U-Ausschuss muss „Ibiza-Video“ vollständig bekommen

Justizministerin Alma Zadic (Grüne) muss dem Untersuchungsausschuss das gesamte „Ibiza-Video“ vorlegen, und zwar „ungeschwärzt“. Das hat der Verfassungsgerichtshof (VfGH) in einem heute veröffentlichten Erkenntnis entschieden.

SPÖ, FPÖ, NEOS und auch die Grünen hatten sich an die Höchstrichter gewandt, weil der Ausschuss nur eine teils abgedeckte Version des Videos und geschwärzte Transkripte erhalten hatte. Das war unzulässig, weil das Ministerium die Schwärzungen nicht begründete.

Dabei hatte die Korruptionsstaatsanwaltschaft am 8. Juni das vollständige Videomaterial erhalten. Dem Ausschuss zur Verfügung gestellt wurden aber nur jene Teile und Abschriften des Videos, die für die strafrechtlichen Ermittlungen als relevant eingestuft wurden. In ihrem Erkenntnis betonten die Höchstrichter, dass Zadic verpflichtet ist, auch Unterlagen vorzulegen, die formal nicht zum Ermittlungsakt der Staatsanwaltschaft genommen wurden.

Justiz kann Unterlagen schon zurückhalten

Auch die im Verfahren vorgebrachte Behauptung des Justizministeriums, wonach die geschwärzten Passagen gar nicht vom Untersuchungsgegenstand erfasst seien, lassen die Verfassungsrichter nicht gelten. Sie betonen, dass dieses Argument schon zuvor dem Ausschuss gegenüber hätte vorgebracht und begründet werden müssen.

Zadic will Video „ehestmöglich“ vorlegen

Zadic kündigte nach der Entscheidung an, das „Ibiza-Video“ „ehestmöglich“ dem Untersuchungsausschuss vorzulegen. In einer Aussendung begrüßte sie „die abschließende Lösung dieser wichtigen bislang noch ungeklärten Rechtsfrage“ durch den Verfassungsgerichtshof.

„Der Verfassungsgerichtshof hat entschieden, dass der parlamentarische Untersuchungsausschuss das ‚Ibiza-Video‘ inklusive jener Passagen erhalten kann, die formal von der Staatsanwaltschaft nicht zum Ermittlungsakt genommen wurden“, sagte Zadic. Sie werde daher anweisen, „das Video in Entsprechung des Erkenntnisses des VfGH dem U-Ausschuss vorzulegen“. Sowohl die Justiz als auch der Ausschuss arbeite auf Grundlage von Gesetzen: „Der Verfassungsgerichtshof hat jetzt eine für die Rechtsentwicklung wichtige Klärung vorgenommen.“

Für ÖVP „wichtige Orientierung“

ÖVP-Fraktionsführer Wolfgang Gerstl nannte das Erkenntnis eine „wichtige Orientierung für die künftige Arbeit“, nun sei Zadic am Zug. Zudem will die ÖVP nun ebenfalls das Höchstgericht anrufen, da die Ladung der ehemaligen Ex-Grünen-Chefin Eva Glawischnig von den anderen Fraktionen abgelehnt worden war. Für Gerstl ist die Ablehnung der Ladung Glawischnigs durch die anderen Fraktionen nicht nachvollziehbar, da diese „doch in sehr prominenter Position bei Novomatic angestellt“ gewesen sei. Auch habe sie in ihrer Funktion „vielseitigen Kontakt“ zu politischen Entscheidungsträgern gehabt.

Die grüne Fraktionschefin im Untersuchungsausschuss, Nina Tomaselli, sieht die Entscheidung als Beleg dafür, dass der Ausschuss Informationen der Justiz erhalten kann, die zwar nicht strafrechtlich, wohl aber politisch relevant sind. Durch die Unterlagen berührte Persönlichkeitsrechte will sie durch die Vergabe entsprechender Geheimhaltungsstufen wahren. Tomaselli geht davon aus, dass jene Passagen des „Ibiza-Videos“, die Persönlichkeitsrechte berühren, der Geheimhaltungsstufe zwei unterliegen werden. Damit könne man die Passagen ausschließlich in den Räumlichkeiten der Parlamentsdirektion sichten und nur unter Ausschluss der Medienöffentlichkeit besprechen.

Opposition sieht sich bestätigt

Die Oppositionsparteien SPÖ, NEOS und FPÖ sehen sich nun bestätigt. SPÖ-Fraktionsführer Kai Jan Krainer ortete in der VfGH-Entscheidung, die nach seinem Dafürhalten dem gemeinsamen Antrag „in vollem Umfang“ recht gegeben habe, einen „Sieg für die Aufklärung“. Für Krainer ist das Erkenntnis auch über den Anlassfall hinaus für die Arbeit des U-Ausschusses bedeutsam, insofern, als auch das Bundeskanzleramt bzw. andere Ministerien die Lieferung von Akten und Unterlagen verweigerten. Daher sei es „kein Zufall, dass die ÖVP im Untersuchungsausschuss die einzige Partei war, die den Antrag an den VfGH nicht unterstützt hat“.

Erfreut reagierte naturgemäß auch NEOS-Fraktionsführerin Stephanie Krisper: „Wir haben immer gesagt, dass es völlig absurd ist, wenn das österreichische Parlament wegen des ‚Ibiza-Videos‘ einen Untersuchungsausschuss einsetzt – und dann das Corpus Delicti nur geschwärzt und manipuliert übermittelt bekommt.“ Traurig sei jedoch, dass man dafür das Höchstgericht habe anrufen müssen, „was natürlich wertvolle Zeit kostet“, so Krisper.

Wenig überraschend ist das VfGH-Erkenntnis auch für FPÖ-Fraktionsführer Christian Hafenecker, sei doch das Höchstgericht der Argumentation der Antragsteller im Wesentlichen gefolgt. Hafenecker freute sich auf APA-Anfrage über die „Rechtssicherheit“ und betonte, dass die Entscheidung viel weitreichender sei. Schließlich klassifiziere der VfGH das öffentliche Interesse des U-Ausschusses höher als die Persönlichkeitsrechte Dritter.