Medizinisches Personal in Schutanzügen bei den Massentests in der Wiener Stadthalle
picturedesk.com/Tobias Steinmaurer
Massentests und Quarantäne

Probleme durch verspätete Bescheide

Mit den am Freitag in einigen Bundesländern anlaufenden Massentests sollen mit dem Coronavirus Infizierte gefunden werden, die keine Symptome haben. Diese und enge Kontaktpersonen (K1) müssen dann in Quarantäne. Doch schon bisher sorgten verspätet ausgestellte Absonderungsbescheide bei Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen für Probleme. Probleme gab es unterdessen auch auf der Anmeldewebsite für die Massentests.

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) bezeichnete es zwar als „schwer fahrlässig“, aufgrund der Quarantäne nicht an den Massentests teilzunehmen. Doch sei das durchaus eine Herausforderung, meinte Experte Niki Popper kürzlich. Die Arbeiterkammer (AK) fordert nun Abhilfe, dass behördliche Quarantänebescheide schneller schriftlich ausgestellt werden.

Es gebe zahlreiche Fälle, die bei der AK aufschlagen, wo Arbeitnehmer als CoV-Verdachtsfall von der Hotline 1450 eine telefonische Empfehlung bekommen, eine schriftliche Bestätigung werde aber nicht oder zu spät ausgestellt. Das führe zu massiven Problemen am Arbeitsplatz, erklärte AK-Wien-Direktor und Rechtsexperte Christoph Klein im Ö1-Mittagsjournal: „Es gibt Arbeitgeber, die sagen, komm arbeiten, es gibt keinen Beleg, dass du positiv bist. Es gibt Arbeitgeber, die verlangen den Abbau von Urlaub und Zeitausgleich.“ In Extremfällen führe das sogar zu Jobverlust.

Gesundheitsministerium verweist auf Länderkompetenz

Es brauche ein Schriftstück, per SMS oder E-Mail, das bestätige, dass man zu Hause bleiben soll. Das werde umso dringlicher angesichts der anlaufenden Massentests. Klein: „Wenn Millionen von Österreichern und Österreicherinnen getestet werden, werden wir Zigtausende positive Fälle und Kontaktpersonen haben, die dringend zu Hause bleiben sollen.“ Das müsse auch im Arbeitsrecht funktionieren. Klein empfiehlt daher ein formloses, aber beweiskräftiges Vordokument zur Absicherung. Das wäre auch im Interesse des Arbeitgebers. Denn nur mit einem schriftlichen Beweis könne der Ersatz für das Gehalt des Mitarbeiters in Quarantäne beantragt werden.

Testpersonal, 1450 und die Bezirksverwaltungsbehörden müssten per Erlass des Gesundheitsministeriums angewiesen werden, die Tatsache zu bestätigen, dass Verdachts- und Kontaktpersonen zu Hause bleiben müssten. Das Gesundheitsministerium verwies gegenüber Ö1 darauf, dass die Absonderungsbescheide durch die Bezirksverwaltungsbehörden ergehen. Für die Meldung an diese sei die jeweilige Landessanitätsdirektion verantwortlich. Die Kompetenz, die Ausfertigung der Absonderungsbescheide zu organisieren liege daher bei den Ländern. Man prüfe aber Möglichkeiten und sei im Austausch mit den Bundesländern.

Rund 100.000 Anmeldungen für Massentests

Aus den Massentests werden bereits ab Freitag erste Ergebnisse vorliegen, denn Wien, Tirol und Vorarlberg starten bereits am Freitag mit der Durchführung. Bei der Onlineregistrierung hätten sich innerhalb von 32 Stunden etwa 100.000 Menschen angemeldet, zeigte sich Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) am Donnerstag zufrieden. „Das ist das Zeichen und das Signal, dass die Bevölkerung gut mitmacht, und dafür bedanke ich mich recht herzlich.“

Eine Anmeldung für die Teilnahme an dem Massentest ist bei einem Großteil der Bundesländer über die Onlineplattform Oesterreich-testet.at möglich. Am Mittwoch musste die Plattform vorübergehend wegen einer Datenleckgefahr vom Netz genommen werden. Die Probleme wurden behoben und die Plattform ging wieder online. Vorarlberg und Niederösterreich setzen auf eigene Anmeldesysteme.

„Standard“: Daten von 800 Personen an Dritte gesendet

Wie der „Standard“ am Donnerstag berichtete, seien trotz anfänglicher Dementi Personendaten bei der Anmeldung auf Oesterreich-testet.at an Dritte weitergeleitet worden. Das habe die A1-Tochter World Direct gegenüber der Zeitung bestätigt. Am Mittwoch hatte es von World Direct noch geheißen, es sei bloß vergessen worden, Testdaten zu löschen, und das habe die Probleme ausgelöst.

Der „Standard“ zitierte das Unternehmen dann am Donnerstag, dass „in ca. 800 Fällen persönliche Daten fehlerhaft Dritten angezeigt“ wurden. Man habe nach den ersten Meldungen aber rasch reagiert und den Fehler nach einer kurzen Auszeit bereinigt. Zudem sei die Datenschutzbehörde über den Vorfall informiert worden, wie es gesetzlich vorgeschrieben sei. Außerdem sollen die betroffenen Personen noch im Laufe des Donnerstags eine Information mit der Bitte bekommen, sich noch einmal zu registrieren.

