Karl Heinz Grasser
APA/Roland Schlager
BUWOG-Prozess

Grasser will gegen Hafturteil berufen

Der ehemalige Finanzminister Karl-Heinz Grasser (FPÖ/parteilos) und alle weiteren Hauptangeklagten sind am Freitag rund um die Causen BUWOG und Terminal Tower zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden. Akzeptieren will Grasser den Schuldspruch nicht. Sein Anwalt kündigte noch während der Urteilsverkündung an, Berufung einzulegen.

Für das Schöffengericht stand am Ende des fast dreijährigen Prozesses fest: Grasser habe sich an Schmiergeldzahlungen rund um die Privatisierung der BUWOG und das Linzer Bürohauses Terminal Tower persönlich bereichert – und damit die Republik geschädigt. Der ehemalige Finanzminister werde wegen Untreue und Geschenkannahme durch Beamte sowie Beweismittelfälschung zu acht Jahren Haft verurteilt, legte Richterin Marion Hohenecker bei der Urteilsverkündung im Großen Schwurgerichtssaal des Wiener Straflandesgerichts dar.

Auch Grassers Trauzeugen, den Ex-FPÖ-Generalsekretär Walter Meischberger, sowie den Lobbyisten Peter Hochegger befand das Gericht für schuldig. Meischberger wurde zu sieben Jahren, Hochegger zu sechs Jahren Haft verurteilt. Hafstrafen sprach das Gericht auch gegen Ex-Immofinanz-Chef Karl Petrikovics (zwei Jahre teilbedingt) und Ex-RLB-OÖ-Bankvorstand Georg Starzer (drei Jahre teilbedingt) aus. Der Anwalt Gerald Toifl wurde zu zwei Jahren teilbedingter Haft und der Schweizer Vermögensverwalter Norbert Wicki zu 20 Monaten bedingter Haft verurteilt. Alle Urteile sind nicht rechtskräftig, für die Angeklagten gilt weiterhin die Unschuldsvermutung.

Für Grasser und Meischberger bedeutet das Urteil auch, dass sie dem Bund ihren Provisionsanteil aus der BUWOG-Privatisierung zahlen müssen. Sollte das Urteil rechtskräftig werden, kann der Bund ihre Anteile an der Millionenprovision direkt von ihnen einfordern. Sollten Grasser und Meischberger die Forderung des Bundes nicht zahlen können, könnte sich der Staat an Petrikovics und Starzer halten.

Grasser beklagt „politisches Urteil“

Für Grasser ist der Prozess mit dem Urteilsspruch freilich noch nicht zu Ende. Er sprach nach der Urteilsverkündigung von einem „Fehlurteil“ und sah darin ein „politisches Urteil“. „Ich weiß, dass ich unschuldig bin“, so Grasser. Es sei selbstverständlich, in Berufung zu gehen. Laut dem ehemaligen Finanzminister in der damaligen ÖVP-FPÖ- und ÖVP-BZÖ-Regierung „gibt es in über elf Jahren keinen Beweis für ein unrechtes Handeln meiner Person“. 150 Zeugen hätten ihn im Verfahren entlastet.

Karl-Heinz Grasser
APA/Helmut Fohringer
Grasser kündigte an, das Urteil vor dem OGH zu bekämpfen

„Dieses Urteil hat nichts mit Fairness und Gerechtigkeit zu tun“, er sei zuversichtlich, dass das Urteil vor dem Höchstgericht nicht standhalten wird. Bereits während der Urteilsverkündung hatte Grassers Anwalt Manfred Ainedter angekündigt, das Urteil „selbstverständlich mit Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an den OGH“ zu bekämpfen.

ORF-Reporter Johannes Schwitzer-Fürnsinn zum Urteil

Wie überraschend ist dieses Urteil? Wie hat Karl-Heinz Grasser reagiert? Johannes Schwitzer Fürnsinn berichtet vom Prozess am Wiener Straflandesgericht.

Möglichkeit der Berufung

Gegen das Urteil des Schöffengerichts ist eine Nichtigkeitsbeschwerde beim OGH sowie eine Berufung gegen den Urteilsspruch beim Oberlandesgericht Wien möglich.

Grasser und Ainedter wollen nun auch den am Beginn des Verfahrens geäußerten Verdacht auf Befangenheit von Richterin Hohenecker vor den Verfassungsgerichtshof (VfGH) bringen. Hoheneckers Ehemann hatte zu Beginn des Prozesses auf Twitter Grasser verurteilt und habe daher die Unabhängigkeit der Richterin in Zweifel gezogen, so die Argumentation. Auch dass eine Zeit lang während der Prozesspausen sowie vor und nach Verhandlungsbeginn Mikrofone eingeschaltet waren, ist für Grasser und seinen Anwalt weiterhin ein Grund für eine Beschwerde. Berufung kündigten auch die Anwälte von Meischberger und Hochegger an.

Meischberger sieht „politische Rache“

Meischberger sagte nach dem Urteil gegenüber der „Tiroler Tageszeitung“, er habe mit einem Freispruch gerechnet. Er zweifle nun an der Objektivität des Gerichts. „Die Brutalität dieses Urteils kann ich nur mit politischer Rache umschreiben. Die Richterin war befangen“, so Meischberger mit dem Verweis, dass Hohenecker auch das Urteil über den früheren FPÖ- und dann BZÖ-Politiker Peter Westenthaler gesprochen hatte. Er sah eine „politische Clique“, der es im Nachhinein darum gehe, „die Politik von Wolfgang Schüssel und Jörg Haider zu beschädigen“.

