das Ressort. SPÖ-Mandatar Kai Jan Krainer fragte ausholend nach, ob es richtig sei, dass die Staatsanwältin eine interne E-Mail der OStA zur „Schredder-Affäre“ in das WKStA-Tagebuch des „Stammverfahrens“ gegeben habe. „Es gab einen schwarzen Punkt für die Staatsanwältin“, so Krainer.

Vrabl-Sanda bejahte und führte aus, dass ein anderer Kollege von der OStA die E-Mail bekommen habe, wonach der „Schredder-Affäre“-Akt dem U-Ausschuss nicht vorzulegen sei. Diese interne E-Mail habe dann die Kollegin zum „Tagebuch des Stammverfahrens“ (Causa Casinos, Anm.), das laut Vrabl-Sanda für externe Personen nicht zugänglich sei, genommen. Nach Ansicht der OStA hatte diese Mail laut Vrabl-Sanda nicht in das Tagebuch gehört und deswegen kam es zu der Ausstellung, die am Ende wieder zurückgenommen wurde. Krainer fragte auch, ob die Staatsanwältin für die Ermittlungen zum Alois-Mock-Institut zuständig gewesen ist. Vrabl-Sanda bejahte.