Probebetrieb in Wiener Stadthalle

In der Wiener Stadthalle begann am Donnerstag dennoch schon der Probebetrieb für Massentests. „Ich bin sehr zufrieden, dass wir den Zeitplan einhalten können“, sagte der Wiener Gesundheitsstadtrat Peter Hacker. Die Kapazität an den drei Standorten in Wien – Stadthalle, Messe Wien und Marx-Halle – ist insgesamt für bis zu 150.000 Testungen pro Tag ausgelegt – mehr dazu in wien.ORF.at.

Coronavirus-Teststation In der Gemeinde Axams in Tirol
APA/EXPA/Erich Spiess
Die letzten Vorbereitungen für Teststationen wie hier in Axams in Tirol laufen

In Tirol begannen das Bundesheer und die Freiwilligen Feuerwehren mit der logistisch herausfordernden Verteilung der 600.000 Testkits – mehr dazu in tirol.ORF.at.

Kurz verteidigt Massentests

Zuvor hatte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Mittwoch in der ZIB2 einmal mehr die Massentests verteidigt. „Die Anmeldung läuft jetzt wieder sehr gut“, sagte der Kanzler hinsichtlich der großen Probleme bei der Anmeldung dann am Abend. „Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Gesundheits- und Verteidigungsministerium haben auf Hochtouren gearbeitet“, so Kurz in der ZIB2, damit alles wieder funktioniere. Dass es Herausforderungen bei der Anmeldung gebe bei einem System, das gerade erst in kürzester Zeit programmiert worden sei, sei „vollkommen klar“.

Kanzler Kurz zu den Lockerungen

Die Regierung hat am Mittwoch Regeln für die Zeit nach dem Lockdown präsentiert. Der Handel sperrt wieder auf, die Unterstufen haben Präsenzunterricht, Hotels und Gastronomie bleiben aber zu. Zu den Lockerungen war Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) zu Gast in der ZIB2.

Als Grund nannte Kurz ein „technisches Problem“. Auch die Durchführung des Großprojekts der Massentests im ganzen Land verteidigte Kurz in der ZIB2 einmal mehr. Einfacher wäre es, das ganze Land zuzusperren, so der Kanzler, doch er habe sich für die Massentestungen entschieden. „Ich stehe zum Projekt der Massentests“, so der Kanzler.

Zweite Runde für Anfang Jänner geplant

Der Bundeskanzler kündigte „vielleicht rund um die Heiligen Drei Könige“, also am 6. Jänner, eine zweite Phase der Massentests an. Wie hoch die Zahlen am 7. Jänner sein könnten, damit der Lockdown beendet werden kann, wollte Kurz nicht genau sagen. Vielmehr wolle er, dass die Menschen jetzt die Maßnahmen mittragen und sich testen lassen würden, wenn auch der Test nur eine Momentaufnahme sei. „Bitte mitmachen“, appellierte der Kanzler.

Als Vorsitzender der Landeshauptleutekonferenz rief auch der Salzburger Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) am Donnerstag via Aussendung dazu auf, an den freiwilligen Massentests teilzunehmen: „Die anstehenden großflächigen Screenings sind ein wichtiges Instrument, um das Infektionsgeschehen in Österreich als Ganzes zu beurteilen und daraus die richtigen Maßnahmen zu ziehen. Deshalb unser dringender Appell an die Bevölkerung: Lassen Sie sich testen!“ Die Bundesländer seien sich darüber einig, dass die anstehenden Testungen ein wirkungsvolles Werkzeug gegen CoV seien. Man hoffe, damit zukünftige Lockdowns weitgehend verhindern zu können.

Eine erste Bilanz gibt es aus zwei CoV-Schnellteststraßen für Unternehmer und Arbeitnehmer in Niederösterreich. Bei den dort von Arbeiter- und die Wirtschaftskammer im November durchgeführten 3.390 Tests gab es 21 positive Ergebnisse – mehr dazu in noe.ORF.at.

Expertenmeinungen gehen auseinander

Uneinigkeit herrscht über den Effekt der Massentests. Während einige Experten wie etwa der Chef von Gesundheit Österreich, Herwig Ostermann, hoffen, die Dunkelziffer von asymptomatisch Infizierten dadurch drücken zu können, sprechen andere von „grobem Unfug“.

Florian Deisenhammer, Arbeitsgruppenleiter für Neuroimmunologie an der Universitätsklinik Innsbruck, etwa hält die Massentests für „ungeeignet, um Infektionsketten zu durchbrechen“. Die Zuverlässigkeit von Antigen-Tests an Gesunden sei nicht gesichert und das Risiko falscher Ergebnisse – positiv wie auch negativ – zu groß. Zudem müsse man die Inkubationszeit mitberücksichtigen: „Diese beträgt im Schnitt einige Tage, erst dann ist der Virus nachzuweisen, was heißt, das sehr frisch Infizierte nicht detektiert werden.“ Auch mit falsch positiven Ergebnissen sei zu rechnen.

Anschober: „Empfehlungen ernst genommen“

Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) betonte am Donnerstag, die Empfehlungen seines Expertenstabes ernst genommen zu haben. Um falsch positive Ergebnisse zu vermeiden, werde es in ganz Österreich eine Nachtestung mittels PCR-Test geben, so der Minister in einer Aussendung.

Außerdem habe die Regierung in ihrer Kommunikation klar darauf geachtet, keine falsche Sicherheit im Fall eines negativen Ergebnisses zu vermitteln. Das Testergebnis sei „nur einen Bestandsaufnahme des Testtages und kein Freibrief für Sorglosigkeit“, so Anschober. Auch der Vorschlag von Mehrfachtestungen werde mit der nach den Feiertagen geplanten zweiten Testrunde umgesetzt.