Das Urteil sei „mit einer sehr brüchigen Indizienkette begründet“, es habe „keinen einzigen stichhaltigen Beweis“ gegeben. Meischberger vermutet, dass das Urteil schon vor Beginn des Prozesses ausformuliert war, „denn es ist ein Spiegelbild der Anklageschrift“. Meischberger will „das Fehlurteil in allen Instanzen bekämpfen“.

Richterin verteidigt Länge des Verfahrens

Auf einen weiteren von den Anwälten oftmals vorgebrachten Vorwurf – die Länge des Prozesses – war Hohenecker bereits zum Abschluss der Urteilsverkündung eingegangen. „Längere Phasen behördlicher Inaktivität lagen nicht vor“, so die Richterin. Das Ermittlungsverfahren habe zwar insgesamt sieben Jahre gedauert, das sei aber auch den weit über hundert Zeugen geschuldet, sie sich zum Teil im Ausland befunden hätten.

Auch seien viele Ermittlungsschritte und Amtshilfen im Ausland und aus dem Ausland nötig gewesen. Verstöße gegen die Europäische Menschenrechtskonvention – wie von Grasser und Meischberger öfters beklagt – habe es nicht gegeben. Trotzdem habe die Verfahrenslänge mildernd Eingang ins Urteil gefunden.

Mildernd wirkte laut den Ausführungen Hoheneckers auch, dass die Tat schon lange her sei, ebenso Grassers bisheriger Lebenswandel und dass er sich dananch nichts mehr zuschulden kommen lassen habe. Das gelte auch für die anderen Hauptangeklagten.

„Verdeckte Provisionsvereinbarung“

Die Aussagen der Angeklagten bezüglich möglicher Geldflüsse konnten das Schöffengericht allerdings nicht überzeugen, wie Hohenecker in ihrer Begründung detailliert ausführte. Der Schöffensenat sah es als erwiesen an, dass nur Grasser als Informant Meischbergers für das Angebot der unterlegenen CA Immo infrage kam. Die Angaben von Meischberger, er habe die Information vom mittlerweile verstorbenen Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider bekommen, sei eine reine Schutzbehauptung, die nur deswegen gewählt worden sei, weil Haider nicht mehr befragt werden konnte.

Es sei belegt, dass Grasser die Höhe der Finanzierungszusage für die CA Immo kannte, so die Richterin. 9,6 Millionen Euro, ein Prozent der Kaufsumme, hatten 2004 die siegreichen Bieter Immofinanz/RLB OÖ bei der Privatisierung der Bundeswohnungen (BUWOG und andere Wohnbaugesellschaften) an Meischberger und Hochegger gezahlt. Der Zuschlag für 961 Mio. Euro lag nur eine Mio. Euro über dem der CA Immo.

Karl-Heinz Grasser und Walter Meischberger
APA/Helmut Fohringer
Als schuldig sah das Gericht auch Ex-FPÖ-Generalsekretär Meischberger an

„Es handelt sich um eine verdeckte Provisionsvereinbarung vom Machthaber Grasser zulasten des Machtgebers Republik Österreich, wodurch diese geschädigt wurde“, so die Richterin zur BUWOG-Provision von 9,6 Mio. Euro. Diese wurde über Umwege auf drei Konten in Liechtenstein transferiert.

Peter Hochegger
APA/Roland Schlager
Lobbyist Hochegger legte zu Prozessbeginn ein Geständnis ab – wurde aber zu sechs Jahren Haft verurteilt

„Wer redlich wirtschaftet, benötigt keine Konten in Liechtenstein“, sagte die Richterin. Sie merkte weiters an, dass der von der Staatsanwaltschaft vorgeworfene Tatplan zur illegalen Bereicherung auf Kosten der Republik durch drei Zeugenaussagen belegt sei. Es sei eine „Infrastruktur zur Verschleierung“ geschaffen worden.

Schwiegermuttergeld als „Beweisfälschung“

Eine Rolle spielten laut Anklage auch 500.000 Euro, die Grasser als damaliger Finanzminister in bar in die Meinl Bank brachte und dort einzahlte. Grasser gab an, das Geld in der Schweiz bar von seiner Schwiegermutter erhalten und nach Österreich gebracht zu haben.

Gerichtssaal
APA/Helmut Fohringer
Nach fast drei Jahren kam der Prozess gegen Grasser und weitere 14 Mitangeklagte zu einem – vorläufigen – Ende

Später floss das Geld auf jenes Konto in Liechtenstein, auf das auch ein Teil der BUWOG-Provision floss – was für die Anklage zeigte, dass Grasser an der BUWOG-Provision mitverdiente. Grasser wies das zurück, er habe weder mitverdient noch von der Beratungstätigkeit von Hochegger und Meischberger für die BUWOG-Bieter gewusst. Das Gericht sah die Darstellung Grassers offensichtlich als nicht plausibel an. In ihrem Urteil sprach die Richterin nun von „Beweisfälschung“.

Schuldspruch für Ex-TA-Vorstand Fischer

Neben der Causa BUWOG-Verkauf und Terminal Tower wurde auch die Anklage zur Causa Telekom-Austria-Parteienfinanzierung in den Prozess aufgenommen. Auch hier gab es einen Schuldspruch für Ex-TA-Vorstand Rudolf Fischer. Als Teil des Prozesses war auch ein Betrugsvorwurf rund um Meischbergers Villa in den Prozess aufgenommen. Hier gab es einen Freispruch für den ehemaligen FPÖ-Politiker.

Freigesprochen wurden auch fünf Angeklagte in der Causa um den Linzer Terminal Tower. Bei der Einmietung des Finanzamts in das Bürgebäude beim Linzer Bahnhof flossen laut Staatsanwaltschaft 200.000 Euro an Provision. Dieser Ansicht schloss sich auch das Gericht bei seinem Urteil gegen Grasser an. Einen Freispruch gab es in dieser Causa hingegen für Hochegger.